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Gravenhurst – Black Holes In The Sand (2004)

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Gravenhurst ist so ein Phänomen am Musikhimmel – konsequent, mutig und unerhört einsam. So jedenfalls klingt die Musik und die Verkaufszahlen, wenngleich ihm der Vertrag bei Warp Records doch etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen lies (dass sich Warp längst nicht mehr als Anwalt elektronischer Musik sehen, sondern vielmehr die Innovationsantennen eines John Peel aufgesetzt haben, beweisen sie mit ähnlichen Acts wie Tortoise, !!! oder Jamie Lidell). Und wie auf fast jedem Gravenhurst-Album lotet auch hier wieder Nick Talbot die nicht ganz so stark leuchtenden Seiten seines/des Lebens genauer aus und bedient sich dabei den Elementen des Folk-Rocks ebenso sparsam souverän wie denen der elektronischer Genres. Für Fans von Hüsker Dü darüber hinaus ein Muss, da Gravenhurst hier den Song „Diana“ neu interpretieren.

Gravenhurst – The Western Lands (2007)

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Der Herbst wird schön

‚The Western Lands‘ ist ein ruhiges, aber sehr spannungsvolles Album mit mehreren echten Highlights geworden, das zum Ende hin leicht abflacht.

Mit “Saints“ ziehen einen Gravenhurst und insbesondere Nick Talbot mit seinem subtilen Gitarrenspiel und der wunderschönen Stimme sofort in ihren Bann. Wie Nebelschwaden, bloss ohne deren feuchte Kühle, umhüllen einen die Jungs aus Bristol mit ihrer Musik. Die poetischen und ausdrucksstarken Textpassagen wie beispielsweise „Maybe God is desperate too“ kommen so wirkungsvoll zur Geltung, dass ein Weghören unmöglich ist.
Der zweite Song “She Dances“ beginnt mit trockenem Achtelrhythmus und weckt bei mir mit den dissonanten Flageoletttönen Assoziationen zu The Cure. Nach einem Break wird das Thema der Gitarre vom Piano unterstützt und steigert sich weiter bis zum Einsatz einer dreckig verzerrten Gitarre, die nach dem finalen Akkord das Schlagzeug ähnlich einem pumpenden Herzen allein lässt – bis zum letzten Schlag.
Der grösste Ohrwurm des Albums ist der Song “Hollow Man“, der mit einem markanten Hauptteil in bester My Bloody Valentine-Manier loskracht. Darüber schwebt, leicht wie ein Schmetterling, eine melancholische Pianomelodie, die den Gesang (eigentlich fungiert der Teil als Refrain) ersetzt. Nach zwei Minuten verliert sich der Song im Chaos von Schlagzeug-Geboller und Feedbackorgien, bevor einen das Thema wieder packt und zielstrebig zum Schluss führt.

Auffallend ist immer wieder Nick Talbots feines Gespür für kleine Details, welche die grundsätzlich einfach instrumentierten Songs enorm stimmungs- und abwechslungsreich wirken lassen. Damit und mit seiner spürbaren Hingabe, hat er Ähnlichkeit mit Robin Proper Shepard (Sophia, ehemals The God Machine). Mit deren insbesondere in früheren Jahren teilweise erdrückenden Vezweiflung und desillusionierten Stimmung haben Gravenhurst dann aber doch wenig gemein, vielmehr strahlen ihre melancholischen Songs Hoffnung und eine Art raue Schönheit aus.

“Trust“ ist ein weiteres sehr schlicht gehaltenes Stück, das durch das Ausspielen seines Strophe/Refrain Melodiebogens eine feierliche, fast hypnotische Wirkung entfaltet. Darüber singt Nick mit bedauernder Stimme „Trust is a hard thing to come by“ und eine kratzige Gitarre mit viel Hall setzt markante Farbtupfer – toll gemacht.
Gleiches könnte man auch zum instrumental gehaltenen Titeltrack “The Western Lands“ sagen, der sich wunderbar steigert und ähnlich dem bereits erwähnten Schluss von “She Dances“ mit markantem Schlagzeug aufhört, die Wirkung ist hier jedoch eine völlig andere. Sie erinnert eher an die letzten Bilder eines jeden Lucky Luke-Comics, wo der Lonesome Cowboy auf Jolly Jumper der untergehenden Sonne entgegen reitet.
“Farewell, Farewell“, als letzter hier speziell erwähnter Song ist eine Coverversion von Fairport Convention. Das Stück ist deutlich psychedelischer als die übrigen des Albums. Nicks weiche hallbeladene Stimme schwebt über einen minimalen Schlagzeubeat, und im Hintergrund stopfen als Kontrast quietschende Gitarrenfeedbacks jedes Soundloch zu.

