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Lars Kilian: Handlungsorientierung als Basis der Kompetenzentwicklung in universitärer Lehre

Vorab: Der nachfolgende Text wurde bereits 2011 veröffentlicht. Quelle: Kilian, Lars: Handlungsorientierung als Basis der Kompetenzentwicklung in universitärer Lehre. In: Arnold, Rolf u.a. (Hrsg.): Von der Handlungsorientierung zur Kompetenzentwicklung. Ansätze und Konzepte zur Berufs- und Erwachsenenbildung. Schriftenreihe: Pädagogische Materialien der Technischen Universität Kaiserslautern. Nr. 36., S. 107-117

Ich stelle dieses "Frühwerk" an hier online zur Verfügung, da die Quelle mittlerweile vergriffen und nicht nochmals aufgelegt wird, ich jedoch nach dem Text gefragt wurde.

Lars Kilian „Handlungsorientierung als Basis der Kompetenzentwicklung in universitärer Lehre“

1     Einleitung

Kompetenzentwicklung ist ein zentrales Ziel pädagogischen Handelns, welches, vor allem aus der berufspädagogischen Diskussion kommend, auf weitere Felder der Allgemein-, Aus-, Fort- und Weiterbildung übernommen worden ist. Dabei ist jedoch häufig aufgrund fehlender Konzepte unklar, inwieweit es möglich ist, in institutionalisierten und formalen Bildungsangeboten Kompetenzen auf Seiten der Lernenden durch Lehrangebote auszubilden. Dies scheint insbesondere in der universitären Ausbildung, die einen hohen Theoriebezug in der Lehre aufweist, problematisch zu sein. Einen möglichen Ausweg hierfür bietet die Handlungsorientierung als pädagogisches Prinzip.

Der vorliegende Beitrag stellt dar, wie im Rahmen universitärer Lehre einerseits Kompetenzentwicklung gefordert wird und wie diese Forderung andererseits unter Einbeziehung des Prinzips der Handlungsorientierung eingelöst werden kann. Hierzu wird in einem ersten Abschnitt die Kompetenzentwicklung und mit speziellem Fokus auf die Hochschulbildung kurz beleuchtet, bevor anschließend auf das Prinzip der Handlungsorientierung eingegangen wird. Im dritten Kapitel des Beitrags sollen die theoretischen Konzepte an einem Praxisbeispiel der universitären Lehre reflektiert werden. Dabei werden sowohl Besonderheiten der didaktischen Planung als auch Lerneffekte unter Rückgriff auf die Seminarevaluation vorgestellt.

2     Zum Kompetenzbegriff

2.1 Zum Kompetenzbegriff

Seit den 1970er Jahren gibt es Bestrebungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, den sich immer schneller wandelnden Anforderungen der Arbeitswelt durch entsprechende Konzepte zu begegnen. So spann sich ein Bogen der theoriegeleiteten Diskussion und praktischen Umsetzung von den Qualifikationen über Schlüsselqualifikation zur Kompetenz und letztendlich Kompetenzentwicklung. Nach Arnold & Schüssler (2001, 54) kann seit den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts von einer „kompetenzorientierten Wende“ gesprochen werden.

In den vergangenen Jahrzehnten gewann der Kompetenzbegriff zunehmend an Popularität. Dementsprechend differenziert sind die Versuche, ihn zu definieren [1].

Nach Erpenbeck & Heyse (1996, 36) lässt sich Kompetenz in Abgrenzung zum Begriff Qualifikation beschreiben. Dabei zeichnen sich Qualifikation dadurch aus, dass sie „Kenntnisse und Fertigkeiten sind, die sich lernen und lehren, aber vor allem auch objektiv beschreiben lassen und funktional sind. Das Kompetenzkonzept erweitert das Qualifikationskonzept darüber hinaus um individuelle Persönlichkeitsaspekte, die gleichwohl auf den (beruflichen) Nutzen ausgerichtet werden“ (Vonken 2005, 38). Weinert hingegen definiert Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen (also absichtsbezogenen, L.K.) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27f).

Kompetenz bezieht sich demnach als Ergebnis der Kompetenzentwicklung auf den einzelnen Lernenden und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Situationen (vgl. Deutscher Bildungsrat 1974). Nach der Definition des europäischen Kompetenzrahmens für lebenslanges Lernen wird „Kompetenz in einem engeren Sinn als Fähigkeit zur Umsetzung von Wissen in die Praxis“ (Europäische Kommission 2009, 14) definiert. Auch wenn dem Begriff aufgrund der „inflationären Differenzierung (…) das verbindende Muster verloren zu gehen“ (Arnold 2010, 173) droht, so ist allen gemeinsam „die Entwicklung eines subjektiven Potentials zum selbstständigen Handeln in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen“ (ebd.).

2.2 Zur Bedeutung der Kompetenzentwicklung an den Hochschulen

So ist, oder besser sollte es allgemeines Bildungsziel, insbesondere der Aus- und Weiterbildung und damit auch der Hochschulbildung sein, Kompetenzentwicklung bei den Lernenden zu unterstützen, um die Befähigung zum eigenverantwortlichen Handeln auszubauen.

Gerade durch die Umsetzung der Bologna-Reform an den Hochschulen ergibt sich die Möglichkeit und die Notwendigkeit, Studienangebote kompetenzorientiert zu entwerfen. Denn hinter der Modularisierung der Studiengänge und der Einführung des Credit Point Systems (ECTS) steht das Prinzip einer Ausrichtung der universitären Lehre an den „Learning Outcomes“. Diese beschreiben „was die Lernenden nach dem erfolgreichen Abschluss eines Lernprozesses wissen, verstehen bzw. können sollten” (Europäische Kommission 2009, 13). Somit entsprechen die „Learning Outcomes“ dem Kompetenzbegriff des europäischen Qualifikationsrahmens, der Kompetenzen als „nachgewiesene Fähigkeit, Wissen, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder Lernsituationen und für die berufliche und/oder persönliche Entwicklung“ (ebd., 14f) versteht. D.h., Hochschullehre nach der Bologna-Reform ist kompetenzorientiert (Reinmann 2007, 7). Jedoch bescheinigt eine Bestandsaufnahme des Kompetenzzentrums Bologna hier noch Defizite in der Praxis. So heißt es: „Im Kontext der Lehre ist das meistgenannte Problem bei der Implementierung (der Reformansätze nach Bologna, L.K.) die Einführung der Kompetenzorientierung in die Curricula. Der vielbeschworene Paradigmenwechsel in der Lehre hat häufig noch zu wenig stattgefunden, weder die Orientierung an den Learning Outcomes noch an den Qualifikationszielen […] Studienreformfragen werden als primär inhaltliche Fragestellungen begriffen, die zu langen Debatten zu Modulgrößen und Regelstudienzeiten führen“ (Hennecke & Kompetenzzentrum Bologna 2006, 19). Und so wird in dem Bericht geschlussfolgert: „Durch die ‚Wunschliste‘ der Berater/innen zieht sich wie ein roter Faden die weitere Ausrichtung der Studiengänge und Module an den Qualifikationszielen und Kompetenzen“ (H.i.O, ebd., 20).

