Als gäbe es nichts Neues auf dem Musikmarkt, kommt hier der nächste alte Schinken. Aber Leute: es ist ein wirklich grandioses Album, was The Cure 1980 veröffentlichten. Eigentlich bleibt mein Finger bei der Suche nach akustischem Schmaus selten im CD Regal bei The Cure hängen, Aber wenn ich unterwegs meine MP3s am Telefon per Zufallswiedergabe höre und dann und wann mal ein Song des Albums über die Kopfhörer an mein Gehör dringt, freue ich mich. Und dann darf auch das Album mal wieder über die heimische Anlage in ganzer Länge ertönen.
Schleppende Beats, Monotonie, emotionsloser und leidender Gesang in minimalistischen Klangwelten. Robert Smith soll vor der Veröffentlichung bereits gesagt haben, dass das Album richtig langweilig werden wird. Und doch, es schimmern Farben, es gibt Energien, es treibt da was an.
So wie Georges Seurat mit seinen Werken den Pointillismus in der Malerei prägte, haben The Cure mit Seventeen Seconds den Dark Wave/Gothic geprägt. Jeder Song dieses Zweitlings der Band ist was Besonderes. Mit „A Forest“ jedoch schafften The Cure zu Recht den Durchbruch: Fernsehauftritte, breiteres Publikum und internationale Beachtung. Und als ich jüngst eins meiner Fotos bearbeitete, kam mir sofort der Song in Erinnerung. Daher soll das Album heute und an dieser Stelle nochmal von mir gewürdigt werden. Reinhören. Die dunklere Jahreszeit steht vor der Tür.
Das Cover schreckt potentielle Hörer schonmal ab. Oder erzeugt es doch eher Aufmerksamkeit? Meine erste Assoziation war: ein Japan-Reimport 🙂 Crimes schafft es, mit ihrem dritten Album Grenzen aufzuheben und Gegensätze zu verschmelzen. Ein Gengreclash, den die Leute bei plattentest.de als „Electro-Album für Urban-Outfitters-Mädchen“ bezeichnen. Zentral ist ein schwebender Elektro-Pop, der von fast schon elfenhaften Gesängen Cocteau Twins & Co. ummantelt wird. Passt auch irgendwie zum Plattenlabel 4AD. Damit wird es gleichsam unspektakulär oder auch scheinbar beliebig. Aber man sollte Grimes die Aufmerksamkeit widmen, die sie verdient. Dann offenbart sich das feine Geflecht der Sounds, die dieses Album auszeichnen. Für diejenigen, die keine Zeit und Ruhe dafür finden, bleibt noch das cover als Tatoo-Vorlage 🙂
Da legt man glatt die Ohren an. Alle Peel-Sessions, die The Fall beim legendären John Peel aufgenommen haben, am Stück und im Set. Auf immerhin 24 Sessions sind The Fall in der Zeit von 78-04 gekommen. In jeder Session wurden vier Stücke aufgenommen und zum 65. Geburtstag spielten The Fall Herrn Peel zu Ehren noch ein Geburtstagsständchen „Job Search“ ein, dass hier auch ein Heim bekommen hat. Macht in Summe 97 (!) Songs in einer Box. Vieles davon nicht auf den regulären Alben veröffentlicht, einige Coverversionen sind dabei.
Auch wenn The Fall über die Jahre genial & fast gleich klangen, hört man auf den CDs doch die Entwicklungen heraus. Das ist nicht zu letzt der Personalpolitik von Mark E. Smith geschuldet, der als Gründer und Sänger der Gruppe als einziger über die Jahre geblieben ist und immer mal wieder einen Mitstreiter austauschte
Für The Fall Fans ein echtes Schmankerl, für alle, die The Fall nicht kennen: auf keinen Fall reinhören! Denn bei The Fall ist es ganz einfach, entweder man liebt sie oder hat sie noch nie gehört 🙂
Leider scheint es keine Videos von The Fall bei John Peel zu geben (schade), aber mal ein wirklich alter TV-Mitschnitt eines Auftritts.
