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Max Goldt – Die Majestätische Unruhe Des Anorganischen (1984, 1990)


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„1984 erschien eine Langspielplatte namens MAX GOLDT  DIE MAJESTÄTISCHE RUHE DES ANORGANISCHEN. 1990 wiederholte sich dieses Schauspiel“ So erklärt sich das Album selbst bereits auf dem Cover.

Eine Sammlung geheimnisvoller Sound- und Textcollagen aus dem Goldtschen Universum. Tief- oder abgründig, trivial, grotesk, melancholisch oder untersam. Je nach eigener Stimmungslage kann man sich aus den Erfahrungen, Ein-, Aus- und Weltsichten, Weisheiten die entsprechenden Fragmente heraussuchen und durch den Tag tragen. Das klappt so gut, dass ich mich seit 20 Jahren zu Alltagssituationen immer wieder dabei ertappe, ein kurzes Zitat vom Album beizutagen. Irgendwie haben sich diese Skizzen wie  nach und nach in die Hirnrinde eingebrannt. Der Monolog der alten Diva, die von längst vergangenen Zeiten mit ihrem Mann Franz, „dem Mechtersheimer, Hilde Holm und dem Faustmann“ träumt. Der mahnende Eimer Erbsen mittelfein, oder der Minister Streifchen, über dessen Handeln sich die Kinder der Straße amüsieren. Die Betrachtungen eines Maurers aus gut bürgerlichem Haus, der sich in existenziell philosophischen Gedanken verirrt und sich damit das Leben selbst sehr schwer macht. Das kranke Kind und die Nachbarin, die sich in ihren Symbolen verliert („Mein Mann ist ja nur ein Symbol für die Stahlkrise im Saarland“). Den Mythos der Müdigkeit oder der Fahrt in die Heimat „denn dort wo unsere Wiege steht, dort wollen wir auch begraben sein.“

Auch nach 30 Jahren eine akustische Bereicherung…

Wikipedia über Max Goldt

Hörspiele von Alexander Kluge u.v.a. als gratis Download…

Bildquelle: http://www.br-online.de/podcast/kopfbilder/hoerspiel-pool.jpeg

Das Internet ist manchmal, oft oder nie eine echte Fundgrube. So war ich auf der Suche nach Informationen zum Episoden-Hörspiel „Chronik der Gefühle“ von Alexander Kluge. Herrn Kluge bringe ich gefühlt schon seit meiner Jugendzeit eine gewissen Sympathie und Verehrung entgegen. Seine sehr anderen Interviews bei dctp.tv, die zu später Stunde im TV ausgestrahlt wurden und durch eine interessante Mischung aus Interview, Interviewten und Hintergrundinformationen in Wort und Bild sowie entspannter Schnitttechnik überzeugten, fesselten mich. Unverändert in den Interviews war / ist das schwarze Mikrophon, dass von unten in das Bild hinein ragt und die Stimme von Alexander Kluge, die stets aus dem Hintergrund in unaufgeregter, narrativer Art Fragen formulierte, die zum weitersprechen animieren und selbstverständlich neue Themen öffnen, ohne die alten zu verlassen. Bei dieser Art der Interviews hatte ich das Gefühl, dass Sprache auch flächig und nicht linear sein könnte. Alle, die es nicht kennen, sei die Webseite von dctp.tv  ans Herz gelegt 😉
Aber darüber wollte ich eigentlich nicht berichten, sondern über meine Suche nach dem besagten Audiobuch, um mehr Informationen über das Werk zu bekommen. Dabei stolperte ich über das Angebot des Hörspiel-Pools des von Bayern 2. Dort liegt das Hörbuch komplett zum Download bereit. Und nicht nur dass. Auch viele weitere Produktionen des BR2 können sich direkt von der Webseite legal (!) herunter geladen werden. Dazu zählen Werke von Künstlern wie James Joyce, Andreas Ammer, Virginia Woolf, natürlich auch Alexander Kluge oder der ARD Radio Tatort.