Das gerade die Chance, Studienangebote kompetenzorientiert aufzuschienen, bislang, aus hier nicht näher zu beleuchtenden Gründen, in weiten Bereichen nicht genutzt wurde, ist bedauerlich, da durch einen solchen Zugang neben einer Ausrichtung auf die Aneignung verwendbarer Lerninhalte für zukünftiges Handeln wohl auch mit Steigerung der Lernmotivation bei den Studierenden gerechnet werden kann. Theoriegeleitete Begründungen, didaktische Modelle und positive Berichte aus der Praxis belegen diese These (vgl. u.a. van Merriënboer; Clark u.a. 2002; Bastiaens; Deimann u.a. 2006). Und so kann festgehalten werden: „Wenn Bologna eine zukunftsweisende Idee transportiert, dann die: Studierende sollen überall in Europa auf ein Hochschulsystem treffen, das es ihnen ermöglicht, nicht bloße Fakten und enge Fertigkeiten, sondern Kompetenzen zu erwerben, mit denen sie ihre berufliche Zukunft gestalten können“ (Reinmann 2007, 8).

Der bislang vorherrschende Ansatz zur Informationsvermittlung in universitärer Lehre folgte dem Input-Prinzip. D.h., die Lehrenden sorgten sich um die Inhalte, die in Lehrveranstaltungen präsentiert worden sind. Was die Lernenden mit diesen Inhalten anschließend machen, wurde kaum hinterfragt und bisweilen dem Glauben der „Machbarkeit des Lernens durch Lehre“ angehangen. Holzkamp bezeichnete dies als Lehr-Lern-Kurzschluss (Holzkamp 1996), eine Erkenntnis, die bereits bei Galileo Galilei zu finden ist: „Man kann einen Menschen nichts lehren. Man kann nur helfen, es in sich selbst zu entdecken“ (zit. nach Probst & Büchel 1998, 175).

Um Kompetenzen entwickeln zu können, muss in der Lehre ein Shift vom Lehren zum lernenden Subjekt, seinen Fähigkeiten und Interessen stattfinden. Dies kann eine Herausforderung in der Gestaltung der Lehre darstellen, denn „die Herausbildung von Kompetenzen als lebensbegleitender Prozess erfolgt durch die individuelle Entwicklung und unterschiedlich strukturierte und verortete Formen des Lernens“ (Dehnbostel; Molzberger u.a. 2003, 26). Damit die curricularen Vorgaben verwirklicht werden können, bedarf es einer notwendigen Anpassung der Hochschullehre an entsprechende didaktische Ansätze, welche auf eine Subjektorientierung hinsichtlich der Lernpräferenzen als auch der Lerngegenstände abzielt.

3   Handlungsorientierung als pädagogisches Prinzip

3.1 Was ist Handlungsorientierung?

Um die kapitelleitende Frage zu klären, soll vorweg eine Definition für Handlungsorientierten Unterricht gegeben werden. So wird er definiert als „ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden können“ (Meyer 2000, 402).

Nach Müller & Stürzl (1990) ist Handlungsorientiertes Lernen ein methodisches Konzept, welches sich durch folgende Merkmale auszeichnet:

  • Anknüpfen an verfügbare und Aktivierung latent vorhandener Erfahrungen bei den Lernenden
  • Verbindung von selbstständigen Handeln und selbstgesteuerten Lernen
  • Vermittlung neuer Lernerfahrungen durch Handeln und Erleben („Lernen durch Handeln“)
  • Verknüpfen alter mit neuer Lernerfahrungen, was zu veränderten oder neuen Handlungskompetenzen führt („Lernen für das Handeln“)
  • Fokus auf sachkompetente Bewältigung konkreter Anwendungssituationen
  • Fordert den Lernenden als Ganzes („mit Kopf, Herz und Hand“)
  • Lernsituationen spiegeln Komplexität von Ernstsituationen wider („Ganzheitlichkeit“)
  • Projektorientierte Strukturierung
  • Lerngeschehen findet nicht ausschließlich auf der Sachebene statt, sondern durch Auswertung des Lernprozesses findet neben der Vermittlung von Fachqualifikationen auch die von Schlüsselqualifikationen statt („sozial reflexiver Prozess“)
  • Mitbestimmung der Lernenden über Lernprozess und persönliche Ziele („Prozesscharakter“) (ebd., 173)

Um Handlungsorientierung und selbstgesteuerte Aneignung von Wissensbeständen zu ermöglichen, müssen Lehr-Lern-Arrangements eine entsprechende Komplexität aufweisen. Grundsätzlich müssen sie für Lernende anregende Situationen bereitstellen. Dies bedeutet, dass die Situationen einen gewissen Authentizitätsgrad aufweisen und nicht unterkomplex sind. Hier sind bspw. Aufgaben aus dem zukünftigen Arbeitsfeld geeignet, die den Lernenden nach Abschluss der Ausbildung bevorstehen können (siehe hierzu u.a. Zimmer 1998). Weiterhin müssen die Lehr-Lern-Arrangements Probehandeln ermöglichen und individuelle Suchbewegungen der Lernenden zulassen. Individuelle Suchbewegungen erzeugen unterschiedliche Lernwege, welche eröffnet und durch das Arrangement ermöglicht werden müssen. Dies schließt ein, dass bei einer abschließenden Evaluation des Lernergebnisses auch die Lernprozesse berücksichtigt und ggf. reflektiert werden müssen. Jedoch nicht nur die Prozesse können variieren, ein komplexes Lehr-Lern-Arrangement sollte auch unterschiedliche Lernresultate zulassen (Müller 2006, 44f in Anlehnung an Siebert 1991, 80).