2008 war ein Jahr in der Joy Division Dekade, an dem sich so viel Bands abarbeiten mussten (woher kam überhaupt dieser Trend?), wozu sich wohl auch Diego zählen durften. Doch Vorsicht. Es wird nicht mal schnell eine Kopie der alten Helden produziert, vielmehr sind sie meines Erachtens kraftvoller, drücken stärker nach vorn und lassen so durchaus auch das Diskoknie nicht kalt. „Diego, die mit beiden Füßen im Wave und im Pop, im Punk und im Drama stehen, zaubern bedingungslose Tanzbrecher, die im Sekundentakt gefangen nehmen und schütteln, schütteln, schütteln. Zarte Melancholie bricht mit sehnsuchtsvoller Hoffnung, zerreißende Melodien überfallen rücklings und Hit reiht sich nahtlos an Hit.“ (http://www.plattentests.de/rezi.php?show=6231) Wer heute Interpol, Editors oder She Wants Revenge sagt, sollte auch Diego sagen! Und dann: Let’s Dance to Joy Division
Hörprobe …back to the roots, das ist wohl die Grundlage des Tricky-Albums. Für dieses Album ging Tricky nicht nur zurück zu seiner stilistischen Vielfalt, sondern auch zurück zu den Orten, in welchen er groß geworden ist. Benannt wurde das Album nach dem sozial schwachen Stadtteil in Bristol und Tricky schaut auf seine Wurzeln und die damit verbundenen Erinnerungen. Musikalisch aufgearbeitet wird dies mit Punk-Rock, Dub, Elektronik, New Wave und dem natürlich immer wieder typisch schönen düsteren TripHop, den Tricky maßgeblich beeinflusste. Ein begnateter Sänger war er nie und so lässt er, wie schon bei dem Vorgängeralbum, zahlreiche Gastsängerinnen antreten, die ihm hier Unterstützung bieten. Alles in allem eine Herausragende Platte, die einiges vom Hörer abverlangt. Wie schreibt Eberhard Dobler auf laut.de: „Denn Tricky-Scheiben tragen immer Hitpotenial in sich, verstecken den Pop aber hinter sperrigen Arrangements und unkonventioneller Soundauswahl…“ (http://www.laut.de/Tricky/Knowle-West-Boy-%28Album%29)
Und schon wieder geht es um Vergnügen, jetzt um die der Joy Division. Dass Ian Curtis Vergnügen unbekannt gewesen sein müssen, lässt nicht nur die Dunkelheit und Schwere dieses Albums deutlich werden, sondern auch sein früher selbstgewählter Gang von diesem Planeten. Für die Musikgeschichte hinterlies er ein schweres Erbe, welches nur zwei Alben beinhaltet, aber eine Neudefinition von moderner Musik mit sich brachte. „Unknown Pleasures“ ist der Erstling von 1979, dem im Gegensatz zu besser geschliffenen Diamanten „Closer“ von 1980 noch mehr der Punk anzuhören ist. Die Überbetonung des Schwarzen in Bass, Schlagzeug und Gesang stand sicherlich Pate für nachfolgende Gengres und wirkt bis heute hinein, wie Gruppen wie Interpol, Editors etc. belegen.
2000 wurde auch dieses Album einer akustischen Generalüberholung unterzogen und gleich noch eine Bonus-CD mit einem Konzertmitschnitt beigelegt.
