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Mogwai – Mr. Beast (2006)

Quelle: https://imagesaws.juno.co.uk/full/CS208862-01A-BIG.jpg

Mogwai verfolgt der Segen, der wohl auch Fluch ist. Bereits mit ihrem Erstlingswerk „Young Team“ (1997) strahlten sie hell über das Post Rock Genre und hatten es fortan schwer. Denn die Erwartungen an sie sind hoch, noch eine Schippe „draufzulegen“. Ob sie die Erwartungen auch erfüllen? Schwer zu sagen, aber eventuell auch unwichtig. Denn auch mit Mr. Beast schaffen Mogwai einen Felsen, der unübersehbar in den Gewässern des Genres steht und wohl nicht so leicht davongespült werden wird. Dabei kann man feststellen, dass es kein Selbstplagiat ist, was hier geliefert wird. Vielmehr gehen sie Schritt für Schritt neue Wege. Unter anderem bildet das Klavier hier ein verbindendes Element. Die Eröffnung empfängt den Hörenden mit einer für Mogwai typischen Wärme, lassen es jedoch immer wieder ordentlich krachen. Dabei meidet Mogwai bei „Glasgow Mega-Snake“ kurzerhand das Vorgeplänkel und Einlullen und lässt es gleich zu zu Beginn ordentlich krachen. Wieviel Gitarren sind nochmal in der Band? Klingt nach viel… Zu Recht kommt die Frage aus den Boxen: „What happenend after the storm? Is everyone okay?“ Ja danke, alles okay und bitte weiter so….

Wie schrieb man bei der laut.de passend:

„Mr. Beast“ ist Zeugnis von Künstlern, die begriffen haben. Musikalisches Gewicht bedingt keine Lautstärke. Intime Schönheit braucht keine Stille. Von nun an scheint alles möglich.“ (http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/m/mogwai/mr_beast/index.htm)

Der Legende nach wurde der Titel des Albums gewählt (oder gefunden), als Mogwai nach langer Reise in den USA aus dem Flugzeug ausstiegen und am Gate jemand sahen, der das Schild „Mr. Beast“ hoch hielt. Das kann vielleicht beunruhigen. Eventuell stammt daher auch der mich sehr beeindruckende Titel „Travel is dangerous“, der neben seiner Dynamik – für mich ein Spiegel des in Bewegung seins – auch vertrackt daher kommt und mich an Dschungel – in Natur oder in der Stadt – erinnert. Und irgendwie finde ich die Aussage der Gefahr des Reises amüsant. Wo sterben nochmal die meisten Leute…? Meine Bildwahl gilt diesem Lied – es ist für mich ebenso vertrackt, dynamisch, vielschichtig und vielleicht auch ein wenig gefährlich?

(C) Lars Kilian "Travel Is Dangerous" (2011)
(C) Lars Kilian „Travel Is Dangerous“ (2011)

Godspeed You! Black Emperor – ‚Allelujah! Don’t Bend! Ascend! (2012)

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Heute steht in unseren Breitengraden die längste Nacht des Jahres bevor. Da passt es, auf das Album „Allelujah! Don’t Bend! Ascend!“ von GY!BE zu verweisen. Schon allein der Titel des Albums vermag vielleicht all denen Hoffnung stiften, die im alltäglichen Kampf um was auch immer nicht auf der Gewinnerseite stehen. Gleich zu Beginn steigen GY!BE in die Dunkelkammern ihres sowieso nicht gerade hell beleuchteten musikalischen Gebäudes hinab, um dort unten mal ordentlich aufzuräumen und die Erinnerungen und Gedanken der letzten Dekade ans Licht zu zerren. Die beiden 20-minütigen Stücke „Mladic“ und „We drift like worried fire“ bilden dabei die Kondensationskerne dieser 50 Minuten Apokalypse. Dabei verlassen die Kanadier den Postrock und gehen mit „Mladic“ deutlich in Richtung Noiserock, der scheinbar alles niederwalzt, was bislang noch Hoffnung in sich trug, während „We  drift like worried fire“ die der Band typische Melancholie in sich trägt, die zugleich auch das Licht  verspricht, Neues und Besseres zu schaffen.

Mit dem Album, das 10 Jahre Arbeit in sich birgt und dessen Veröffentlichung eher heimlich während eines Konzerts in Boston erfolgte, konnten GY!BE sogar kurz in die Charts erklimmen und gewannen den Polaris Music Prize. Dennoch bleiben sie fernab von Hitparade und Mainstream, sie sind radiountauglicher denn je und definitiv nicht massenkompatibel. Aber welche Apokalypse ist das schon?