3.2 Mit Handlungsorientierung zur Kompetenz

Handlungsorientierter Unterricht zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die Tätigkeit im Mittelpunkt des Lernprozesses steht. Damit folgt das Konzept der „Logik der Selbsttätigkeit und Selbstorganisation“ (Müller 2006, 43) der Lernenden. Die Selbsttätigkeit im Lernprozess ist zentral für den Lernerfolg und die Ausbildung entsprechender Kompetenzen, denn „nur über eine tätige Auseinandersetzung mit der Welt lernt der Mensch“ (Lipsmeier 1989, 142; zit. nach Müller & Stürzl 1990, 178). Dabei baut das Prinzip der Handlungsorientierung explizit auf die Vorerfahrungen der Lernenden auf („Postulat des Erfahrungslernens“, ebd., 177) und bezieht diese in den Lernprozess aktiv ein, was einige Vorteile mit sich bringt. So  werden neue Informationen im Prozess der Wissenskonstruktion an die subjektiven Vorerfahrungen angegliedert, was einerseits die Ausbildung trägen Wissens (zum Begriff vgl. den Beitrag von Schneider in diesem Band) minimiert und andererseits bereits erworbenes Wissen reaktiviert. Da durch Handlungsorientierung und entsprechend geeignete Lehr-Lern-Arrangements individuelle Zugänge zum Lerngegenstand gegeben sind, findet auch eine Binnendifferenzierung im Lernprozess statt. So können Lerner unterschiedlicher Leistungsstufen und mit unterschiedlichem Vorwissen, was aufgrund der Freiheit bei der Gestaltung des Studiums in der universitären Lehre praktisch der Fall ist, an gleichen Problemfeldern arbeiten, ohne dass hier die Gefahr einer Über- oder Unterforderung gegeben ist.

Durch die Handlungsorientierung im Lernprozess findet stets die Anwendung neuen und bereits vorhandenen Wissens statt. Mit Rückblick auf die o.a. Definitionsansätze des Kompetenzbegriffs, in welchen – verkürzt ausgedrückt – Kompetenz als subjektgebundene Fähigkeit der Umsetzung von Wissen in die Praxis verstanden wird, kann festgestellt werden, dass Handlungsorientierung zwar einerseits Kompetenzen voraussetzt, andererseits jedoch die Kompetenzentwicklung beim Wissenserwerb fördert. Insofern kann das Konzept der Handlungsorientierung für die Entwicklung und Förderung von Kompetenzen im Lehr-Lern-Prozess genutzt werden.

4     Kompetenzerwerb durch Handlungsorientierung in der universitären Lehre – ein Praxisbeispiel

Die zuvor dargestellten Anforderungen an universitäre Lehre mit dem Ziel der Kompetenzentwicklung und eine mögliche Form der Realisierung mittels Handlungsorientierung werden anhand eines Praxisbeispiels konkretisiert.

Der Studiengang „Bildungswissenschaften“ wurde den Anforderungen der Bologna-Reform angepasst und akkreditiert. Das hier zu beschreibende Praxisbeispiel aus dem Seminar „Medienpädagogik“ ist im zweiten Modul der Bildungswissenschaften verankert (für einen vertiefenden Einblick in das Seminarkonzept vgl. Kilian 2010). Im Modulhandbuch zum Studiengang ist u.a. festgehalten, dass die Studierenden den eigenen Mediengebrauch reflektieren, Medien entsprechen unterrichtlichen Zielen auswählen und die Gestaltung und Wirkung einschätzen können, Regeln der medienspezifischen Kommunikation kennen und diese einsetzen (FG Sozialwissenschaften 2010, 3). Inhaltlich sollen die Kompetenzen durch den reflexiven, selbstbestimmten und kreativen Umgang mit Medien unter technischem, praktischem, ästhetisch-bildendem und emanzipatorischem Aspekt erworben werden (ebd.).

Die Medienpädagogik hat die Handlungsorientierung in die Diskussion aufgenommen. Diese sieht Mediennutzer nicht mehr als aufzuklärende Oper an, sondern stellt die Befähigung zur kritisch-reflexiven Mediennutzung in den Vordergrund. Mediennutzer werden bezüglich der Medienrezeption und -gestaltung als grundsätzlich fähig betrachtet (Schorb 1995, 184ff.; Baacke 1997, 46ff.).

