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The Matthew Herbert Big Band – There’s Me And There’s You (2008)

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Wo anfangen? Etwa gleich beim Fußnotenapparat, ohne den spätestens seit „Bodily Functions“ kein Album von Matthew Herbert mehr wirklich erklärt oder auch nur kurz rezensiert werden kann?

Bei der Aufzählung der per se eigentlich leeren, über Kontextualisierung jedoch hochgradig aufgeladenen Samples und damit bei den politischen Hintergründen, die vom Irakkrieg über den Klimawandel, die Musikindustrie, Guantanamo, Fast Food, die Machtinstitutionen Kirche und Staat bis hin zum Nahostkonflikt reichen und praktisch die gesamte Weltgeschichte betreffen? Es kann schnell langatmig werden oder bodenlos (alles ist mit allem verstrickt, endlos wie die Globalisierung selbst) bei dieser Konzeptkunst gewordenen Musik. Apropos Musik: Vielleicht könnte man doch einfach dort anfangen? Beim ebenso pompösen wie glamourösen, vor genanntem Hintergrund allerdings ganz unschuldig wirkenden Klanggewand dieses Albums. Schließlich gibt Matthew Herbert selbst zu Protokoll: An erster Stelle kommt immer die Musik. Wenn die nicht stimmt, kannst du den ganzen Rest vergessen.

Also: Zum zweiten Mal bringt Herbert den großen Big-Band-Zauber auf die Bühne. Damit setzt er auf die Strategie der Subversion durch Verführung. Durch die Stimmgewalt von Sängerin Eska Mtungwazi, durch die Klasse der besten Jazz-Musiker des Vereinigten Königreichs und durch derart ausgefeilte Arrangements, dass Broadway, Musikhochschule, Musical, Oper und Hochkultur gleich reihenweise an die Studiotür klopfen. Der Big-Band-Zucker lockt, die übrigen Inhalte gibt es dann im Beipackzettel, siehe oben.

Eine Tatsache, die gerade alte Herbert-Fans regelmäßig enttäuscht. Viele andere aber ob der ungehörten Virtuosität und der Oldschool-Jazz-Perfektion, die man von einem Elektronikproduzenten so ganz bestimmt nicht gewohnt ist, jubeln lässt. Die große Frage bleibt, ob Herbert damit seinen wahren Intentionen und seinem unbedingten Glauben an Musik als politischer Kraft nicht einen Bärendienst tut. „Don’t follow, don’t swallow“, heißt es im ersten Song des Albums, einer Kritik an der Macht der Medien. Vielleicht kann man Herberts hochkomplexe Musik und all ihre unterschiedlichen Bedeutungsebenen letztendlich doch auf eine simple Botschaft herunterbrechen – die natürlich genauso auch für dieses Album gilt: Eigenen Kopf einschalten!“ (http://www.intro.de/platten/kritiken/23050789/the-matthew-herbert-big-band-theres-me-and-theres-you)

http://www.matthewherbertbigband.com/ – Offizielle Homepage von M. Herbert und der Big Band, schön gemacht inkl. Titeltrack als Hintergrundsound sowie freien mp3’s!

Matthew Herbert Big Band im Konzert

Am 16.1.09 gab es ein Konzert der Extraklasse. Matthew Herbert besuchte Leipzig mit seiner Big Band und brachte das Centraltheater zum Kochen.

Nicht nur, dass das Konzert ein akustisches Schmankerl war, auch optisch war viel los auf der Bühne. Und da ich einen tollen Platz zum Fotografieren hatte, musste ich einfach ein wenig das Geschehen festhalten.

