„Decken-Ventilator in Zeitlupe, krabbelnde Kakerlaken an der speckigen Tapete, rot starrende Augen, Schweißtropfen: Auf TRICKYs drittem Studioalbum (die Skizzen-Compilation als NEARLY GOD mal ausgenommen) regieren mehr denn je Wahnsinn, Voodoo und gepflegter Psychopathen-Pathos. „Is There Cancer In The Throat?“ zischt der Mann manisch-heiser. Und: „Alive Is Pain, Murder Is Fame“. In New York und auf den Bahamas mit vielen handfesten Instrumenten wie Geigen und Flöten, Kontrabaß und Celli aufgenommen, kommt „Angels With Dirty Faces“ auch mit schleppenden Gitarrenloops und Dub-Schlieren, Dröhn-Collagen und irren Schepper-Shuffel-Beats. TRICKY verbreitet sich über seine großen Themen (Berühmtsein und es hassen, inszenierter Wahnsinn als Verweigerungs-Mittel dagegen) und feilt zusammen mit seiner engelhaften Gespielin MARTINA an seiner Privat-Aufführung von „Die Schöne und das Biest“: TRICKY flüstert, raunt, gurrt, bellt lasziv-lethargisch, und MARTINA schwelgt, klagt und leidet dazu.
„Broken Homes“ zeigt ihn im Duett mit PJ HARVEY zu Gospel-Chören, bei „Carriage Für Two“ schwärmt der Mann über seine kleine Tochter, um im nächsten Moment seine eigene Zerbrechlichkeit zu veröffentlichen: „Please won’t you try / stop me talking like a tough guy / Subject Matter’s Love / I’m too scared to be a Gun totting Gangster Wanna-Be / I’ve got too much Love inside of me“ („Demise“).
In „6 Minutes“ grübelt TRICKY SYMBOL-mäßig („Is this making Music or Money? / I can’t make my Mind up / they think they’re safe ‚cause they’re signed up / you’re under Contracts that break those Backs“) und hält dem Drama die Aktivisten seines eigenen „Durban Poison“-Labels entgegen: „Durban Poison Artists are the smartest / in this Industry full of Vomit / My Voodoo make’em sick / My Voodoo make’em sick“. Für seine Suche nach neuen sperrigen Ausdrucksformen und seine konsequente Verweigerung gegen Pop-kommerzielle Verwertbarkeit kann man Beat-Architekt TRICKY nur massiven Respekt zollen – sein ostentatives Leiden unter Berühmtheit und öffentlichem Interesse (lustlose Live-Auftritte „naked and famous“) dagegen nerven. Dann soll er halt seine Kunst nicht veröffentlichen. Insgesamt aber ein großartiges, gehaltvolles Werk, an dem man in drogengeschwängerten SlowMo-Nächten wunderbar bis ins nächste Millennium knabbern kann: „I watch where I venture, see / ‚cause I don’t like this Century“ („Record Companies“).“ (http://www.intro.de/platten/kritiken/23023430/tricky-angels-with-dirty-faces)