Obwohl die abschliessenden drei Songs des Albums das Niveau nicht ganz halten können, ist “The Western Lands“ eine wunderschöne und sehr empfehlenswerte Platte für alle Freunde sanfter und sorgfältig instrumentierter Töne geworden, die ausserdem genau in der richtigen Zeit des Jahres auf den Markt kommt. Für mich eine der besten Neuentdeckungen dieses Jahres (Michael Zuckschwerdt)“ (http://www.exitmusic.ch/rezensionen/neuerscheinungen/gravenhurst_the_western_lands.html)

Gravenhurst – Fires In Distant Buildings (2005)

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„Das mit der Gitarrenmusik bei Warp Records wird ja langsam schon zur Gewohnheit. Diesmal sind wieder Gravenhurst dran, die einst auf dem Höhepunkt des New Acoustic Movements von dem Label Silent Age Records losgeeist wurden, damit sich Warp auch mal mit etwas Folkmusik schmücken kann. Wenn man von Gravenhurst schreibt, dann meint das im Wesentlichen den Multi-Instrumentalisten und Songschreiber Nick Talbot aus Bristol mit mal mehr und mal weniger Verstärkung. Bei den Aufnahmen zu »Fires In Distant Buildings«, die erstmals nicht zu Hause, sondern im Studio stattfanden, bestand diese Verstärkung aus Dave Collingwood, der sich für die Drums verantwortlich zeichnet. Zusammen erweitern sie ihr vormals vom Folk geprägtes Spektrum um diverse Spielarten der Rockmusik. Die Plattenfirma nennt als zusätzliche Referenzen Slint und The Velvet Underground – und wenn man da noch Stereolab und Mogwai draufpackt, dann passt das als erste Standortbestimmung auch irgendwie. Das Besondere an Gravenhurst ist sowieso das Zusammenspiel der traurigschönen Musik und der reinen Stimme auf der einen Seite mit den abgründigen Lyrics auf der anderen. »Animals« etwa ist ein ungemein elegant und leicht arrangierter Folksong, in dem Talbot mit glockenheller, vollkommen ungerührter Jungenstimme davon singt, wie er jemanden zum Fluss lockt, um ihn dort je nach Laune zu ersäufen. Er selbst scheint dabei seltsam unbeteiligt und ist dadurch in seiner Wirkung nur noch intensiver und beängstigender. Ein großartiger, mächtiger Song. Auch sonst geht es auf dem Album recht gewalttätig zu. In der Hauptsache handelt es von dem Reiz der Gewalt und wie leicht man ihr erlegen ist. Düstere Themen, die von Gravenhurst auf immer neue, spannende Weise umgesetzt werden. Im Mittelpunkt steht die von einem Krautrock-Beat getriebene erste Single »The Velvet Cell«, die am Ende der ersten Albumhälfte nochmals als Reprise auftaucht und ungewohnt leicht und beinahe schon poppig rüberkommt – nur dass es hier um die Veranlagung zum Töten geht, die nach Ansicht Talbots in jedem Menschen steckt und wartet. Ansonsten gibt es neben klassischen, aber ungemein nahe gehenden Folksongs (»Animals«, »Nicole« und »Cities Beneath the Cities«) epische Stücke, die mit majestätischen Gitarrenwänden aufwarten, wie sie sonst nur Mogwai so gut hinbekommen (»Down River« und vor allem »Songs From Under The Arches«), zudem hypnotische, psychedelische Songs wie die fantastische, breit angelegte Coverversion des alten Kinks-Stücks »See My Friends«. Acht atemberaubend intensive Songs also, die sich zu einem brillanten Album fügen, das einen zu gleichen Teilen bezaubert/verstört und garantiert niemanden kalt lassen wird. Ein echtes Wunderwerk.“ (http://www.spex.de/1908/rezensionen.html)