Um dem Anspruch Handlungsorientierter Medienpädagogik gerecht zu werden, wurde von dem Didaktischen Design der oft personenzentrierten Vorträge in der universitären Lehre abgerückt. Stattdessen wurde zu Beginn des Seminars ein Themenkatalog vorgestellt, welcher die in der Veranstaltung zu besprechenden Inhalte (auf Basis des Modulhandbuchs) enthielt. Die Studierenden konnten sich in Kleingruppen den Themen zuordnen, die für sie von besonderem Interesse waren. Hierzu wurden vom Dozenten weitere Informationen geliefert, was sich hinter bestimmten Schlagworten und Themenfeldern verbirgt. Nach der Verteilung der Themenfelder wurde die Aufgabe gestellt, dass die Studierenden statt des üblichen Vortrags einen Podcast erstellen sollen, der dann im Seminar vorgestellt wird. Da keiner der Studierenden bisher einen Podcast selbst erstellte und nur 67% wussten, was ein Podcast überhaupt ist, betraten hier alle Neuland. In der Einführungsveranstaltung wurden weitere organisatorische (und rechtliche) Rahmenbedingungen geklärt. Dazu zählten u.a. technische Fragen (Hardware und Software für die Produktion), Aufbau des Podcasts (Dauer, inhaltliche Fragen, Wissenschaftlichkeit etc.) bis hin zur ästhetischen Gestaltung des selbigen, wofür es die einfache Anweisung gab: „Erstellen Sie einen Podcast, den Sie selbst gern hören würden!“. Ein Motivationsschub stellte sich ein, als deutlich wurde, dass die Podcasts inklusive der jeweiligen Autoren nach der Fertigstellung online und frei zugänglich im Netz veröffentlicht werden sollten [2]. Nach anfänglicher Skepsis folgte eine Begeisterung und ein Wettstreit, welcher Podcast die meisten Downloads verbuchen konnte [3]. Trotzdem für die Mehrzahl der Studierenden die Medienproduktion eines Podcast von der Aufbereitung der Inhalte, der Gestaltung einer Dramaturgie, Aufnahme und Schnitt eine vollkommen neue Herausforderung darstellte, benötigte keine Gruppe die Unterstützung des Dozenten bei technischen Fragen. Gegenseitige Hilfe und Selbsthilfe bei der Gruppenarbeit außerhalb des Seminars konnten verzeichnet werden. Verunsicherungen gab es nur bei der relativen Offenheit bzgl. der erwarteten Lernergebnisse, einem Ansatz, dem z.T. mit Misstrauen begegnet wurde. Die Studierenden formulierten in Sprechstunden die Sorge, dass sie befürchteten, nicht den Erwartungen des Dozenten gerecht zu werden. In der Tat musste hier der Dozent ermutigen und mit den Studierenden die inhaltliche Aufarbeitung der Themen teilweise dezidiert besprechen. Die Podcasts wurden im Rahmen der einzelnen Seminarsitzungen an geeigneter Stelle eingespielt und gemeinsam bzgl. der Inhalte, aber auch der Gestaltung besprochen. Spontaner Szenenapplaus durch die Seminargruppe bei der Vorstellung der Podcasts war ein schönes und motivierendes Resultat. Solche Effekte aus der Gruppe auf die Vorstellung einer Studienarbeit waren für alle Studierenden neu und überraschend.

Durch die grundsätzliche Ergebnisoffenheit war es für den Dozenten notwendig, für die einzelnen Seminare entsprechend vielfältiges Zusatzmaterial vorzubereiten, um so den Inhalten der Lehrveranstaltung in vollem Umfang gerecht zu werden. Dieses Zusatzmaterial wurde ad hoc eingesetzt, wenn die Diskussion zu den einzelnen Themenbereichen, die nun seminartypisch den Großteil der Veranstaltung einnahmen, dies erforderte. Dabei konnte die Studierendengruppe, die den jeweiligen Podcast für das Seminar erstellte, als Expertengruppe bei Fachfragen zurückgegriffen werden.

Durch die Gestaltung der Podcast konnte ein für universitäre Lehrer notwendiger doppelter Praxisbezug – die Praxis wissenschaftlichen Arbeitens (universitäre Praxis) und die Praxis zukünftigen Handelns als Lehrende (zukünftige Berufspraxis) – realisiert werden. Für die Studierenden bedeutete die Entwicklung eines Podcast einen entschieden höheren Aufwand als die sonst übliche Vorbereitung eines Vortrags o.ä. Diese Anforderung steht im Widerspruch des Moduls, wonach die Studierenden 90 Stunden Workload (3 Credits) in das Seminar investieren sollen. Dies muss bei  der Planung von Folgeveranstaltungen berücksichtigt werden. Dennoch gab es ausschließliche Rückmeldungen im Rahmen der Seminarevaluation, dass diese zusätzliche Arbeitszeit gern von den Studierenden inviestiert worden ist.

Trotz dieses Wechsels der Methoden bei der Seminargestaltung und einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Inhalten, wie dies die Studierenden bei der Befragung angaben, reichte den Teilnehmenden das gewonnene Wissen und die erweiterten Kompetenzen nicht für die Vorbereitung auf die bevorstehenden Modulklausuren. Hier fehlte das Vertrauen in die Richtigkeit und Gültigkeit der eigenen Arbeit und die Arbeit der Kommilitonen sowie die Ergebnisse der Seminardiskussionen und es wurde ausdrücklich verlangt, dass der Dozent entsprechende Hinweise in Form von weiterführender Literatur, Definition von Mindestanforderungen etc. nochmals bereitstellt. Diese Forderungen zeigen, dass ein solcher Wandel der Seminarkultur trotz des bestätigten Mehrwerts bzgl. des Lernerfolgs für alle Beteiligten, mit großer Skepsis verbunden ist und universitäre Lehre von den Studierenden als stark dozentenorientiert und –bestimmt wahrgenommen wird. Hier gilt es, auch einen Wandel der Lernkultur bei den Lernenden anzustiften, der mit Vertrauen in die eigene Arbeit einher geht.

5 Fazit & Ausblick

Der Beitrag versuchte aufzuzeigen, dass Kompetenzentwicklung ein zentrales Merkmal universitärer Lehre sein muss. Durch Handlungsorientierung kann die Forderung nach Kompetenzentwicklung eingelöst werden, wie das Praxisbeispiel belegt. Trotz der positiven Studienergebnisse bzgl. der Selbstorganisation, der Lernleistungen, der Motivation usw. muss der Lehrende als Berater zur Seite stehen. Die Beratung bezieht sich dabei nicht nur auf die Erstellung der Lernergebnisse, auch der Blick auf die in der Lehre zu erreichenden Ziele muss er im Blick behalten. Darüber hinaus muss er sicherstellen, dass die an Prüfungen gekoppelte Lehre zum Erreichen eines Studienabschlusses so aufbereitet ist, dass die Studierenden eine Veranstaltung auch mit dem Gefühl verlassen, gut für die Prüfungen vorbereitet zu sein. Der Blick auf das zukünftige kompetente berufliche Handeln ist in dieser Phase sekundär.

Der Einsatz von Podcasts als Lehrmedien im Seminar Medienpädagogik war dennoch sehr erfolgreich. Neben den positiven Effekten bei den Studierenden konnten diese in nachfolgenden Veranstaltungen wiederverwendet oder für die Prüfungsvorbereitung genutzt werden. Die hierdurch gewonnenen Freiräume bei der Durchführung von Seminaren wurden für weitere Projekte genutzt. So erstellten die Studierenden in den Folgesemestern u.a. frei zugängliche Blogbeiträge [4] zu medienpädagogischen Themenfeldern, die wiederum den nachfolgenden Studierendengenerationen zur Verfügung stehen. Somit findet neben einer Entlastung des Dozenten bzgl. der inhaltlichen Ausgestaltung des Seminars auch eine Anreicherung mit vielfältigen Medien statt. Entscheidender ist jedoch, dass die Veröffentlichung und Wiederverwendung von Lernergebnissen auch von den Studierenden als Wertschätzung wahrgenommen wird, was positive Effekte auf ihr Arbeitsverhalten nach sich zieht.

