Wie Ältere Lernen? Mir scheint – wie Jüngere!

Zu diesem Fazit kam ich beim Lesen der Zusammenfassung einer Studie der Fraunhofer IAO. In einer Befragung von über 1000 Verwaltungsangestellten über 50 Jahren  in Stuttgart stellten die Mitarbeiter Gabriele Korge und Christian Piele u.a. fest, dass Frauen lieber austauschorientiert und Männer lieber selbstorganisiert lernen oder das selbstorganisiertes Lernen mit Integration kommunikativ-austauschorientierter Elemente erfolgreicher ist. Auch die Selbstwirksamkeit der Lernenden sollte gestärkt werden sowie einen Überblick auf den Lernprozess haben. Allesamt Faktoren, die ich in der einen oder anderen Publikation auch für andere / jüngere Lernende schon gelesen habe. So wird gerade in der Diskussion um die Gestaltung kompetenzorientierter Lernangebote Kommunikation, Selbstorganisation oder Selbstwirksamkeit betont (z.B. bei  Pätzold & Lang 2004; Reischmann 2004)

Bei einem genaueren Blick in die Studie (die ausführlich unter der Adresse: http://www.bbbank-stiftung.de/fileadmin/redaktion/Dokumente/Studie_Lernen_Aeltere.pdf hinterlegt ist) zeigen sich in der Zusammenfassung detailliertere Ergebnisse (vgl. Korge & Piele 2014, S. 216ff).

So stellten die Autoren fest, dass ältere Verwaltungsmitarbeitende eine heterogene Gruppe bzgl. der Lernerfahrungen und -vorlieben sind – was auch für andere Lerngruppen gilt. Sechs unterschiedliche Lernsettings konnten in der Untersuchung festgestellt werden: Dozentenzentrierters Lernen, erweiterters dozentenzentriertes Lernen, vielfältiges Lernen (bzgl. Lerorte und -zeiten sowie Quellen), austauschorientiertes Lernen (mit Quellen, die Austausch der Lernenden anregen), praxiserprobendes Lernen sowie selbstorganisiertes Lernen. Auch hier: meines Erachtens keine Unterschiede zu anderen Lernendengruppen.

Erfolgreiches Lernen bei älteren Verwaltungsmitarbeitenden kann durch die Unterstützung der Selbstwirksamkeit der Lernenden,  der Selbstorganisation des Lernenprozesses, Förderung des Austauschs der Lernenden, Lernortvariationen (je nach Lernanlass/-thema), Beachtung eines passenden Zeitrahmens für die Lerndauer und Berücksichtigung der Gruppenzusammensetzung erfolgen. Und wieder komme ich zu dem Schluss oder der Frage: was ist der Unterschied zu anderen Lernenden?

Als weitere Hinweise geben die Autoren mit auf den Weg, dass ungestörtes Lernen, Befürworten des Lernens am Arbeitsplatz durch Kollegen und Vorgesetzte und Lernen ohne großen Zeitaufwand ebenfalls förderlich wirken.

Irgendwie ist es beruhigend, wieder zu erfahren, dass es scheinbar keine Unterschiede bzgl. des Lernens verschiedener Menschen(gruppen) gibt. Und irgendwie auch nicht verwunderlich. Kommt damit erneut die Frage auf: wie können wir Lernanlässe gestalten, die lernförderlich und lernendenfreundlich sind? Und damit sind wie wohl auch schnell wieder bei didaktischen Fragen, sofern es um formelle Lernprozesse geht. Aber auch bei informellen Lernprozessen – so meine These – spielt die Didaktik eine wichtige Rolle (ein Thema, dass ich gern mit Marin Lindner noch ein wenig vertiefen würde :-)). Aber dazu später hoffentlich mehr….

Literatur:

  • Korge, Gabriele & Piele, Christian (2014): Studie „Lernen Ältere“. Lernsettings für ältere Verwaltungsmitarbeitende. IAO Stuttgart.  http://www.bbbank-stiftung.de/fileadmin/redaktion/Dokumente/Studie_Lernen_Aeltere.pdf
  • Pätzold, Günther; Lang, Martin (2004): Förderung des selbst gesteuerten Lernens in der beruflichen Erstausbildung. Universität Dortmund;  Universtität St. Gallen.;
  • Reischmann, Jost (2004): Kompetenz lehren? Kompetenz- und Performanz-Orientierung in der Andragogik zwischen Didaktik und Organisationsentwicklung. Universität Bamberg.

 

3 Gedanken zu „Wie Ältere Lernen? Mir scheint – wie Jüngere!“

  1. Deinem Kommentar stimme ich zu. Die Untersuchung selbst, wie viele ähnliche, muss von den Bedingungen her interpretiert werden, unter denen sie sich an das Lernen Älterer heranmacht. Es geht um Lernen in einer gesellschaftlich typischen, anthropologisch aber höchst speziellen Konstellation: Solches nämlich, zu dem sich die betroffenen Menschen kaum jemals entscheiden würden, wenn sie nicht durch existenziellem Druck veranlasst wären. „Gäbe es die tatsächlichen oder vermeintlichen Angriffe auf Qualifikation und Arbeitsplatz nicht … (würde) berufliche Weiterbildung … eher abweichendes Verhalten darstellen“. Axel Bolders Studie hat schon zwei Jahrzehnte auf dem Buckel, ich wüsste aber nicht, was sich zum Besseren gewendet haben sollte. Die Empfehlungen, die aus der Fraunhofer-Studie hervorgehen, müssten also mit der entsprechenden Prämisse formuliert werden: Menschen, die zum Lernen gezwungen sind, Lernen besser, wenn man ihnen den Eindruck von Selbstwirksamkeit (übrigens eine komische Interpretation dieses Konzepts!) oder davon verschafft, sie lernten selbstorganisiert. „Selbstorganisiert“ gibt es nicht im Komparativ, es gilt: entweder, oder. Das markiert das Problem: Selbstorganisiert kann Lernen von vornherein nicht sein, wenn man die Entscheidung dazu nicht freiwillig getroffen hat und über die Ziele nicht verfügen kann. Selbstorganisation und Selbstwirksamkeit sind dann Mitteln zu fremden Zwecken.

    (1) Bolder, A.: Verhindert der Mangel an Marktregulierung die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung? Hinweise aus einem Projekt, Weiterbildungsabstinenz zu erklären. In: Dobischat, R./Husemann, R. (Hrsg.): Berufliche Weiterbildung als freier Markt? Regulationsanforderungen der beruflichen Weiterbildung in der Diskussion. Berlin 1995, S. 323-344

  2. Danke für die profunde und ausführliche Antwort, die zum Weiterdenken anregt! Mich interessierte an der Sudie, welche Lernpräferenzen bei der „Älteren Generation“ gefunden wurden. Nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung mit dem Lernen von Senioren mit digitalen Medien im Kontext eines F&U Projektes. Mir zeigten die Ergebnisse, ohne den Kontext „betriebliche Weiterbildung“ genauer in den Blick zu nehmen, dass es da wenig/keine Abweichungen oder Neuigkeiten gibt. Ich vermute, auch bei selbstorganisierten, selbstbestimmmten und selbstgesteuerten Lernanlässen gibt es hier wenig Abweichungen… Oder doch?

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