Und ich hege den Verdacht, dass das Cover des Albums am meisten auf T-Shirts abgedruckt worden ist…
Hörprobe „Drella war der Kosename von Pop-Artist Andy Warhol, zusammengesetzt aus Drakula und Chinderella. Ihm widmeten die früheren Velvet-Undergroundler ihre Kollektion aus 15 Songs. Ursprünglich an der Brooklyn Academy Of Music aufgeführt, ist der Song-Zyklus wie eine Biographie des Künstlers aufgebaut. Und wie Warhol Kunst oft reduzierte, beschieden sich Reed und Cale musikalisch: Gesang (beide), Gitarren (Reed), Keyboards und Viola (Cale). Dennoch schufen sie so ein spannendes Rock-Kunstwerk“ (http://www.amazon.de/Songs-Drella-Lou-Reed/dp/B000002LKS)
Reinhören „Als Kind habe ich besonders gerne die Textzeile „heute ist man sexuell frei“ aus dem Lied Irre lauthals gesungen. Annette Humpe lässt die vom Leben und Luxus gelangweilte Zicke raushängen, und kommt mitunter total soziopathisch daher. Ein nettes Wort von ihr ist so selten und kostbar wie Trüffeln. Man kann sie trotzdem gerade dafür lieben. Heute ist sie ein Teil von „Ich & Ich“. Sie dafür zu lieben, fällt mir schwerer.“ (http://www.leebuddah.de/lieblingsplatten.html)
Reinhören „“Wir könnten einfach ein paar alte Joy Division-Songs wiederveröffentlichen und die meisten Leute würden denken, es seien neue Songs“, witzelte New Order-Bassist Peter Hook letztes Jahr in Interviews. So ganz ernst war das natürlich nicht gemeint, denn trotz einer massiven Welle an neuen Bands, die sich auf sein Erbe beriefen, kam an das Original höchstens Interpol heran, die eine überzeugende Neudefinition der schwermütigen Akkordkunst um Hooky und Curtis zustande brachten.
Nun kommen She Wants Revenge daher und machen erstmal alles falsch: Alberner Bandname, lausiges Cover, ein Hit namens „Tear You Apart“ (im Ärmel noch einen namens „Out Of Control“) und zu allem Überfluss auch noch von einem gewissen Fred Durst protegiert. Doch schon nach der Hälfte des Fünfminüters „Red Flags And Long Nights“ ist der Rapmetal-Kasper mitsamt den Rip Off-Verdächtigungen vergessen: Monoton stochert der Drumcomputer in der Erde, lässt nach und nach einen wavigen Gitarren-Nebelschleier über sich setzen, bevor zwei so lose wie effizient gesetzte Akkordwechsel den Drive-Pegel anheben und Sänger Justin Warfield mit leicht verzerrtem Gesang jene Tränen zu trocknen sucht, die der Tod des Joy Division-Sängers Ian Curtis einst hervorrief.
Damit wir uns richtig verstehen: Dessen disharmonischen Vortrag wird auf ewig niemand stilecht zu imitieren wissen. Und obwohl Warfield hier die Atmosphäre von einem Stück wie „She’s Lost Control“ geradezu zu fühlen scheint und er seine Stimme dementsprechend morbide flimmern lässt, der Sound ist eindeutig im Hier und Jetzt verortet und schielt unverfroren Richtung Tanzfläche. Die Wurzeln von She Wants Revenge fußen nämlich auch im schillernden Früh-80er-Synthie Pop und lassen sich daher kaum mit der gravitätischen Schwere Interpols vergleichen.
Warum gleich das US-Majorlabel Geffen angebissen hat, verwundert jedenfalls kaum angesichts des grazilen und doch euphorischen Gruftpops in „These Things“ und „Tear You Apart“ oder dem an Fischerspooners „Emerge“-Refrain gekoppelten Diskobrett „I Don’t Wanna Fall In Love“. Richtig unheimlich wird es bei „Broken Promises For Broken Hearts“, wenn Warfield plötzlich auch noch Marc Almonds Intonation drauf hat: „Torn up photos and lonely nights / cursing crying and drawn out fights / make-up sex and a brand new start / broken promises for broken hearts.“ Uuhhh, tainted love.
