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The Fall – Extricate (1990, Expanded Version 2007)

Quelle: https://img.discogs.com/ovppsUe5z468BUd5sf0gINSyoQk=/fit-in/600×600/filters:strip_icc():format(jpeg):mode_rgb():quality(90)/discogs-images/R-1128923-1194378382.jpeg.jpg

The Fall, das lose Konstrukt um Mark E. Smith, ist seit Jahrzehnten auf der Bühne im Kampf, den Anti-Pop und Punk zu popularisieren. Extricate ist das 13te Album in der Bandgeschichte und das erste Album, welches Mark E. Smith nach seiner Scheidung von Brix aufnahm. Zeit für Deutungen, denn das Album hat einen schon fast auffälligen Hang zu Melodien und selbst M.E. Smith versucht sich, ein klitzekleinwenig vom Sprechgesang zu lösen und seine Texte sich von eben diesen Melodien mitreißen zu lassen. Das macht durchaus und überraschend Freude, wenn der Refrain bei „Popcorn Double Feature“ fast auf die Noten gesungen wird oder bei „Bill Is Dead“ die Stimme zur Betonung mal angehoben wird. Aber auch das kräftige, überbetonte Stottern bei Songs wie „Arms Control Poseur“ zieht ordentlich. Dass diese Marotte von Mark E. Smith auch gepflegtes Konzept ist, belegt CD-Booklet, welches u.a. die handschriftlichen Notizen zum Song „Chicago, Now!“ zeigen. So liest man dort:

„…LUK A U there just settin –
DOOWWWWWWNNNNNNN – chicago, NOWWWW…
…CHICAGO, NOWAHOW…“

Insgesamt wird durch diese „Neuerungen“ das Album geradezu chartverdächtig und für mich sind auf der Platte zahlreiche echte Hits zu finden, die natürlich nie in einer Hitparade ladeten. Es strahlt eine für The Fall ungeahnte Wärme und Sensibilität aus. Die harte Fassade von Mark E. Smith war vielleicht nicht poröser.

(Nicht nur) Ein Foto, aufgenommen auf Malta, assoziiere ich mit dem Album. Eine Telefonzelle – vielleicht eine vom Aussterben bedrohte Spezies – die Telefonierende einlädt, nein: dazu zwingt, auf das herrliche Meer zu schauen, während man spricht. Das können ja nur gute Telefonate werden, oder?

„Telephone Thing“ (c) by Lars Kilian

Auch wenn es zu „Telephone Thing“ sowas wie ein Video von The Fall gibt, ist es jetzt, 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Albums der Titel „Bill is Dead“, den ich hier gern posten möchte. Dies in Erinnerung an den 2018 Jahren verstorbenen Mark E. Smith.

„These are the greatest times of my life“

(Bill is Dead)

Das Album wurde 2007 als Expanded Version nochmals herausgebracht und enthält weitere Tracks, Remixe etc.

The Fall – The Complete Peel Session 1978-2004 (6 CD Set) (2005)

Da legt man glatt die Ohren an. Alle Peel-Sessions, die The Fall beim legendären John Peel aufgenommen haben, am Stück und im Set. Auf immerhin 24 Sessions sind The Fall in der Zeit von 78-04 gekommen. In jeder Session wurden vier Stücke aufgenommen und zum 65. Geburtstag spielten The Fall Herrn Peel zu Ehren noch ein Geburtstagsständchen „Job Search“ ein, dass hier auch ein Heim bekommen hat. Macht in Summe 97 (!) Songs in einer Box. Vieles davon nicht auf den regulären Alben veröffentlicht, einige Coverversionen sind dabei.

Auch wenn The Fall über die Jahre genial & fast gleich klangen, hört man auf den CDs doch die Entwicklungen heraus. Das ist nicht zu letzt der Personalpolitik von Mark E. Smith geschuldet, der als Gründer und Sänger der Gruppe als einziger über die Jahre geblieben ist und immer mal wieder einen Mitstreiter austauschte

Für The Fall Fans ein echtes Schmankerl, für alle, die The Fall nicht kennen: auf keinen Fall reinhören! Denn bei The Fall ist es ganz einfach, entweder man liebt sie oder hat sie noch nie gehört 🙂

Leider scheint es keine Videos von The Fall bei John Peel zu geben (schade), aber mal ein wirklich alter TV-Mitschnitt eines Auftritts.

The Fall bei Indipedia

Phillip Boa & The Voodooclub – Decadence & Isolation (2005)

Bildquelle: https://m.media-amazon.com/images/I/81aFpmFhCVL.SS500.jpg

Mensch, da begleitet mich Phillip Boa seit circa 20 Jahren musikalisch in seinen unterschiedlichsten Konstellationen des Voodooclubs. Auf Höhen folgten Tiefen, auf Tiefen wieder Höhen. Den Meisten „Buh-Rufen“ konnte ich nicht folgen, wenn Boa neue Wege einschlug und dabei vielleicht mal strauchelte. Für mich war (und ist) es schön, wie dieser Mensch und sein Club sich immer wieder selbst erfindet. Manchmal auch Neu. Den Reiz, den Phillip Boas Musik für mich ausmacht, ist seine Art, durchaus kraftvoll-destruktiv sowie konstruktiv-filigran anmutende Musik zu erschaffen. Sie findet Ausdruck nicht nur in einem chaotisch anmutenden Klangkosmos, sondern auch in Boas (für mein laienhaftes Gefühl) Sprechgesang, der gern mal neben der Spur läuft (da kommen Assoziationen zu Mark E. Smith auf). Aber sie findet ihren Ausdruck auch darin, dass immer wieder zauberhafte Melodien zum Vorschein kommen, Rhythmen gepflegt werden, leichter Singsang und ohrwurmverdächtige Refrains ihren Eingang in die Musik finden (und hier kann Boa auch Melodie auf Spur singen ;-)).

Und nun, mit Decadence & Isolation, liefert Boa ein Album ab, dass wirklich von der besseren Sorte ist und einen neuen, wunderbaren Höhenflug darstellt. Impulsiv, druckvoll, dynamisch, abwechslungsreich und dennoch typisch. Das ist ihm und seinem Voodooclub gelungen! Und mir macht es Freude ein solch sonniges, leuchtendes, bewegtes Album von Phillip Boa in die Hände zu bekommen. Da scheint wohl auf Malta gerade die Sonne…

Während eines Ausflugs durch Verona stolperte ich (halb zufällig, halb gewollt) an der Pilgerstätte, dem berühmten Balkon von Julia <– ja, die von Romeo, vorbei. Unübersehbar und unattraktiv (für mich) wegen der Menschenmassen. Witzig ist, dass sich auf dem Weg zum Zentrum gescheiterter, ewiger Liebe die Zeichen für Zuneigung häufen. Immer mehr Graffitis in Groß und vor allem Klein zieren die Fassaden. Und je näher man an den Balkon von Julia kommt, desto voller werden die Wände. DAS fand ich, ist ein gutes Motiv als Erinnerung. Ein Foto der vielen Herzen und Schwüre, im Hintergrund der Balkon der Un/Glücklichen. An das Bild erinnerte ich mich, als ich den letzten Song auf Decadence & Isolation hörte: Intrigue and Romance. Daher ist das mein Bild zum Album

Grafitis vor dem Balkon von Julia
(C) Lars Kilian: Intrigue And Romance