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Polygon Window – Surfing On Sine Waves (1993)

Hinter Polygon Window verbirgt sich Richard D. James, besser bekannt als Aphex Twin. Das Album ist die zweite Veröffentlichung der Artificial Intelligence Serie von Warp Records in den 90er Jahren.

Man hört dem Album die Bandbreite musikalischen Wirkens von Aphex Twin an. Die Tracks oszillieren zwischen Ambient und Rave – eine Sammlung abstrakter Elektronik-Sounds, die Monotonie mit Hyperaktivität sowie Melodien und Störungen miteinander verknüpft.

Das Britische Musikmagazin Fact kürte 2012 das Album auf Platz 26 der Top 100 Alben der 1990er Jahre und Pitchfork kürte es ebenfalls auf den 26sten Platz der Top 50 IDM Alben aller Zeit. Wenn das keine Würdigungen sind!

Zugegeben, ich brauche eine gewisse Stimmung, um Polygon Window aufzulegen – aber das gilt wohl bei jeder Musik. Aber im Gegensatz zu vielen anderen kann ich den Sound von Polygon Window nicht nebenbei plätschern lassen. Es ist keine Fahrstuhl-Musik, sondern sie nimmt den Raum ein und will Aufmerksamkeit.

Bei Bandcamp ist das ganze Album zu hören: https://aphextwin.bandcamp.com/album/surfing-on-sine-waves

Bei meiner Bildassoziation ist der Name Programm, auch wenn es nicht ganz trifft: Polygon Window. Der Kongreß von Buenos Aires in einer Spiegelung am gegenüberliegenden Haus.

(C) Lars Kilian: Polygon Window CC BY SA 3.0 DE

Eines der träumerischen Stücke „If It Really Is Me“ hier als Video:

Egoexpress – Hot Wire My Heart (2005)

Bildquelle: https://img.discogs.com/Dqy3dfTCGwZIlMDLh6wbjJAFRSA=/fit-in/600×606/filters:strip_icc():format(jpeg):mode_rgb():quality(90)/discogs-images/R-483977-1508790205-7807.jpeg.jpg

„Oh my god, it is techno music!“ Dieser Ausruf auf dem Titel Knartz IV steht programmatisch für das Album. Nicht unbedingt für die breite Masse gemacht, aber für jeden was dabei, ohne ein Gemischtwarenladen zu sein. Auch wenn das Große und Neue bei dem Album der Hamburger nicht zu finden ist, ist etwas essentiell Wichtiges enthalten: Spaß an der Musik. Gepaart mit ohrwurmverdächtigen Melodien, einem hüpfenden 4/4 Bass und netten Überraschungen liefert „Hot wire my heart“ eine Stunde gute Unterhaltung für den Club, die Autofahrt, den flotten Spaziergang, am Kochtopf und beim Fenster putzen. Und so rocken Egoexpress den Technoclub.

Meine Bildassoziation ist da gar nicht so weit weg. Aufgenommen auf einem Festival, elektronische Musik überall, Licht und Diskokugeln – eine tolle Mischung für Sommernächte voller Leben.

Knartz IV Lars Kilian
Lars Kilian: Knartz IV

Saalschutz – Macht’s Möglich (2006)

Saalschutz haben ja kein Problem mit Größenwahn, was sie sympathisch macht. Die (berechtigte?) Frage, wer die beste Band des Universums sei – Radiohead oder Saalschutz – entscheiden Saalschutz für sich. In gewohnter Ravepunkmanier spaßen sie sich durch ihr Universum und versuchen, über ihre Stereotiefensuggestion jede_n für sich zu gewinnen: „Ich will Saalschutz, den ganzen Tag / Nichts als Saalschutz, weil ich Saalschutz so mag. / 60 Minuten in der Stunde oder mehr…“

Zugegeben, zum Erstlingswerk m.E. keine Steigerung, aber aufgrund des Spaßfaktors immer wieder gern gehört. Übrigens: Die beiden Schweizer schaffen es ja, ihren Werken im ersten Titel eine Begrüßung vorzuschalten. Hier eröffnet Jörg Buttgereit, von dem ich letztmalig was vor XXX Jahren hörte und mich wirklich überraschte.

