Schlagwort-Archive: Minimal

Saalschutz – Macht’s Möglich (2006)

Saalschutz haben ja kein Problem mit Größenwahn, was sie sympathisch macht. Die (berechtigte?) Frage, wer die beste Band des Universums sei – Radiohead oder Saalschutz – entscheiden Saalschutz für sich. In gewohnter Ravepunkmanier spaßen sie sich durch ihr Universum und versuchen, über ihre Stereotiefensuggestion jede_n für sich zu gewinnen: „Ich will Saalschutz, den ganzen Tag / Nichts als Saalschutz, weil ich Saalschutz so mag. / 60 Minuten in der Stunde oder mehr…“

Zugegeben, zum Erstlingswerk m.E. keine Steigerung, aber aufgrund des Spaßfaktors immer wieder gern gehört. Übrigens: Die beiden Schweizer schaffen es ja, ihren Werken im ersten Titel eine Begrüßung vorzuschalten. Hier eröffnet Jörg Buttgereit, von dem ich letztmalig was vor XXX Jahren hörte und mich wirklich überraschte.

Dub Taylor – Experience (2003)

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Der Name ist Programm: Dub! Und diesen mixt sich Alex Kruger mit Minimal Sounds, klar definiertem Bass und leichten, hier und da eingestreuten, Gesangsarrangementens zurecht. Eine einfache Rezeptur, die aber aufgeht. Klar definiert, wenig Schnick und Schnack, ist diese Musik für diejenigen gedacht, die einfach zappeln wollen. Dub Taylor schafft es dabei, Sounds zu konstruieren, die zwar einfach klingen, aber nicht trival/banal sind. Sie erinnern mich irgendwie an gutes Design, an Bauhaus. Form folgt Funktion. Eine klare Linie, gute Materialien und dennoch auch die Freude des Nutzers nicht aus dem Auge verlieren. Damit wird die Musik nicht nervig und stets gern wieder in den CD-Player geschoben.

Low – The Invisible Way (2013)

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Doppel-Jubiläum für Low. Mit The Invisible Way legen sie ihren zehnten Longplayer vor und können auf 20 Jahre Bandgeschichte zurückblicken. Zum zehnten Mal schaffen sie es, sich mit ihrer vertraut klingenden Musik die Aufmerksamkeit einer treuen Hörerschaft zu erspielen und das Wohlwollen der Kritiker einzufahren. Wie es der Rolling Stone ausdrückt: „Jedes Mal, wenn ein neues Low-Album angekündigt wird, glaubt man bereits im Voraus zu wissen, wie das klingt. Minimalistische Zeitlupensongs mit melancholischen Texten und Harmonien des Mormonenehepaares Mimi Parker und Alan Sparhawk. Stimmt auch immer, und doch ist jedes Mal alles anders.“ (Quelle) Und trotzdem der Name der Band Programm bleibt, schaffen sie es mit ihrer eigenen Langsamkeit, neue Sphären musikalisch zu ergründen, betreten neues musikalisches Land und spiegeln es uns durch ihre eigene Wahrnehmung. Dabei zeigt sich, das Low das mit „Drums And Guns“ erreichte Stimmungstief verlassen haben und etwas wie Mut oder Hoffnung gefunden zu haben scheinen.  Aber keine Sorge: Euphorie klingt anders!

AG Geige – Trickbeat (1989)

„Wir lebten in Tagen von Zeychen und Wundern. Wo sind sie hin? Keiner sah sie gehn…“, sang einst die AG Geige auf dem Album Trickbeat, ihrem poetlektischen Erstling auf Vinyl nach einigen Kassetten-Produktionen , der den Unpop in den 80ern weiter  auslotete. Vergleiche zu anderen Bands der Zeit zu ziehen, ist wohl nicht möglich. Gern wird „Der Plan“ herangezogen, wobei der Vergleich hinkt. Aber auch zu den Einstürzenden Neubauten oder DAF könnten gewisse Bezüge hergestellt werden, ohne damit ins Schwarze zu treffen.

Der „Trickbeat“ der AG Geige ist nicht zu fassen.  Er wurde nicht wirklich erfolgreich, galt aber als bester und orginellster Musikentwurf der Zeit aus der ehem. DDR. Die Mischung elektronischer Beats mit den Texten, die wohl zwischen Dada, Dekonstruktion und Hermeneutik pendeln, erzeugt eine fast schon unwiderstehliche Spannung, die auch nach 25 Jahren (!) keine Langeweile aufkommen lässt. Passenderweise heißt es im titelgebenden Track:

„Alle Tore sind geöffnet
Hunderttausend steh’n bereit
Und das Gestern wird vergessen
Und der Morgen ist noch weit
Heute ist uns nichts zu schade
Heute gibt es keine Gnade
Trickbeat heißt der Lebenssinn
Trickbeat tanzen heißt ‚Ich bin‘

Alles soll nach Trickbeat klingen
Wenn du Angst hast: Trickbeat singen

Webseite der AG Geige

Wikipediabeitrag mit weiteren Informationen

Tapeattack listet das Album zum kostenlosen Download. Ich hoffe, das ist legal. Falls nicht, bitte ich um eine kurze Info.