Was 2004 mit einer harmlosen EP begann, bläst dem amerikanischen Duo mittlerweile in Orkanstärke um die Ohren. Ein Auftritt auf dem kalifornischen To Be-Festival Coachella, anschließend Support-Einladungen von Depeche Mode und Placebo und ein Videodreh mit Regisseur Joaquin Phoenix – mit ein wenig Glück geht das noch ab wie bei den Killers…“ (http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/s/she_wants_revenge/she_wants_revenge/index.htm)
Lustige Instrumente, beschwingte Melodien, bunte Musikvideos: Mit dem Äußeren von “The Head On The Door” führen The Cure ganz schön in die Irre. Nein, fröhlich sind ihre Lieder über Albträume, Angst und Tod wirklich nicht
Ich war 14, als ich das erste Mal Liebeskummer hatte. Sie hieß Marie und ahnte nichts davon. Es ihr sagen? Himmel! Ich wusste nicht, wohin mit meinem Frust. Meine Schwester brachte mich auf eine Platte, Disintegration von The Cure. Da heulte mir einer aus der Brust, haderte mit der Welt und den Beziehungen. Genauso fühlte ich mich. Robert Smith – der Sänger und Schreiber der Gruppe – nahm mich und meinen Weltschmerz ernst. Sein Leiden war so echt wie mein eigenes.
Draußen feierte und vereinigte sich Deutschland, an mir ging das vorbei. Ich verbrachte die Herbsttage in meinem Zimmer, dachte an Marie und erforschte Album für Album die Geschichte von The Cure, rückwärts. Ich entdeckte Kiss Me Kiss Me Kiss Me, ein brachiales Album. Damit konnte ich wenig anfangen. Und dann The Head On The Door von 1985. Schon beim zweiten Hören hatte ich mich in das Album verliebt. Disintegration hatte meinen Kummer verstärkt, The Head On The Door fing ihn auf und spielte mit ihm.
Die krakelige, hellblaue Schrift auf der Hülle, die farbenfrohen Musikvideos zu manchen Stücken und die beschwingte Instrumentierung leiten in die Irre. Es ist kein fröhliches Album. „Yesterday I got so old / I felt like I could die“, singt Robert Smith in Inbetween Days. Und „Yesterday I got so scared / I shivered like a child / Yesterday away from you / It froze me deep inside.“ Brrrr. Dazu schrammelt eine warme Akustikgitarre, ein Kinderxylofon dengelt nette Töne, der Synthesizer schrillt. Im drolligen Video zu dem Stück fliegen bunte Socken aus dem Klavier, die Gitarre sprüht farbige Funken. Die Musiker hüpfen überdreht umher. Bei anderen Stücken ist es ähnlich: Worte von Albträumen, Tod und Angst sind unterlegt mit Melodien, die klingen wie Kinderlieder oder Abzählreime. Kling-Klang-Klong, drei Töne runter, Pause, zwei wieder hoch.
Smiths weinerliche Stimme überschlägt sich immer wieder. Manchmal kann er das Lachen kaum unterdrücken, dann wieder heult er wie ein Schlosshund. Nur wenige Stücke sind durch und durch trist. A Night Like This ist die Klage eines Verlassenen, „I watch you / Like I’m made of stone / As you walk away“. Auch The Blood ist ernst und sinister. Das letzte Stück, Sinking, lässt die Platte in Molltönen ruhig ausklingen „I trick myself / Like everybody else / The Secrets I hide twist me inside / They make me weaker“. Die letzte Minute ist Flehen: „If only I could remember / Anything at all.“
Das Spielerische an The Head On The Door berührte mich. Da schien einer Abstand zu gewinnen von seinen Problemen durch ein Schmunzeln, das gefiel mir. Auch er fühlte sich miserabel, heulte nächtelang, verfluchte die Welt und die Menschen. Und dann kloppte er auf ein Xylofon, und alles war etwas erträglicher.
Das Stück Close To Me, sagte Robert Smith damals, sei „pretty much wishing I wasn’t born with a groovy bass line“. Ungefähr so fühlte sich mein Verhältnis zu Marie auch an, schmerzhaft, aber auch komisch. Es dauerte nicht lange, da war ich drüber weg. Ich habe sie schnell vergessen und keine Ahnung, was sie heute macht.“ (http://blog.zeit.de/tontraeger/2006/10/09/die-tranen-weggeschmunzelt_193)