Kombinat 100 – Wege Übers Land (2007)

Bildquelle: http://www.music-head.de/images/product_images/info_images/ACKER04?12

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Bei dem Album stimmt alles. Vom Titel des Werks und den dazu gehörigen Liedtiteln, über den Namen des Labels, dem Cover, einer in Halbschatten getauchten Landschaft, bis zur letztendlich wichtigen Musik. Erinnert mich der Name Kombinat 100 an Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften aus vergangenen Tagen (Kurz „LPG“), so wird der Eindruck verstärkt, wenn man feststellt, dass das Album bei Acker Records veröffentlicht wurde. Bereit im ersten Lied „Flieg kleine Taube, Flieg!“ wird deutlich, wie der Landwirt im 21. Jahrhundert steppt. Heitere Grooves und ein lockerer 4/4 Takt, getragen von entspannten und fluffigen Melodien leiten das Werk im Houserhythmus ein. Da Monokultur nicht nur in der nachhaltigen Landwirtschaft verpönt ist, erlaubt sich auch Kombinat 100, schon bald die rein elektronischen Spielzeuge um gute, bewährte aber fast vergessene Instrumente zu erweitern. So gesellen sich alsbald Mundharmonika oder Accordion, Conga und Hammond Orgel dazu, die zeigen, welcher Spaß nach Feierabend auf dem Land herrscht. Dass sich dann auch eine Art russisch klingender Männerchorgesang zum Ende des Albums ein Stelldichein gibt und den flotten Takt energetisch unterstützt, ist angenehm überraschend, rundet aber das Gesamtbild dieser Platte angenehm ab. Mit diesem Werk zeigen die vier Herren aus Mecklenburg, dass es auch auf dem platten Land munter zugehen kann und in manch verfallenen Stall  mehr Leben und Elan zu finden ist, als in den Schluchten der Großstadt. Ideal für das große Open Air am See!

Dub Taylor – Experience (2003)

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Der Name ist Programm: Dub! Und diesen mixt sich Alex Kruger mit Minimal Sounds, klar definiertem Bass und leichten, hier und da eingestreuten, Gesangsarrangementens zurecht. Eine einfache Rezeptur, die aber aufgeht. Klar definiert, wenig Schnick und Schnack, ist diese Musik für diejenigen gedacht, die einfach zappeln wollen. Dub Taylor schafft es dabei, Sounds zu konstruieren, die zwar einfach klingen, aber nicht trival/banal sind. Sie erinnern mich irgendwie an gutes Design, an Bauhaus. Form folgt Funktion. Eine klare Linie, gute Materialien und dennoch auch die Freude des Nutzers nicht aus dem Auge verlieren. Damit wird die Musik nicht nervig und stets gern wieder in den CD-Player geschoben.

Readymade FC – Babilonia (2005)

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Da tummelt sich schon lang was in meinem CD Regal, was vorgestellt werden möchte, obwohl es eigentlich bekannt sein sollte. Readymade Macher Jean-Phillipe Verdin versammelt auf seinem Album Babilonia nicht nur wunderbare Sounds, die aus den Reichen von CocoRosie, Bodi Bill, Gregor Samsa und Geistesverwandten stammen könnten. Er schafft es auch, einige Größen der Szene ins Studio zu holen. So überraschen die Auftritte von David Sylvian, Yael  oder Feist, passen gleichsam wunderbar in die poetische Welt, die Readymade FC aufbaut. Verdin entführt den Hörenden in Traumwelten voller Fabel-, Fantasie- und Märchenwesen, die Musik möchte nur Harmonie, ohne dabei einfach dahin zu plätschern… Und wenn sie verstummt, hinterlässt sie eine Leere, ohne dass man weiß, was vorher diese Leere gefüllt hat.

Als ein Beleg der komplexen Genialität, die Readymade im Einfachen findet, soll das nachfolgende Video herhalten 🙂

Electronic Eye – Closed Circuit (1994)

Closed Circuit bei Amazon

Schon wieder was fast schon altertümliches, wobei erst 10 Jahre alt. Aber für die Welt elektronischer Klänge reicht diese Zeit oft, um die Musik in die Welt des Vergessens entschwinden zu lassen. Electronic Eye, eines der vielen Sideprojekte des legendärend Richard H. Kirk, hat sich jedoch von vornherein eine Welt eingerichtet, die auch ohne Zeit auszukommen scheint. In dieser Welt erfreut man sich der Soundtüftelei und inspiriert sich Abends am verpixelten, digitalen Lagerfeuer bei den Mitbewohnern der Welt wie Autechre, The Future Sound Of London, Boards Of Canada.
Electronic Eye suchen den digitalen Konsens von Tribal & Funk und klingen wie die elektronische Ausgabe der Ritualmusik eines verschollen geglaubten Buschvolkes. Mystisch, warm, tragend und bei Daueranwendung sicher Trance auslösend. Großartig für alle Lebenslagen und in allen Lautstärken!