The Books – Lost And Safe (2005)

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Weihnachstzeit. Die Plätzchen sind gebacken und wohl schon fast von allen Tellern verzehrt… Und, waren sie lecker? Ich hoffe, doch! Wie die Plätzchen ein geschmackliches Gesamtvergnügen darstellen, die aus einer Vielzahl von Zutaten bestehen, von denen einige allein gar nicht schmecken würden, so ist die Musik von den Books zubreitet. Samples werden an- und übereinander geschichtet, Harmonien verbinden scheinbar zusammenhangsloses und Brüche überraschen die akustische Wahrnehmung, bevor es diese sich in Gefälligkeit breitmachen kann. Eine wirklich bemerkenswerte Gruppe, die nicht nur mit so vielen Sounds tüftelt und variiert, wie man es sonst von Matthew Herbert, Some More Crime oder Senor Coconut gewohnt ist. Zahllose, in die Soundstrukturen eingewobene Sprachfetzen – scheinbar entnommen aus Rundfunk- oder Filmsequenzen – führen mit sich oder dem Hörenden eigene bzw. eigenartige Dialoge. Dabei schaffen The Books trotz der ständigen Unruhe eine Wärme, wie sie mir von Lemonjelly, CocoRosie oder Notwist bekannt sind. Es ist eine unglaubliche Mixtur, die hier aufgefächert wird. „Experimental-Musik im Endstadium. Oder doch der Anfang einer neuen Sichtweise von Pop. Man hatte die Wahl“ (Quelle). Und ähnlich wie beim Essen der Kekse bleibt es jeder/m Einzelnen Überlassen, zu entscheiden, ob es schmeckt oder doch eine Brise zuviel Zimt genommen wurde… Aber probieren sollte man doch auf jeden Fall.

Offizielle Webseite

Max Goldt – Die Majestätische Unruhe Des Anorganischen (1984, 1990)


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„1984 erschien eine Langspielplatte namens MAX GOLDT  DIE MAJESTÄTISCHE RUHE DES ANORGANISCHEN. 1990 wiederholte sich dieses Schauspiel“ So erklärt sich das Album selbst bereits auf dem Cover.

Eine Sammlung geheimnisvoller Sound- und Textcollagen aus dem Goldtschen Universum. Tief- oder abgründig, trivial, grotesk, melancholisch oder untersam. Je nach eigener Stimmungslage kann man sich aus den Erfahrungen, Ein-, Aus- und Weltsichten, Weisheiten die entsprechenden Fragmente heraussuchen und durch den Tag tragen. Das klappt so gut, dass ich mich seit 20 Jahren zu Alltagssituationen immer wieder dabei ertappe, ein kurzes Zitat vom Album beizutagen. Irgendwie haben sich diese Skizzen wie  nach und nach in die Hirnrinde eingebrannt. Der Monolog der alten Diva, die von längst vergangenen Zeiten mit ihrem Mann Franz, „dem Mechtersheimer, Hilde Holm und dem Faustmann“ träumt. Der mahnende Eimer Erbsen mittelfein, oder der Minister Streifchen, über dessen Handeln sich die Kinder der Straße amüsieren. Die Betrachtungen eines Maurers aus gut bürgerlichem Haus, der sich in existenziell philosophischen Gedanken verirrt und sich damit das Leben selbst sehr schwer macht. Das kranke Kind und die Nachbarin, die sich in ihren Symbolen verliert („Mein Mann ist ja nur ein Symbol für die Stahlkrise im Saarland“). Den Mythos der Müdigkeit oder der Fahrt in die Heimat „denn dort wo unsere Wiege steht, dort wollen wir auch begraben sein.“

Auch nach 30 Jahren eine akustische Bereicherung…

Wikipedia über Max Goldt

Monolake – Cinemascope (2001)

Dass Wissenschaft, Kreativität und Ästhetik zusammen gehören, zeigt Robert Henke immer wieder auf seinen Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Monolake. Henke, der als Professor an der Universität der Künste in Berlin tätig ist, zeigte bereits Ende der 90er Jahre des letzten Jahrtausends, wie Minimalelectro und Ambient zu definieren sind. Aus den kühlen Sounds webt er wohlig warme Klangdecken, die den Zuhörer einwickeln und in Wärme sinken lassen. Beim Zuhören gibt es enorm viel und stets Neues zu Entdecken. So passt der Titel des Albums, assoziiert er doch Kopfkino in bester Manier. Im Gegensatz zu den Vorgängeralben scheint Cinemascope leichter zu sein, zu pulsieren, fast zu schweben. „…man hat das Gefühl, dass Cinemascope eher ein weiches Licht auf Monolake wirft, eins, das die Landschaften nicht mehr durch die Leere zeichnet, nicht durch Weite, sondern durch Stille eines ruhigeren Blicks. Eine fast schüchterne Platte, der jegliche Deklamation abgeht“ (http://de-bug.de/reviews/13327.html).

