Und schon wieder Musik aus dem Norden – heute aus Finnland:-). Endlich wurde ich auch bei diesem Album fündig und darf es nun in meine Sammlung sortieren. Vladislav Delay kann ja zu Recht als multiple Persönlichkeit in der Musikbranche bezeichnet werden. Wo sich andere für einen neuen Output abmühen nutzt er lieber Pseudonyme (z.B. Luomo, Sistol, Uusitalo und Conoco), um seine Produktionen unter das Volk zu bringen.
Mit Entain, seinem Zweitlingswerk als Vladislav Delay, schafft er in Titel gegossene wabernde, elektronische Flächen, die deutlich über der 15 Minuten Marke durch die Boxen fliessen. Im Gegensatz zu Werken anderer Ambientmusiker scheint ihm die Homogenität, zu der solche Musik verleitet, zu langweilen. Daher streut er hier und da ein paar Klicks ein, stört die angenehme Ruhe mit Blubbern und Fiepen (ohne jedoch anstrengend zu werden), verschleppt Töne, nutzt die Ruhe als gestalterisches Element… So gewinnt die Musik eine natürlich anmutende Anatomie, die Beliebigkeit auszustrahlen scheint, aber bei genauem hinsehen bzw. hinhören detailverliebt, individuell und überraschend ist.Begleitet wird sie von einen Basslauf, der scheinbar stets neben einem Takt sitzt das das organisch, warme Gefühl unterstreicht. Für den Rhythmus sind andere Töne verantwortlich, die einem Herzschlag eines fremden und scheuen Lebewesens ähneln mögen und nur hin und wieder durch das Dickicht der Sounds an das Ohr dringen…
Hörprobe „Wenn sich die Echos überschlagen und multiplizieren, bleibt irgendwie auch die Zeit stehen.
“Vapaa Muurari”, die erste Veröffentlichung von Uusitalo a.k.a. Vladislav Delay, ist inzwischen sechs Jahre her, die Luomo-Begeisterung ist nach den großen Inkorporationsversuchen – die Erweiterung seines Dub-House-Zucker-Pops in Richtung R’n’B, eventuell auch bis hinein in die Charts – auf ein sehr überschaubares Maß zurückgeköchelt, Vladislav Delay veröffentlicht fast nur mehr auf seinem eigenen Label Huume. Dem zweiten Uusitalo-Album “Tulenkantaja” hat diese Phase der Beruhigung offensichtlich gut getan.
Relativ unbekümmert von den Trends der Stunde macht Delay da weiter, wo er vor sechs Jahren zuletzt die Uusitalo-Echos in die Weite der Hallräume hinausgeschickt hatte. Nämlich bei der Verknüpfung von Ambient-Atmosphären und dem Flirren melodischer Fragmente mit einer dubbigen und pumpenden Auslegung von House. Vor allem die so speziell rumpelnden Uusitalo-Bässe machen untenrum wieder ordentlich Druck und könnten es schaffen, diese Stücke aus dem relativen Abseits doch in den schmalen Aufmerksamkeitsfokus von Minimal-Ökonomen zu wuppen. Dazu dann hier auch noch mal drei Fragen an Uusitalo:
Was bedeutet das Wort “Uusitalo”, und wie würdest du selbst das Projekt beschreiben? Uusi bedeutet neu, und Talo heißt Haus. Uusitalo ist ein sehr weit verbreiteter Nachname in Finnland, die Telefonbücher sind voll davon. Für mich ist das Projekt irgendetwas zwischen Luomo und den Ambient-Sachen, die ich produziere. Diese Platte geht eher in Richtung Dancefloor als das erste Uusitalo-Album, aber die Zeiten ändern sich eben. Es geht immer noch um instrumentale, “rhythmische” Musik ohne Gesang und darum, was man damit anstellen kann. Ich versuche, mit Grooves zu experimentieren, mit Erwartungen auf dem Dancefloor, und dabei aber auch auf die Kompositionen zu achten. Ich will instrumentale Songs machen und keine DJ-Tools.
Hast du, nach deinen Erfahrungen mit großen Plattenfirmen, auch nur eine Minute daran gedacht, dieses Album auf einem anderen Label als deinem eigenen zu veröffentlichen? Ich glaube, ich habe eine so starke Aura oder so etwas Ähnliches um mich herum, dass mich gar niemand fragt, irgendwas für jemand anderen zu machen. Oder vielleicht bin ich auch nur völlig aus der Mode. Aber egal, ich bin total zufrieden damit, dass ich diese Sachen jetzt selbst durchziehen kann.