Homepage von Richard H. Kirk

Seefeel – Succor (1995/2010)

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Da hab ich mal wieder was im CD-Regel ausgegraben. Hassliebe würde ich es nicht nennen, zu hart. Aber, wenn ich die CD mal wieder „ziehe“, weiß ich nicht, ob ich mich darüber ärgern werde, wenn ich sie gleich auflege und warum ich sie überhaupt noch besitze. Und dann läuft sie …und läuft. Succor ist wie ein Traum. Kein Böser. Und auch kein Guter. Aber einer, der immer wieder mal kommt. Und geht. Vergessen wird, bis er wieder da ist. Seefeel arbeiten mit Strukturen, Soundfetzen, winzigen Melodien, die sich nie zu einem „Großem und Gesamten“ verdichten wollen oder können, aber sich auch nie richtig voneinander lösen. Es wirkt fragmentiert und dicht. Sascha Köch (Spex) schrieb einst passend zu Seefeel „Seefeel waren ja schon immer groß darin, auf einem Gitarrenriff, nennen wir die Dinge mal beim Namen, herumzureiten, bis es sich auflöst und der Wahrnehmung nur noch seine immer wieder Andersartigkeit überlässt.“ Und weiter heißt es: Wer zu dieser Schallplatte geboren wird, muß sich spontan denken, die Welt sei schon in Ordnung. Bißchen rauh vielleicht, aber O.K. (…) Genaugenommen ist das die beste Seefeel-Veröffentlichung, auch wenn man sich damit etwas schwerer tut. Es ist die intensivste. Eine Spieluhr, die Jahrtausende später durch die veränderte Dichte der Atmosphäre wieder zu ticken beginnt, um einen daran zu erinnern, wie behaglich die Tage waren, als man Herzklappenfehler noch für schick halten konnte… “

Recht hat er, der Herr Köch. Und so träume ich die Musik oder sie mich, hole sie anschließend aus dem Player raus und vergesse schon, wie der Traum war, kurz nach dem Erwachen.

Seefeel bei Wikipedia

Das Album bei Warp-Records

 

Monolake – Cinemascope (2001)

Dass Wissenschaft, Kreativität und Ästhetik zusammen gehören, zeigt Robert Henke immer wieder auf seinen Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Monolake. Henke, der als Professor an der Universität der Künste in Berlin tätig ist, zeigte bereits Ende der 90er Jahre des letzten Jahrtausends, wie Minimalelectro und Ambient zu definieren sind. Aus den kühlen Sounds webt er wohlig warme Klangdecken, die den Zuhörer einwickeln und in Wärme sinken lassen. Beim Zuhören gibt es enorm viel und stets Neues zu Entdecken. So passt der Titel des Albums, assoziiert er doch Kopfkino in bester Manier. Im Gegensatz zu den Vorgängeralben scheint Cinemascope leichter zu sein, zu pulsieren, fast zu schweben. „…man hat das Gefühl, dass Cinemascope eher ein weiches Licht auf Monolake wirft, eins, das die Landschaften nicht mehr durch die Leere zeichnet, nicht durch Weite, sondern durch Stille eines ruhigeren Blicks. Eine fast schüchterne Platte, der jegliche Deklamation abgeht“ (http://de-bug.de/reviews/13327.html).

Biografie von Monolake bei laut.de

Underworld – Beaucoup Fish (1999)

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Das fünfte Album von Underworld – und ein weiterer Versuch, sich dem Born-Slippy Fluch (oder war es doch ein Segen?) zu entziehen, ohne die eigenen Stärken aus den Augen zu verlieren. Und so arbeiten Karl Hydes Gesang und Darren Emerson & Rick Smith elektronisch motivierte Soundstrukturen mal synchron, mal asynchron, aber immer schön Hand in Hand um Epik mit Rave zu vereinen. Herausgekommen ist eine sehr treibende Platte, die viele Akzente setzt und sowohl auf der Autobahn oder beim Joggen funktioniert, als auch für den Club den richtigen Nährstoff liefert. Insgesamt ein Album, dem der Satz „Daran hab ich mich überhört“ gar nicht gut steht. Im Spiegel Online stand passenderweise: „Keine extravaganten Samples, kein Schnickschnack und erst recht keine Big Beats. Dieser puristische Ansatz macht das Album modern und zeitlos zugleich. „Beaucoup Fish“ ist ein Klassiker: 74 Minuten lang jagen Wörter Beats und Beats Wörter. Es könnte ruhig noch länger dauern – wenn nicht sogar ewig.“ (http://www.spiegel.de/kultur/musik/cd-kritik-underworld-beaucoup-fish-a-18919.html)