6    Literaturverzeichnis

Arnold, Rolf (2010): Kompetenz. In: Arnold, Rolf; Nolda, Sigrid & Nuissl, Ekkehard (Hrsg.): Wörterbuch Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn, Klinkhardt. 2: 172-173.

Arnold, Rolf & Schüssler, Ingeborg (2001): Entwicklung des Kompetenzbegriffs und seine Bedeutung für die Berufsbildung und für die Berufsbildungsforschung. In: Franke, Guido & Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Komplexität und Kompetenz: ausgewählte Fragen der Kompetenzforschung. Bielefeld, Bertelsmann: 52-74.

Baacke, Dieter (1997): Medienpädagogik. Tübingen, Niemeyer.

Bastiaens, Theo; Deimann, Markus; Schrader, Claudia & Orth, Cordula (2006): Instructional Design und Medien. Hagen.

Dehnbostel, Peter; Molzberger, Gabriele; Overwien, Bernd & Berlin. Senatsverwaltung für Wirtschaft Arbeit und Frauen (2003): Informelles Lernen in modernen Arbeitsprozessen : dargestellt am Beispiel von Klein- und Mittelbetrieben der IT-Branche. Berlin, BBJ-Verl.

Deutscher Bildungsrat (1974): Empfehlungen der Bildungskommission. Zur Neuordnung der Sekundarstufe II. Konzept für eine Verbindung von allgemeinem und beruflichem Lernen. Stuttgart, Klett.

Erpenbeck, John & Heyse, Volker (1996): Berufliche Weiterbildung und berufliche Kompetenzentwicklung In: Arbeitsgemeinschaft QUEM (Hrsg.): Kompetenzentwicklung ’96: Strukturwandel und Trends in der betrieblichen Weiterbildung. Münster ;München ;Berlin [u.a.], Waxmann: 15-152.

Europäische Kommission (2009): ECTS-Leitfaden.   letzter Zugriff: 29.7.2011, http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc/ects/guide_de.pdf.

FG Sozialwissenschaften (2010): Modulhandbuch Bildungswissenschaften.   letzter Zugriff: 29.7.2011, http://www.sowi.uni-kl.de/wcms/fileadmin/sowi/pdfs/Modulhandbuch_Bildungswissenschaften_Januar_2010.pdf.

Hennecke, Birgit & Kompetenzzentrum Bologna (2006): Bestandsaufnahme. Förderprogramm „Bologna-Berater für deutsche Hochschulen“. Bonn, Hochschulrektorenkonferenz.

Holzkamp, Klaus (1996): Wider den Lehr-Lern-Kurzschluß. Interview zum Thema „Lernen“. In: Arnold, Rolf (Hrsg.): Lebendiges Lernen. Baltmannsweiler, Schneider-Verl. Hohengehren: 21-30.

Kilian, Lars (2010): „low tech – high experience“ Podcasts als Lehr- und Lernmedium – Ein empirischer Erfahrungsbericht.   letzter Zugriff: 17.12.2010, http://lars-kilian.de/blog/wp-content/low-tech-%E2%80%93-high-experience.pdf.

Meyer, Hilbert (2000): Unterrichtsmethoden : II: Praxisband. Frankfurt am Main, Cornelsen Scriptor.

Müller, Hans-Joachim (2006): Handlungsorientierte Prüfungen in der beruflichen Fortbildung : eine subjekt- und arbeitsprozessorientierte Konzeption für die Konstruktion situationsbezogener Prüfungsmodule am Beispiel der Textilwirtschaft. Bielefeld, Bertelsmann.

Müller, Hans-Joachim & Stürzl, Wolfgang (1990): Handlungs- und erfahrungsorientiertes Lernen – Ein methodisches Konzept zur integrierten Förderung von Fach- und Schlüsselqualifikationen. In: Herzer, Hans & Dybowski, Gisela (Hrsg.): Methoden betrieblicher Weiterbildung: Ansätze zur Integration fachlicher und fachübergreifender beruflicher Bildung. Eschborn, RKW: 172-196.

Probst, Gilbert J. B. & Büchel, Bettina S. T. (1998): Organisationales Lernen : Wettbewerbsvorteil der Zukunft. Wiesbaden, Gabler.

Reinmann, Gabi (2007): Bologna in Zeiten des Web 2.0. Assessment als Gestaltungsfaktor. Arbeitsberichte. Augsburg, Universität. Augsburg, Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät. 16.

Schorb, Bernd (1995): Medienalltag und Handeln : Medienpädagogik im Spiegel von Geschichte, Forschung und Praxis. Opladen, Leske + Budrich.

van Merriënboer, Jeroen J. G.; Clark, Richard E. & de Croock, Marcel B. M. (2002): Blueprints for complex learning: The 4C/ID-Model. . Educational Technology Research and Development 50(2).

Vonken, Matthias (2005): Handlung und Kompetenz : theoretische Perspektiven für die Erwachsenen- und Berufspädagogik. Wiesbaden, VS, Verl. für Sozialwiss.

Weinert, Franz Emanuel (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, Franz E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim u.a., Beltz: 398 S.

Weinert, Franz Emmanuel (1999): Definition and Selection of Competencies. Concepts of Competence. München, Max Planck Institute for Psychological Research.

Wittke, Gregor (2006): Kompetenzerwerb und Kompetenztransfer bei Arbeitssicherheitsbeauftragten. Berlin.

Zimmer, Gerhard (1998): Aufgabenorientierte Didaktik. Entwurf einer Didaktik für die Entwicklung vollständiger Handlungskompetenzen in der Berufsbildung. In: Markert, Werner (Hrsg.): Berufs- und Erwachsenenbildung zwischen Markt und Subjektbildung. Baltmannsweiler, Schneider-Verl. Hohengehren: 125-166.