Arbeitest du neben deiner Musikerkarriere immer noch als Programmierer? Ich war nie wirklich Programmierer, sondern so eine Art Visionen-Entwickler. Das war gegenüber der Musik immer zweitrangig, und vor zwei Jahren habe ich das ganz sein lassen und beschlossen, mich voll auf die Musik zu konzentrieren. Ich hatte mit diesem Job im Grunde versucht, meine Musik zu schützen. Ich dachte, wenn ich eine Arbeit habe, mit der ich meine Rechnungen bezahlen kann, müsste ich keine musikalischen Kompromisse eingehen und könnte so verrücktes oder poppiges Zeug produzieren, wie ich möchte. Aber nach einer Weile hatte ich dann einfach keine Zeit mehr, um überhaupt noch Musik zu machen. Jetzt habe ich einen anderen Weg gefunden, um meine künstlerische Freiheit zu sichern, die Musik zu machen, die ich will, und damit zu überleben: einfach kein Geld mehr ausgeben. Und ich liebe es. (Arno Raffeiner)“ http://www.intro.de/platten/kritiken/23035226/uusitalo-tulenkantaja?sim=1
„Das hier ist Live-Mix und Soundmaterial von Luukas Onnekas aus dem Ars Elektronica Klangpark vom September letzten Jahres aus Linz. Im “Museum of the Future” ertönten seine “Improvisational Soundfields” mit Gedanken über Kunst, Selbst und Konstruktion, was man als ein verdichtetes Logbuch seiner Sound-Expedition verstehen kann. Ein sehr tiefes, fließendes und aber auch experimentelles Sound-Design erforscht das Ohr und macht den Weg frei für neue Projektionsflächen.“ (http://de-bug.de/reviews/14671.html)
„Recorded at the Ars Electronica Festival in Linz, Austria last September, Luukas Onnekas was one of the chosen to fill the OMV Klangpark near the Danube with live sound over six days. This disc compiles highlights into a single 42 minute track. Onnekas is most likely using material from last year’s „Anima“ as a starting point, restructuring it on the fly as the remixed title „Naima“ suggests. Add to this Onnekas‘ own words, lyrics from his house project Luomo (see also „Vocalcity“) and an art mission statement of sorts, recited in foreign accented English by his girlfriend. Fascinated by femininity, who better to help him express this? But the most telling line, „I’m unable to address my sound, my voice with words“, reveals Delay’s dilemma and blessing: sound is his one true medium of expression. Like „Anima“, „Naima“ is a lukewarm, gelatinous pool where innocuous sound bits buoy and sink, seemingly at random. There are passages where the music lies dormant and just her voice remains, unaffected or folded into the mix, or vice versa, the music by itself sometimes trailing off into silence. Everything fluctuates between linear and non-linear movement, subliminal melodies and rhythms arise then disappear, music and words become simply music. Beautiful, simply beautiful. And that is why Onnekas remains my favorite contemporary electronic musician …“ (http://www.brainwashed.com/weddle/reviews/naima.html)
Reinhören „Gibt es in Finnland eigentlich Gletscher? Finnlands Vladislav Delay jedenfalls dekliniert weiter haufenweise Genres elektronischer Musik durch und ist jetzt bei Gletscher-Ambient angekommen. “Anima” ist ein großes Eisfeld, das sich vor einem auftürmt: eine Stunde, ein Track, eine Aussage, eine Interpretation von Klangfeldern als Raumgestaltung, tiefgründig wie sedierend zugleich. Die ersten Schollen treiben schon nach wenigen Metern im Wasser, in der Ferne sieht man den Gipfel in der kalten Sonne glitzern. Zwar spürt man auch auf “Anima” noch bekannte Genres und Produktionsästhetiken – diese scheinen jedoch wie von einer Eisschicht überzogen.