Ich denke, dass könnte für die Eine oder den Anderen interessant sein. Oder? Interessenten bitte hier lang: http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/bayern2/mp3-download-podcast-hoerspiel-pool.shtml

Andreas Ammer & F.M. Einheit – Crashing Aeroplanes (2001/2002)

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Andreas Ammer findet für seine Hörspiele Themen, die Abseits des Mainstreams liegen. Sei es die Vertonung der Insektenwelten (Bugs & Beats & Beasts), eine Hommage an Walter Benjamin (Loopspool) oder das Projekt „On ‚The Tracks„, bei welchem Personen in verschiedenen Städten der Welt andere Menschen verfolgen und dabei beschreiben, was sie beobachten. Die Liebe zu Details bringt eine sehr persönliche Ebene in die Hörspiele hinein, die das Hörerlebnis noch lebendiger und intimer werden lassen und durch die Wahl geeigneter Musiker (z.B. Console) werden die Grenzen vom Hörspiel zur Konzeptmusik fluid. „Crashing Aeroplanes“ tanzt da nicht aus der Reihe, wenngleich das Thema eine gewissen Brisanz besitzt. Die Texte für das Hörspiel stammen von den Cockpit Voice Recordern, die „anders, als die Piloten, jeden Absturz überstehen.“ (Zitat aus dem Hörpsiel) Ammer widmete sich diesen letzten Minuten von verschiedenen Cockpit Voice Recordern und erstelle eine Collage, die auf ihre Art sachlich und fast schon nüchtern die letzten Sekunden im Cockpit von Flugzeugen dokumentiert, wenn die Technik versagt hat. Musikalisch begleitet dieses Vorhaben F.M. Einheit (Ex-Einstürzende Neubauten), der dezent elektronische Sounds unter die Textfragmente mischt und mit üblichen, aus dem Fliegen bekannten Geräuschen (z.B. das „Bling“, wenn die Anschnallzeichen erstrahlen) anreichert. Brisant war auch, dass die CD im September 2001 veröffentlicht werden sollte, aber aufgrund des damaligen tragischen Zwischenfalls verschoben wurde.  Zu Recht wurde das Werk mit der höchsten deutschen Auszeichnung für Hörspiele, dem Hörspielpreis der Kriegsblinden, 2002 geehrt. Ammer und Einheit schaffen es, das Thema Technikversagen am Beispiel von Flugzeugabstürzen, welches durchaus Potential für eine morbide oder sensationsträchtige Herangehensweise bietet, neutral aufzuarbeiten und machen deutlich, dass Sicherheit in der technisierten Welt fragil ist und nie abschließend gegeben ist. Mir stellt sich beim Anhören die Frage, ob Piloten in diesem wohl schlimmsten Fall tatsächlich so entspannt bleiben, wie es auf der CD zu hören ist, oder hier eine geschickte Auswahl an O-Ton Dokumenten den sachlichen Blick auf das Thema nicht versperren soll.

Biografische Informationen zu Andreas Ammer bei laut.de

Olaf Schubert – Echte Menschen (2000)

Hörprobe
„UNSER JUBILÄUMSALBUM – DIE FÜNFTE CD – IST DA!

Ich bin aufgeregt wie noch nie, denn es ist das erste Mal, daß ich eine fünfte CD vorstelle. Sie heißt „Echte Menschen” – und der Titel soll es verdeutlichen, ich habe versucht jeden von uns, der zu seinem Leben und seinen Problemen steht, in den Mittelpunkt zu stellen.

Ich wollte, daß es ein Album speziell für alle wird und ich bin sicher; es ist eines!

Jochen Barkas, Herr Stephan und ich haben über ein Jahr im Studio und im Probenraum (im Einfamilienhaus der Eltern eines befreundeten Percussionisten) an den Liedern gefeilt, bevor wir sie live, während zweier Konzerte in Dresden mitgeschnitten haben. Die Musik steht im Mittelpunkt, doch blieb genug Freiraum, spontan über mich bewegende Befindlichkeiten zu sprechen.

Es tut uns leid, daß wir einige Songs in den „Hannover Tonklang Studios” digital nach-bearbeitet haben, um andere Lieder in Berlin analog löschen zu können, aber wir denken, es ist der ehrlichste Kompromiß der möglich war, die CD nicht kalt und steril wie viele andere klingen zu lassen.

Euer Olaf

UTA MEHL SCHREIBT IM BOOKLET DIESER PLATTE:

Olaf Schubert singt in offene Ohren. Mit der zunehmenden Zahl der Freunde und Befürworter schubertschen Gedankenguts wächst natürlich auch die Zahl der Kritiker, und genau das ist das Ziel.