Fußnoten

[1] Um den Rahmen des Beitrags nicht zu sprengen, soll an dieser Stelle auf entsprechende Arbeiten verwiesen werden (Weinert 1999; Wittke 2006, 46ff.)

[2] Die Podcasts stehen unter der Internetadresse http://lars-kilian.de/?p=1178 zum freien Download zur Verfügung

[3] Seit Veröffentlichung der Podcasts im Wintersemester 09 wurden die Podcasts 2470 mal (Stand 1.8.2011) im Netz abgerufen.

[4] Die Blogbeiträge zur Medienpädagogik sind frei unter der Adresse http://lars-kilian.de/studienblog/?page_id=6 zugänglich und abrufbar.

„Wo bleiben denn die nicht traditionell-Studierenden?“

 
Quelle: http://www.paedagogik.de/bilder/9783834017772.jpg

Das Thema Hochschulöffnung für die Gruppe der nicht-traditionell Studierenden ist nicht ganz so neu, gewann aber in den letzten Jahren zunehmend an (bildungs-)politischer Bedeutung. Im Projekt „Offene Kompetenzregion Westpfalz“ (https://www.kompetenzregion-rlp.de) des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ (https://www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de) wurden Angebote speziell für diese Zielgruppe entwickelt und werden nun angeboten. Im Rahmen des Projekts widmete ich mich unter anderem der Frage, wo denn eigentlich die nicht-traditionell Studierenden bleiben? Denn laut Gesetz können in Rheinland-Pfalz  sehr viele Menschen auch ohne Abitur studieren. Jedoch ist der Zustrom dieser Gruppe an Studierenden an die Hochschulen bislang noch überschaubar. Wieso, weshalb, warum?… Und so führte ich eine Befragung bei Personen durch, die grundsätzlich die Studienberechtigung aufgrund ihrer (Bildungs-)Biografie erworben haben, jedoch nicht  den Weg an die Hochschulen suchten, suchen oder suchen werden. Über 250 Befragungen ergaben ein interessantes Bild, dass nun im Buch „Hochschulöffnung durch Kompetenzorientierung und Digitalisierung„, herausgegeben von Rolf Arnold u.a. (Schneider Verlag) zusammengefasst dargestellt ist.

Kategorien, gebildet aus einer Abfrage zu „drei Assoziationen mit dem Studium“ bei Schüler_innen an Berufsbildungseinrichtungen in der Westpfalz

 

Für Interessierte hier nochmal der Direktlink zum Verlag: http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=3012

Und einen Einblick in das Inhaltsverzeichnis: http://www.paedagogik.de/verzeichnisse/9783834017772in.pdf

Horizon Report 2017 – Lerntechnologien integrieren und Lernen fokussieren

(Quelle: https://encrypted-tbn0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQcTgecjb8kPFqJd8kjcpTVQaYkndghKxr5hEHN6TPwodeebs1p)

Auf dem Rückweg von der GMW-Tagung „Bildungsräume“ fand ich endlich  Zeit, mir den nicht mehr ganz so neuen Horizon Report anzusehen. Zu dessen erscheinen zwitscherten schon vor Monaten alle (sozialen) Medien.

Der Report hat sich ja (nicht nur) in der E-Learning Community einen Namen gemacht, da hier die zu erwartenden Trends des Einsatzes von Lerntechnologien in die Hochschullehre für die kommenden Jahre von einer Expertengruppe prognostiziert wurden. Zwar gibt es auch in diesem Jahr wieder Hinweise auf lehr- und lerntechnologische Entwicklungen , aber viel spannender ist meines Erachtens, dass der Report diese weniger stark fokussiert und seinen Blick deutlicher  auf Themen legt, die das Lehren und Lernen sowie die Organisation von Bildungsräumen an sich betreffen. 

Schon beim Blick in die Zusammenfassung der Ergebnisse zeigt sich, dass als erster Punkt Lehrkulturen und Studierendenerfolge genannt und damit als zentral angesehen werden! Aber auch der Erwerb von praktischen Kompetenzen (wobei entsprechende Technologien sinnvoll zu integrieren sind) und Prozesse zur Einschätzung unterschiedlicher (auch informell erworbener) Kompetenzstufen sowie die Bedeutung des Erwerbs von Medienkompetenzen, nicht nur verkürzt verstanden als Mediennutzungskompetenz (vgl. Medienkompetenzbegriff nach Dieter Baacke), zeigen, wie deutlich sich der Schwerpunkt von der Technologie hin zur Gestaltung von Lehrprozessen und die Unterstützung von Lernprozessen verlagert. 

Blickt man in die zu erwarteten Trends, so stellen die Beförderung von Innovationskulturen an Hochschulen inklusive der Forderung, Scheitern als Teil des institutionellen Lernprozesses zu verstehen sowie der verstärkte Einsatz von Deeper Learning Methoden und die damit verbundene Kompetenzorientierung zwei langfristige Trends dar, die in den kommenden fünf Jahren an Bedeutung gewinnen werden. Mittelfristig, so der Horizon Report, sind die Messung von Lernprozessen für einen Kompetenzerwerb sowie die Neugestaltung von physischen (!) Lernräumen  zur Förderung von Projektarbeit, Mobilität, Flexibilität oder mixed reality Technologien (im Handbuch E-Learning 2015; (5. Auflage wohl noch 2017) von Arnold et al. als Hybrider Bildungsraum bezeichnet) zwei Bereiche, die erwartbar sein dürften. Aktuelle Trends stellen der verstärkte Einsatz von Blended-Learning, der Ausbau von Lernplattformen sowie Formen kollaborativen Lernens dar. Insgesamt, so zeigen die Trends, geht es jetzt (zumindest meines Erachtens) deutlich stärker um Fragen der Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements, der Kompetenzentwicklung etc., wobei immer wieder auch Technologien, wie z.B. Cloud-Dienste, Apps etc. erwähnt werden.