Was alles in dem Konzert passierte, will ich nicht im Detail wiedergeben. Dazu gibt es schon andere begeisterte Kritiken im Internet, zum Beispiel bei phlow.net

Ich möchte nur, nach Anfrage, die Bilder online stellen und da es nichts privates ist, sind sie auch ohne Passwort 🙂 Vielleicht gibt es ja interessierte, die ein paar Erinnerungen an den Abend suchen oder einen Vorgeschmack für andere Konzerte von Herbert brauchen. (Eine Liste der Liveauftritte findet sich hier: http://lastfm.spiegel.de/music/The+Matthew+Herbert+Big+Band/+events)

Zu den Bildern geht es hier: klickklack

The Matthew Herbert Big Band – Goodbye Swingtime (2003)

Reinhören

„Jazz hat schon immer eine gewichtige Rolle für Matthew Herbert gespielt. Die Idee, mit Goodbye Swingtime ein ganzes Big-Band-Album aufzunehmen, kam mit dem Auftrag, einen sehr jazzigen Soundtrack zu komponieren. Daraufhin wollte der Brite diesen Weg ausbauen. Über sechs Monate saß Herbert an den Kompositionen und Arrangements, um diese dann in nur drei Tagen mit 20 professionellen Spitzenmusikern und etlichen Sängerinnen einzuspielen. Einziger Sänger ist Arto Lindsay. Vordergründig ist Goodbye Swingtime ein brillantes, sehr ausgetüfteltes Big-Band-Jazz-Album, hintergründig aber enthält es alle politischen und arbeitstechnischen Ambitionen von Matthew Herbert. Als Indie-Künstler mit begrenztem Budget holt er sich das Orchester nicht von der Festplatte, sondern leibhaftig ins Studio. Als modern denkender Fan von Elektro und House holt der Londoner futuristische und elektronische Elemente in den Jazz, was ihm in konservativen Kreisen wahrscheinlich wenig Freunde bringen wird. Dann sind diese filigran eingearbeiteten Sounds und Samples mit einem politischen Kontext weder recycelt noch fremden Quellen entwendet, sondern Herbert-typisch als Unikate aus akustischen Quellen generiert. Eine eindeutige Anti-Haltung gegen blindes Konsumdenken.

In „The Three W’s“ wurden die Geräusche, die beim Ausdrucken einer suspekten Website entstehen, verwendet. In „Misprints“ lassen Menschen Telefonbücher, symbolisch schwer wie die zehn Millionen gelisteten Personen, auf den Boden fallen. Auch Bücher von Michael Moore oder John Pilger dienen als inhaltschwere Klangerzeugungsmittel. Woanders tauchen Klänge von Menschen auf einer Anti-Kriegsdemonstration auf. So ist Goodbye Swingtime nicht nur ein sehr harmonisches, fast moderates und sehr durcharrangiertes Werk. Es ist eine moderne Jazz-Elektronik-Crossover-Platte, die politische Inhalte vermittelt. Um die nicht der Gefahr der Anonymität auszusetzen, listet Matthew Herbert im Booklet vorbildlich sämtliche Quellen auf. Er bleibt eben ein ungewöhnlich konsequenter Musiker.“ (http://www.amazon.de/Goodbye-Swingtime-Matthew-Band-Herbert/dp/B00008XUQX/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=music&qid=1200222580&sr=1-2)

Epischer Swing – Matthew Herbert Big Band und Bugge Wesseltoft live„, ein Text über den Auftritt von u.a. Matthew Herbert auf der Kölner Musiktrienale auf intro.de

Review zur Platte „Goodbye Swingtime“ und Interview mit Matthew Herbert auf intro.de

„Bigband-Jazz und Soundpolitik“ – umfangreiches Review zur Platte „Goodbye Swingtime“ in der NZZ

Review der Platte „Goodbye Swingtime“ bei Jazzdimensions: „Politik und Musik, das gehört heutzutage kaum noch zusammen – schon gar nicht im Jazz oder gar in der Neuen Musik? Was grundsätzlich richtig sein mag – beruft sich doch fast jeder gegenwärtige Jazzmusiker darauf, zwar eine politische Meinung zu haben, diese aber von seiner künstlerischen Tätigkeit unbedingt getrennt halten zu wollen. Anders bei Matthew Herbert.“ Weiterlesen…