Die Mörder-Balladen waren für NIck Cave und seine Gruppe eins der größten Erfolgsalben. Vor allem der Song „Where the Wild Roses Grow“, ein Duett mit Kylie Minogue, begeisterte – wobei er sich musikalisch doch deutlich von den restlichen Songs unterschied. Dies bereitete wohl auch Nick Cave einige Bauchschmerzen, da das Video in den Musikkanälen hoch- und runtergespielt wurde und Cave Bedenken äußerte, dass die Leute vom Rest des Albums enttäuscht sein werden, wenn sie sich das Album kauften. Die Kritiker begeisterte das Werk jedoch ziemlich einstimmig – und das zu Recht. In diesem morbid dunkelsüßen Konzeptalbum geht es – surprise – um Balladen über das Morden. Nicht verwunderlich, dass sich hier Nick Cave mit und durch seine Art so genüsslich Breit macht. Geschichten über anonyme Mörder, Dialoge zwischen Mörder und Opfer und viele weitere Geschichten, die Cave in seinen musikalischen Psychogrammen auf- und abarbeitet. Keine Musik für das Lagerfeuer oder zum Einschlafen… Oder doch?
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Nick Cave & The Bad Seeds – Nocturama (2003)
„Näher ans Licht
Kürzlich ließ Nick Cave sinngemäß verlauten, Songs zu schreiben sei für ihn wie ein normaler Job. Dazu brauche es Ruhe und eine Art Atelier, in das er sich zurückzieht, während Otto Normalbürger seine Akten wälzt. Eigentlich frustrierend, zu wissen, daß seine Songs bei Tag zwischen Papier und akkurat gespitztem Bleistift entstehen und nicht morgens um halb fünf zwischen übervollen Aschenbechern, wachsüberlaufenen Kerzenständern und umgekippten – natürlich leeren – Whiskey-Flaschen. Aber was macht das schon? Was zählt, ist das Ergebnis. Und das klingt definitiv nach durchzechten Nächten, nach Promille jenseits von Gut und Böse, nach ganz kurz vorm Delirium. Wäre der Titel „Man in black“ nicht schon an Johnny Cash vergeben, Nick Cave müßte ihn auf Lebenszeit an die Stirn getackert bekommen. Denn er lebt ihn. Schwärzer als die Nacht. Trockener als Wüstenboden. Und lustig wie ein Grab.
Daß sich an Nick Caves charakteristischem Sound auf „Nocturama“ etwas ändern würde, hätte im Vorfeld angesichts des Albumtitels niemand geglaubt. Und doch traut man Augen und Ohren nicht. Da blickt der schwarze Mann auf dem Cover doch tatsächlich mitten ins Licht. Nicht in eine Kerze, nicht in eine flackernde Tranfunzel, sondern in gleißende Helle mit Wattzahlen jenseits der Tausendermarke. Und auch in seiner Musik hat sich ein unerwarteter Silberstreif durch die Ritzen geschlichen und breit gemacht.
Die Singleauskopplung „Bring it on“ ist nur ein Beispiel: Die Zweitstimme von Chris Bailey (The Saints), die tiefsinnige Ironie, eine groovende Rhythmusabteilung und ein – tatsächlich – stadiontauglicher Refrain. Macht einen Song, der förmlich nach Tanzfläche schreien würde, wenn Schwarzkittelträger nicht durchweg notorische Phlegmatiker wären. Aber wer Nick Cave nach diesem Song noch Introvertiertheit vorwirft, könnte dringend eine Ohrenspülung gebrauchen. Auch in anderen Momenten geht Cave weit mehr aus sich heraus, als das noch auf dem sakralen „No more shall we part“ der Fall gewesen ist. Das furios rockende „Dead man in my bed“ ruft selige Birthday Party-Zeiten wach, und im 15-minütigen „Babe, I’m on fire“ (dessen beißender Text im Booklet ganze vier Seiten einnimmt) brennt endgültig die Hütte.
Aber natürlich kann der nunmehr 45jährige nicht aus seiner schwermütigen Haut und sucht immer wieder den bekannten Dialog mit seinem Piano. Der Opener „Wonderful life“ oder das entzückende „He wants you“ füllen den Raum mit jenem bedeutungsschwangeren Esprit, den man von Cave so schätzt. Und als ob die Kontraste zwischen Hell und Dunkel, zwischen Laut und Leise nicht schon genug wäre, platzen immer wieder ausgefallenere Stücke wie das im Dreivierteltakt schnurrende „Rock of Gibraltar“ in die traute Zweisamkeit, die „Nocturama“ allerdings leider etwas diffuser erscheinen lassen als seinen Vorgänger. (Armin Lindner)“ (http://plattentests.de/rezi.php?show=1353)