Bleibt uns der Blick auf Morgen. Die längste Nacht des Jahres liegt dann hinter uns und das Licht kommt sicher wieder.

Offenbar das gesamte Album zum Hören bei Youtube:

2012 hatte ich das Glück, die Band mal live in Lille zu erleben. Ein paar Impressionen dieses großartigen Konzerts, wobei Workshop vielleicht der passendere Begriff des Auftritts sein könnte…

Mogwai – Come On Die Young (1999)

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Die Instrumentalpunks sind zu jung, um Joy Division oder My Bloody Valentine selbst erlebt zu haben. Und daher radikal und einzigartig.

Als im Jahr 1996 vier unbekannte Musiker aus Glasgow auf eigene Faust ein Instrumental-Album namens „Ten Rapid“ veröffentlichten, horchte man in der Londoner Musikszene auf. Mit Britpop hatte „Ten Rapid“ nämlich wenig zu tun. Es war eine ruhige, atmosphärische, manchmal sogar ein wenig melancholische Musik, die aber auch unvermittelt in brachiale Soundattacken umschlagen konnte.

Die britische Musikpresse war begeistert: Mogwai, so der Name der Band, wurden gelobt als eine der eigenständigsten Bands seit langem und eher notdürftig in die Schublade „Post-Rock“ gesteckt. Daß Mogwai aber mit den komplexen Soundtüfteleien anderer Post-Rock-Bands wie Tortoise oder Stereolab wenig zu tun haben, wurde allerspätestens bei ihrem ersten Live-Auftritt in London deutlich: Zuerst brachten die vier Schotten ihr Publikum mit energetischem Krach richtig in Fahrt, dann forderten sie es auf, die Instrumente der Band und gleich auch die ganze Konzerthalle zu zertrümmern. Dieser Einladung kamen die aufgeputschten Zuhörer gerne nach. Ausschreitungen konnten von den überraschten Security-Leuten nur mit Mühe verhindert werden. Der verdiente kommerzielle Durchbruch gelang Mogwai mit ihrem zweiten Album „Young Team“ (1997). Feedbacksymphonien wie „Like Herod“ oder „Mogwai Fear Satan“ zeigten, daß sie auch im Studio rocken können. Mit der neuen CD „Come On Die Young“ kehren Mogwai eher zu den melodischen Anfängen von „Ten Rapid“ zurück. Und es ist ein Album voller Überraschungen. Das beginnt schon mit dem Eröffnungstrack „Punk Rock“ – keine Lärmorgie, sondern eine zarte, verletzliche Melodie, gespielt von einer Solo-Gitarre, zu der ein gesampelter Iggy Pop zwei Minuten lang über die kulturelle Signifikanz des Punk philosophiert. Gleich darauf folgt mit dem Titeltrack „C.O.D.Y.“ eine weitere Überraschung: Mogwai singen! Genauer gesagt: Gitarrist Stuart Braithwaite singt, begleitet von einer Steel Guitar, eine herzerweichende Ballade, die fast schon nach Alternativ-Country klingt. Dieser sanfte Einstieg in das Album täuscht jedoch. Mogwai sind gnadenlose Instrumentalpunks geblieben. Dementsprechend fehlen auch die langen Monumentaltracks nicht, für die sie bekannt sind. Das fast elf Minuten lange „Christmas Steps“ ist einer der vielen Höhepunkte des Albums: Es beginnt zunächst harmlos mit einer sanften Akustikgitarre, schraubt sich dann aber, schrittweise mit wummerndem Bass, metallischen Drums und kreischenden Kettensägen-Gitarren, zu einem ohrenbetäubenden Crescendo hinauf, um schließlich mit einem gedämpften Violinsolo auszuklingen. Die vier Bandmitglieder sind übrigens zwischen 22 und 24 Jahre alt. Zu jung also, um offenkundige Vorbilder wie Joy Division, My Bloody Valentine oder Spaceman 3 selber erlebt zu haben. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum Mogwai wie keine andere Band klingen. Live und auf Platte. Mit „Come On Die Young“ ist ihnen jedenfalls – in mancher Hinsicht – das mit Abstand radikalste Album dieses ersten halben Jahres gelungen. Leb‘ wild, sterb‘ jung – aber dreh‘ Mogwai immer bis zum Anschlag auf!“ (http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,16196,00.html)