Ebenso sind die benannten Herausforderungen weniger technischer Natur als vielmehr in den Bereichen der Personal-, Organisations- und Lehrentwicklung zu verorten. So sieht der Report die Entwicklung von Medienkompetenzen bei allen Akteuren, die Zusammenführung von formalen und informellen Lernen und die Kultivierung des Lebenlangen Lernens als bewältigbar an. Schwerer hingegen scheinen Hürden wie die Überwindung der Ausbildungskluft, vor allem bedingt durch soziale Ungleichheiten mit den damit verbundenen Problemen (erschwerter Zugang zu Bildung, Heterogenität der Lernenden) sowie die Überwindung des digital gap auf globaler und innergesellschaftlicher Ebene zu sein. Als echte Herausforderungen werden der Rollenwechsel bei Lehrenden sowie die Entwicklung Kompetenzorientierter Lernangebote beschrieben. (Zu letztgenannten Punkt gibt es wohl kommenden Monat einen Kriterienkatalog, der gerade in Veröffentlichung ist und hoffentlich Lehrenden bei der Gestaltung kompetenzorientierter Ansätze hilft.)

Insgesamt, so denke ich, hat der Horizon Report damit die wirklich wichtigen Themen aufgegriffen, die für die gelingende Gestaltung von Lehre in den kommenden Jahren von Relevanz sein dürften oder könnten. 

Mein Dank gilt an dieser Stelle wie wie jedes Jahr Helga Bechmann vom Multimedia Kontor Hamburg für ihre ausgezeichnete Arbeit an der deutschen Version des Report und ihre freundliche Erinnerung, dass wieder ein Jahr herum ist 🙂

Der Horizon Report 2017 ist hier frei verfügbar: https://www.nmc.org/publication/nmc-horizon-report-2017-higher-education-edition-de/

Lehren und Lernen online. Lehr- und Lernerfahrungen im Kontext akademischer Lehre

Vor einigen Monaten (!) flatterte mir das Buch „Lehren und Lernen online. Lehr- und Lernerfahrungen im Kontext akademischer Lehre“, herausgegeben von Hedwig Rosa Griesehop und Edith Bauer (2017) auf den Schreibtisch. Da ich gerade selbst viel zu schreiben hatte und habe, kam ich gar nicht dazu, es hier kurz vorzustellen. Ein Blick in das Werk lohnt sich für alle, die sich weniger mit technischen Fragestellungen im E-Learning beschäftigten, als vielmehr didaktischen Fragestellen nachgehen und sich didaktische Inspirationen sowie theoretische Fundierungen zur Gestaltung netzbasierter Lehr-Lern-Szenarien holen möchten. Denn der Sammelband „verfolgt mit der Präsentation und Diskussion neuer, unter dem Einfluss von Konstruktivismus und Subjektwissenschaft entstandener didaktischer Modelle für eine onlinebasierte Lehrpraxis ein explizit theoretisches Anliegen, in der Auseinandersetzung mit ganz konkreten Herausforderungen dieser Praxis aber auch ein praktisch-methodisches Interesse“ (S. VI). Damit fokussiert der Band „auf den mit dem Bologna-Prozess angestoßenen Wandel hochschulischer (…) Lernkultur, der im Paradigmenwechsel vom Lehren zum Lernen (…) zum Ausdruck kommt“ (ebd.) Damit soll das Buch vor allem Hochschullehrende ansprechen, die  den Wandel zu ko-konstruktiven, neuen und virtuellen Lehr-Lernarrangements suchen und vollziehen. 

Im ersten Teil des Buches wird sich dem Thema der Reflexionen als wesentliche Voraussetzung onlinebasierter Studienformate – ein Kriterium kompetenzorientierter Lernarrangements (vgl. Kilian 2017, in Veröffentlichung) – genähert, während im zweiten Teil vor allem medien- und lerntheoretische Fundierungen digitaler Hochschullehre vorgestellt werden. Der dritte Teil liefert zentrale Impulse für die Praxis digitaler Lehr-Lernprozesse. Insofern stellt das Buch einen reichhaltigen Fundus bereit, die eigene Lehre – nicht nur an Hochschulen – kreativ zu bereichern. 

Ein Inhaltsverzeichnis findet sich hinter folgendem Link: http://www.springer.com/

Wege der Hochschulöffnung: Berufs- und Kompetenzorientierung

Die TU Kaiserslautern lädt am 20.-21.6.17 zur Fachtagung „Berufsorientierung“ und  Abschlusstagung des Verbundprojekts 
„Offene Kompetenzregion Westpfalz“ ein. Interessierte erhalten hier die Möglichkeit,  sich einen Überblick über einen Teil der Ergebnisse der Projektarbeit von OKWest der letzten sechs Jahre zu verschaffen. Weiterer Schwerpunkt wird das Thema Berufsorientierung im Zuge der Hochschulöffnung sein. 

Ich darf auf zwei Slots einen Beitrag leisten und werde von den Ergebnissen meiner Suche nach Motiven potentieller nicht-traditioneller Studierender, KEIN Studium aufzunehmen und über die Kriterien kompetenzorientierter didaktischer Ansätze berichten.

Das Programm gibt es hier: https://www.disc.uni-kl.de/fachtagung2017/programm/

 

Vorlesungen – interaktiv

Vorlesungen sind immer noch eine beliebte Lehrform an Hochschulen und Universitäten, um vielen Studierenden viel Wissen zu „vermitteln“. Die Erfolge dieses Formats hingegen sind umstritten und wohl jedem Lehrenden in diesen Einrichtungen ist das Gefühl bekannt, dass die Studierenden nicht die gesamten 90 Minuten des Lehrmonologs konsequent verfolgen. Es wäre auch verwunderlich, wenn dies so wäre, denn Vorlesungen sind selten aktivierend, die Rollenverteilungen sind Aufgaben üblicherweise klar. An der LMU wurde ein Tool entwickelt, dass diesem öden Einerlei begegnen will: Backstage. Mit Backstage ist es möglich, dass Studierende die gezeigten Folien live mit Fragen bespicken können, andere Lernende können die Fragen der Kommilitonen bzgl. der Wichtigkeit bewerten oder gar beantworten. Sie stellen fest, dass sie mir ihren Fragen nicht allein sind. Der Lehrende kann auf die Fragen spontan eingehen, kann die Geschwindigkeit seiner Präsentation anpassen, vertiefen oder auch mal was überfliegen. Ihm oder ihr stehen Quizzes zur Verfügung, um die Menge zum Mitdenken zu bewegen usf.