Schubert scheut das Bad in der Menge, nicht jedoch den Schritt in die Enge einer messerscharf geführten Auseinandersetzung mit seinen Kritikern.

Nach wie vor glänzt so sein Harnisch der Glaubwürdigkeit, dicht gewebt aus den massivsten Wortketten. Nach wie vor ist er der Krieger des Alltags, unentwegt bemüht, seine wichtigen Gedanken gerecht unter den Bedürftigen zu verteilen. Hart schlägt ihm der Wind des pauschalen Protests die vorbereiteten Konzepte aus der Hand.

Die Herausforderung annehmend wächst er schier über sich hinaus. Wie Zeus, der Donnergrollende, greift Schubert in die Wolken und schleudert seinen Gegnern eine aus der Kontrolle geratene Verbalkartätsche entgegen. Heißa, welch ein Gemetzel!

Der ansonsten eher schüchtern und zerbrechlich wirkende Schubert scheint keine Erschöpfung zu kennen. Mit dieser seiner fünften CD kehrt er in seiner unverkennbaren Art und Weise das Untere zu Oberst und verknüpft das Gesagte mit Unerhörtem.

Von einem Journalisten auf seine ungewöhliche Vortragsweise angesprochen, antwortete Schubert mit einem Sprüchlein des deutschen Mystikers Meister Eckerhart: „Wer diese Rede nicht versteht, der bekümmere sein Herz nicht damit, denn sie ist nur für jene gemacht, welche sie verstehen.”“ (http://www.olaf-schubert.de/albendetail.php?nummer=5)

Wikipedia über Olaf Schubert

Ammer & Console – Eigentum Am Lebenslauf. Das Gesamte Im Werk Des Alexander Kluge (2007)

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„Alexander Kluge hat in seinem Leben viel erzählt. „Lebensläufe“ hießen die Geschichten, mit denen der spätere Filmemacher und Fernsehgestalter Anfang der 60iger Jahre erstmals als Schriftsteller öffentlich auftrat. Sie seien „teils erfunden, teils nicht erfunden. Zusammen ergeben sie eine traurige Geschichte.“ Als am Ende des Jahrtausends dann Kluge sein „summum opus“, die vieltausendseitige „Chronik der Gefühle“ vorlegte, so trug deren zweite Hälfte immer noch den gleichen lakonischen Titel: „Lebensläufe“. Zusammen ergaben die Geschichten die traurige Geschichte des 20. Jahrhunderts (beginnend mit dem Urknall).Noch viel mehr hat sich Alexander Kluge in seinem Leben aber erzählen lassen:
In seinen TV-Magazinen ist er der geduldige Zuhörer, ein elektronischer Sokrates, der jeden seiner Gäste bis an die Grenze des erträglichen davon erzählen lässt, was ihr Leben und die gesamte Welt im Innersten zusammenhält.

Erzählen / lassen. Für Eigentum am Lebenslauf hat der vielfach ausgezeichnete Hörspielmacher Andreas Ammer die beiden Facetten des Alexander Kluge dialektisch zusammengefügt und daraus für den Bayerischen Rundfunk ein Hörspiel gemacht. Ammer hat Kluge mehrfach in seinem Münchner „Küchenstudio“ besucht und ihn erzählen lassen: Sein Leben, sein Werk, und die Welt. Eigentum am Lebenslauf ist halb Erzählung, halb große Oper, manchmal Lesung, immer Lebenslauf und also „eine traurige Geschichte“, die – wenn nicht von 630 Millionen Jahren – dann vielleicht an dem Tag beginnt, als Kluge sich von Ammer „Techno-Musik“ als Soundtrack für seine Worte wünschte: Console, aka Martin Gretschmann, hat diesen Wunsch grandios mit seinem Soundtrack erfüllt. Nur am Ende, nach der großen Katastrophe, quaken die Frösche.

„Was wir einen ‚Lebenslauf‘ oder ‚Wirklichkeit‘ nennen, sind Kokons der Wahrnehmung, die uns schützen. Ob sie etwas Reales sind, dürfen wir bezweifeln. So leben wir, in Lebensläufen und auf Kontinenten verteilt, kontinuierlich und erfahren in verschiedenen Wirklichkeiten.“ (Alexander Kluge)