Mogwai – Rock Action (2001)

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„Ein Gefühl wie ein Traum, den niemand sich traute, zuende zu träumen, bekommt ein Kleid aus Klängen. Mogwai fassen Atemzüge in Töne und Stimmungen in hörbare Gefühle. Haß, Wut und Zorn haben keine Einladung zu dieser „Rock action“. Sanfte Luft fließt durch die Lücken. Selbstverzehrende Niedergeschlagenheit und zaghafter Optimismus beginnen damit, Freundschaft zu schließen, während draußen die Kälte einer industrialisierten Welt um sich greift.

Weg von den durch tektonische Verschiebungen aufgeschichteten Klanggebirgen von „Come on die young“ zieht es die kosmischen LoFi-Gebilde von Glasgow’s finest jetzt auch ins Tal der niedergeschlagenen Ruhe. Erinnerungen an damals finden ihren Platz im weiten Feld ausufernder Melancholie. Traurige Gitarren erkennen „You don’t know Jesus“ und reiten auf der „Sine wave“. Verzagte Stimmen trauen sich ins Licht. Die Einsichten ins Seelenleben stecken voller betrüblicher Weisheit: „2 rights make 1 wrong“.

Zwischen Scheppern und Schwelgen sammeln sich einzelne Töne, nehmen einander an der Hand und krümmen sich zu hymnischem Weltschmerz und euphorischer Untergangstimmung. „Take me somewhere nice“ verlangt eine Stimme, die selber nur an das eigene gebrochene Herz zu glauben scheint. Jegliche Erleichterung erscheint als Marginalie. Zu zerbrechlich fühlen sich die kostbaren Hoffnungen an, um sie leichtfertiger Überheblichkeit zu opfern. Und während draußen weiterhin Frost und Frust nach unseren Seelen greifen, wandern wir mit Mogwai durch den Schwermut Forest und freuen uns über ehrliche Tränen. (Oliver Ding)“ (http://www.plattentests.de/rezi.php?show=495)

Wikipediaeintrag (en) zum Album

Mogwai – Happy Songs For Happy People (2003)

„Mogwai sind back in Rock-Action. Back in ihrem eigenen, streng kopfnickenden Gitarren-Kosmos, der den Hörer mit dem Beginn der ersten Melodie wieder völlig in seinen Bann zieht. Er entführt ihn auf eine benebelte Reise durch die schottischen Weiten. Über Stock und Stein, durch den nebligen Wald und über taufrische Wiesen. Augen zu und durch. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Diese jungen Herren vermögen es wie keine andere Instrumental-Band, das Kino im Kopf in Gang zu setzen. Beim einfachen Dasitzen und vor sich hin Träumen funktionieren Mogwai deshalb auch am besten. Dieses Dösen gelingt ihnen bei „Happy Songs …“ besser als je zuvor, denn die Platte macht keinen Halt. Das altbewährte Spiel mit lauten, monströsen Ausbrüchen und leisen, zerbrechlichen Flüster-Stellen hat nahezu ausgedient.

Hier bewegen sich die Schotten auf einer konstanten Linie des wabberenden Sounds und kreieren einen durchgehenden Fluss von 41 Minuten, der sich mit den bekannten elektronischen Sounds und breitangelegten Streicher-Arrangements am Leben hält. Dadurch wird das inzwischen fünfte Album der Band ihr bisher nebensächlichstetes – und das gar nicht mal im negativen Sinne. Das intensive Zuhören rückt in den Hintergrund und lässt der Träumerei ihren Lauf.

Trotz weitaus weniger Sing-Anteil als beim Vorgänger „Rock Action“ schaffen es Mogwai wieder, in durchschnittlich vier Minuten lange Songs alles hineinzupacken, wofür andere Bands ihrer Kategorie mal locker die vierfache Zeit brauchen und schon nach drei Minuten die Aufmerksamkeit verlieren. Neue Fans werden die Schotten in Skateboarder-Kluft hiermit wohl kaum finden. Im Endeffekt hat sich nicht viel verändert, aber das will ja sowieso niemand so richtig. Liebe oder hasse die „Band für das 21.Jahrhundert“, wie Stephen Malkmus sie bezeichnet. Ich unterschreibe.“ (http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/m/mogwai/happy_songs_for_happy_people/index.htm)