Das System wurde u.a. im FG Informatik der Uni Saarbrücken von Prof. Finkbeiner eingesetzt und anschließend evaluiert. Die Erfolge sprechen wohl, im Vergleich zur üblichen Vorlesung, für sich. So schreibt der IDW in seiner Meldung zum Einsatz dieses Szenarios: „In der anschließenden Evaluation, die vom Lehrstuhl für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik durchgeführt wurde, gaben 143 von 181 Studenten der Vorlesung in punkto Organisation die Note 1. Unter den Freitextantworten zur Frage ‚Was fand ich besonders gut?‘ tauchen immer wieder zwei Namen auf: Finkbeiner und Backstage.“ (Quelle)

Quelle: http://backstage.pms.ifi.lmu.de/img/comic_2.jpg

 

Auf zu den E-Learning Trends!

E-Learning-Trends“ lautet der Titel zur Konferenz am 28.4.2015, die der VCRP an der TU Kaiserslautern veranstaltet. Grundlage ist der jüngst erschienene Horizon Report, an dem sich die Konferenz inhaltlich orientiert. Fragen wie: Gibt es überhaupt neue Trends? Was bedeuten diese Trends für die Hochschullehre? Welche Grenzen gibt es?…

Hörenswerte Impulsvorträge halten Claudia Bremer zu den E-Learning Trends im Überblick. Zu videobasiertem Lernen wird Jörn Loviscach reden, Martin Lindner konnte für das Thema personalisiertes Lernen gewonnen werden und Christian Bürgy stellt Wearable Technologies vor. Eine spannende und informative Runde, die sicher auch zu kontroversen Diskussionen anregen wird.

Folgende Themen werden in der Konferenz konkret aufgegriffen:

  • Personalisiertes Lernen
  • Wearable Technologies
  • Videobasiertes Lernen
  • Flipped Classroom
  • OER & BYOD

Anmelden kann man sich online hinter folgendem Link: https://vcrp7.vcrp.de/vcrp/Anmeldung.jsp

Das Programm zur Konferenz findet sich hier: http://www.vcrp.de/index.php?id=768

Der Veranstaltungsort sowie Lageplan, Busanbindung etc. finden sich hier: http://www.vcrp.de/index.php?id=769

Handreichung zum Qualitätsmanagement in der wissenschaftlichen Weiterbildung

Im  Rahmen des Bund-Länder-Wettbewerbs: „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“ wurde eine weitere Handreichung zum Themenfeld: „Qualitätsmanagement in der wissenschaftlichen Weiterbildung“ veröffentlicht und steht als Download gratis zur Verfügung (Link: https://de.offene-hochschulen.de/fyls/398/download_file

Auf ca. 140 Seiten werden Qualitätsmanagementsysteme (Teil 1) Kompetenzorientierung und Qualitätssicherung (Teil 2) und Ergebnissicherung und Nachhaltigkeit von Evaluationen (Teil 3) besprochen und mit Praxisbezügen angereichert. Die Autorenschaft ist breit gefächert und arbeitet in vielfältigen Projekten, die durch den o.g. Wettbewerb gefördert werden.

mission possible

Quelle: http://www.hof.uni-halle.de/dateien/JPG/hof-hr6-missin-possible.jpg

Mit dem schönen Übertitel „Mission possible“ wurde das Beiheift zur Zeitschrift „die hochschule“ benannt. Der Untertitel gibt etwas mehr Auskunft: „Gesellschaftliche Verantwortung ostdeutscher Hochschulen: Entwicklungschance im demografischen Wandel“.

Das Thema, dass das Team Henke, Höhne, Pasternack und Schneider hier aufgreifen, ist hochaktuell und meines Erachtens nicht mehr nur für ostdeutsche Hochschulen von Interesse. Denn der demografische Wandel vollzieht sich in vielen Regionen Deutschlands, wenngleich eventuell schleichender, was jedoch auch gefährlicher sein kann. Und so lohnt sich sicher ein Blick auf die Strategien der Hochschulen zur Legitimation ihrer Existenz einerseits, als auch die deren Funktion für und Effekte auf die jeweiligen Regionen. Die demografischen Entwicklungen erlauben zwei Strategien: einerseits die Entkopplung von der regionalen Situation z.B. durch stärkeres Engagement im Segment des Online-/Distance-Learning oder andererseits durch eine klare Positionierung als Mitgestaltende in der Region und damit aktiver Teil der Problemlösung (vgl. Studie S. 8).  Bei zweitgenannter Strategie können Hochschulen durch ihre Expertise Innovationen in der jeweiligen Region stärken sowie Aufgaben für die Region übernehmen, für die sonst kaum noch Ressourcen bestehen (z.B. Bereitstellung von Infrastruktur, kulturelle Aufgaben…).

Durch die sich entspannende Studiensituation ab 2015 an westdeutschen Hochschulen fällt darüber hinaus eine weitere Quelle der ostdeutschen Hochschulen weg: der Zustrom an Studienanfängern aus den überfüllten Hochschulen westdeutschlands, was die Situation neben den regionalen demografischen Entwicklungen noch verschärft. Ebenso dürfte sich ein Kampf um Bildungsteilnehmende zwischen Hochschulen und Berufsbildungsanbietern entfachen. Wird dazu aufgrund ungünstiger Haushaltsfinanzen die Fächervielfalt an den Standorten eingedampft, entstehen weitere Risiken, „da ein empirisch nachgewiesener Zusammenhang besteht zwischen räumlicher Nähe zu präferierten Fächerangeboten und der  individuellen Neigung, ein Studium aufzunehmen bzw. für die Studienaufnahme im Herkunftsbundesland zu verbleiben. (Vgl. Schmid/Pasternack 2013: 436f.)“ (ebd. S. 13)

Vor dem Hintergrund, dass auch in westdeutschen Regionen zwar nicht vergleichbare, aber ähnliche demographische Entwicklungen bevor stehen, ist diese Veröffentlichung nicht ganz uninteressant (wie übrigens zahlreiche weitere Veröffentlichungen des Instituts für Hochschulforschung Halle-Wittenberg)

Für den geneigten Leser der Link zur hier nur knapp skizzierten Handreichung: http://www.hof.uni-halle.de/journal/texte/Handreichungen/HoF-Handreichungen6.pdf