Statische Klangbrocken, die langsam ins Wasser bröckeln, knirschender Schnee, Metallklang in klarer Luft. Zwischendurch kommt mal ein wenig pulsierende Bewegung und überbordende Hektik in die erstarrte Landschaft – doch nur kurz. Dann spürt man durch die Eisschicht einen einbalsamierten Rhythmus, und mächtige Eisberge kalben ins Wasser. Sonst aber bleibt alles erhaben, ruhig, ewig gefroren. Dabei drückt der Mann sich per Alben zur Zeit in einem Tempo aus, dass man später vielleicht mal von der “Delay-Phase” in elektronischer Musik sprechen wird und dabei nicht den Effekt meint. Denn ewig kann er seinen Output in dieser Masse und Qualität nicht durchhalten. Muss er auch gar nicht, denn wie Markus vom Staubgold-Label berichtet, habe der zwar stille, aber ausgesprochen nette Mann lange an seinen Skizzen und Ansätzen gearbeitet, bevor er seine jetzige Veröffentlichtungsreihe von der Festplatte auf Tonträger brannte. Delay arbeitet zur Zeit also vor allem Konzepte aus. Hier hat er eine Balance gefunden zwischen kaltem Eis und einzelnen Sonnenstrahlen, zwischen gefrorenen Clicks und verwehenden Dubspuren. Und trotzdem wärmt es.“ (http://www.intro.de/platten/kritiken/23027324/vladislav_delay_anima)
Reinhören „Vladislav Delay scheint im Moment hyperaktiv zu sein. Gerade hat er mit seinem Luomo Longplayer dem Deephouse Universum mal eben so im Quereinstieg zigtausend neue Definitionsmöglichkeiten aufgezeigt, da kommt schon die nächste CD. Dieses Mal wendet er sich mit seinem Laptop Techno (im weitesten Sinne) zu. Und da das Ganze ein aufgenommenes Liveset ist, kann sich jeder, der schon einmal in den Genuß gekommen ist, Vladislav Delay Live zu erleben vorstellen, was ihn erwartet. Zwischen Soundtiefenforschung, pulsierenden Beats und übereinandergeschichteten Dubs navigiert er mit einer solchen Leichtigkeit hin und her, daß man keine andere Wahl hat als sich diesem feingewebten Soundteppich mit einem Lächeln im Gesicht zu ergeben. Ganz nebenbei beschleicht einen hier das Gefühl, daß da jemand mit mit großer Feinsinnigkeit und ganz viel Tiefe Techno dekonstruiert. Jeder Track scheint in all seinen Einzelteilen zu leben. Es brummt, knattert, treibt, groovet, diffundiert, taucht auf und verschwindet wieder. Ein Kaleidoskop von Sounds, die man auf ihrem Weg verfolgen kann, verfolgen will, und genau deswegen weiß, dass man diese CD lieben muß. Wer letzten Monat noch nicht überzeugt war, hier der das nächste Argument aus Finnland das uns das Leben auf dem Mars vollkommen egal sein kann. Unglaublich gut.“ (http://www.de-bug.de/reviews/10291.html)
Reinhören „…um es vorwegzunehmen: Diese Platte verdient Beachtung. Das merkt man, sogar ohne gleich in die Tiefe gehen zu müssen. Luomo ist mit „The Present Lover“ ein ziemliches Meisterwerk gelungen. Schön warmer Deep House breitet sich aus, dazu wird gesungen, von der Liebe, sehnsüchtig und erhaben.
Auf dem Dancefloor wird diese Musik zweifellos bestens funktionieren – sind ja auch großartige Hymnen. Luomo weiß genau, was ein perfekter Popsong ist, genauso, wie man einen kickenden House-Track schreibt. Aber auch zu Hause am heimischen Herd funktioniert die Nummer. Vorstellbar zum Beispiel auf dem Sofa mit ein paar guten Kopfhörern oder sonntagmorgens in den legendären Federn. Hier schlummert ein echtes Konsens-Album, dessen Musik vor Referenz strotzt, ohne sich auf einen Retro-Sound festzulegen, ohne die Achtziger, den Synthie-Pop oder die Anfänge von House adaptieren zu wollen oder zu müssen. (…) Luomo ist ein Künstler, dessen Werk viel Fläche für eine intellektuelle, verkopfte Auseinandersetzung bietet. Mit akademischen Analyse-Techniken und dem passenden Wortschatz wird die Musik, die er oder verwandte Künstler produzieren und die mit dem Begriff „Clicks’n’Cuts“ ihre Zuordnung gefunden hat, zur Philosophie aufgebauscht. „Sampling“, „Bricolage“, „Postmoderne“, was da über Musiker erdacht und geschrieben wird, liest sich so, als habe hier jemand nicht bloß ein paar gute House-Tracks geschrieben, sondern vielmehr das passende Werkzeug gefunden, um die Zerrissenheit der heutigen Gesellschaft darzustellen. Jeder Soundtüftler ein neuer Adorno. Solche Kritiken erinnern an die Hochzeit der „Cultural Studies“, als britische Akademiker mit wissenschaftlichen Mitteln die Entstehung von Punk oder die Musik der karibischen Migranten in Großbritannien erforschten. Vieles machte da Sinn, vieles war interessant, aber vieles war auch überspitzt und überinterpretiert. Im Endeffekt ist es so: Popmusik, das ist ein Haufen großartiger Songs. Nicht mehr und nicht weniger. Popmusik ist nicht das Leben, sondern nur ein (sehr schöner) Teil davon. Und manchmal gibt es Tage, an denen man unzählige gute oder schlechte Gründe findet, warum man sich keinen Deut um Popmusik scheren sollte. Und dann kommen ganz sicher auch wieder Zeiten, wo man einfach nichts Besseres tun kann, als im Bett zu liegen, um sich die wunderschönen Liebeslieder auf der neuen Luomo-CD anzuhören.“ (http://www.intro.de/platten/kritiken/23030216/luomo_the_present_lover)