Biografie von Monolake bei laut.de

Snd – Makesnd Casette (1999)

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Ein Album, dass zu Beschreiben gar nicht so einfach ist. Es geistert schon seit einer gefühlten halben Ewigkeit in meinem CD Sammelsurium rum, häufig übergehe ich es bei der Wahl für eine Runde im CD-Player und wenn es sich dann doch mal hinein mogelt, entzückt es immer wieder aufs Neue. Und wenn es vorbei ist, tja, dann ist es schlicht und einfach vorbei – ohne TamTam – und schläft wohl einen Schlaf voller Musen.

15 Titel haben SND geboren, die nicht laut tönend, sondern mit minimalen Slow Motion Funk aus purer Elektronik die Welt beglücken sollen und nicht mal einen Namen erhalten haben. Das Cover lässt schon eine Vermutung aufkommen:  zarte Texturen bauen sich auf, pulsieren und bekommen einen Rhythmus, werden einem weichen Basslauf durch den Raum getragen und zerfallen in den Ecken und Winkeln der Zimmer zu kleinen Knarzern und Plinkern. de:bug schreibt in einer Rezension zum Album: „snd Zutaten sind unwiderstehlich: Digitale Neuinterpretationen gehauchter, kurzer analoger Filtersweeps, ein Bass, den erst der Nachbar wahrnimmt, der drei Etagen unter einem wohnt, viele kleinen Makrodetails und knarzende, puckernde, fiepende und zirpende, mal rauschige, mal irre trockene und brummende Rhythmuspatterns, die derart langsam vor sich hinshuffeln, dass bereits nach ungefähr zweieinhalb Sekunden klar ist, dass Tanzmusik nie anders geklungen haben kann und man gleichzeitig nie wieder tanzen gehen wird.Denn: Makesnd Cassette ist ein Stück Privatheit, dass sich jeder bewahren sollte (…) .snd gelingt es, diesen sehr gleichmässigen Sound über ein gesamtes Album so sparsam zu arrangieren, dass jeder die Platte mit seinen eigenen Ideen füllen und die Flächensounds als Transmitter für die wichtigsten Dinge der Vergangenheit verwenden kann . Die Bassdrum ist dabei ein ermunterndes Zeichen, dass es schon irgendwie weitergehen wird. Einzigartig.“

…Und so sortiere ich das Album wieder weg, weit unten im Regal bei „S“, aber irgendwann fällt es mir wieder in die Hände und das Spiel fängt von vorne an. Darauf freu ich mich schon wie auf die erste Bratwurst im Frühjahr! 🙂

Vladislav Delay ‎– Entain (2000)


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Und schon wieder Musik aus dem Norden – heute aus Finnland:-). Endlich wurde ich auch bei diesem Album fündig und darf es nun in meine Sammlung sortieren. Vladislav Delay  kann ja zu Recht als multiple Persönlichkeit in der Musikbranche bezeichnet werden. Wo sich andere für einen neuen Output abmühen nutzt er lieber Pseudonyme (z.B. Luomo, Sistol, Uusitalo und Conoco), um seine Produktionen unter das Volk zu bringen.

Mit Entain, seinem Zweitlingswerk als Vladislav Delay, schafft er in Titel gegossene wabernde, elektronische Flächen, die deutlich über der 15 Minuten Marke durch die Boxen fliessen.  Im Gegensatz zu Werken anderer Ambientmusiker scheint ihm die Homogenität, zu der solche Musik verleitet, zu langweilen. Daher streut er hier und da ein paar Klicks ein, stört die angenehme Ruhe mit Blubbern und Fiepen (ohne jedoch anstrengend zu werden), verschleppt Töne, nutzt die Ruhe als gestalterisches Element… So gewinnt die Musik eine natürlich anmutende Anatomie, die Beliebigkeit auszustrahlen scheint, aber bei genauem hinsehen bzw. hinhören detailverliebt, individuell und überraschend ist.Begleitet wird sie von einen Basslauf, der scheinbar stets neben einem Takt sitzt das das organisch, warme Gefühl unterstreicht. Für den Rhythmus sind andere Töne verantwortlich, die einem Herzschlag eines fremden und scheuen Lebewesens ähneln mögen und nur hin und wieder durch das Dickicht der Sounds an das Ohr dringen…

 

Stardub – Cut And Paste (2001)

Reinhören Noch so eine Perle, die unauffällig im CD Regal liegt und es jedesemal schafft, beim Einlegen in den Player für Begeisterung zu sorgen. Gerade mit der jüngsten (und wieder abebbenden Welle des Dubstep) zeigt Stardub, wie Dub Anfang der 2000er definiert und dekliniert wurde. Aus den hintersten Ecken des Synthesizers hervorkriechende Bassläufe, die den Hörer in immer wärmeren Wellen umspülen. Eingewobene Samples, ein Hall hier und da und alles mit einer Spange aus purem Groove zusammengebunden. Minimal und dennoch voll, weniger ist hier mehr. Mit diesem Album hat Dubstar C-Rock einen schönen Meilenstein in den Tiefen des Klangozeans gesetzt. Sehr deep…