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DJ Koze – Knock Knock (2018)

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Knock Knock – freundlich klopft DJ Koze mit seinem Album an. Er klingelt nicht sturm, er ruft nicht laut an der Tür. Nein: Knock Knock. Und wer es nicht hört, hat Pech gehabt. Lange Zeit klopfte er auch bei mir an. Immer mal wieder stolperte ich über das Album, über das sich alle Welt freute und hörte rein. Aber so richtig einlassen, konnte ich mich darauf nicht. Es klang zu flüchtig, beliebt, wenngleich auch gefällig und groovig. Es hat(te) keine richtigen Ecken und Kanten und flutschte mir so immer wieder zwischen den Fingern und Ohren durch. Ohne eigentlich zu bemerken, dass es doch genau DAS ist, was das Album so besonders macht.

DJ Koze braucht nicht den Bombast, die große Bühne (auch wenn er das kann, wie er in andere Projekten unter Beweis stellt), den Ohrwurm und den Hit. Aber jede Sekunde auf Knock Knock scheint wohlüberlegt worden zu sein und kommt bedächtig daher. Und wenn man (ich!) sich darauf einlässt, dann entfaltet dieses Werk eine unglaubliche Magie. Der Musikexpress schreibt zu diesem Werk richtig:

„KNOCK KNOCK versammelt eine Menge historisch belegbarer Stimmen, die wir so gut kennen, weil sie unsere musikalische Sozialisation geprägt haben.

Speech von Arrested Development, die Mitte der 90er den Sommer bespielt haben. Kurt Wagner von Lambchop, dessen Brummeln im Winter die Heizung ersetzte. José González, zu dem wir erst knutschten, dann weinten. Róisín Murphy, die uns zu guten Tänzern machte. Und Justin Vernon. Sie alle – und noch mehr – tauchen auf den Tracks von KNOCK KNOCK auf, sie dürfen sie selbst sein, aber sie geraten in diesen Koze-Strudel, der ihre Stimmen in diese unwirkliche Pampa-Welt entführt. Hier ist House psychedelisch, Funk ambienthaft, Pop unnahbar, Folk verloren, Shoegaze sexy.“

https://www.musikexpress.de/reviews/dj-koze-knock-knock/

Ein Bild für solch ein Album zu finden, ist schwer. Es ist zu sehr von einer andere Welt, sozusagen aus dem KOZEmus zu uns gekommen. Mich erinnert sowas an die futuristischen Bauten in Valencia, die ebenfalls vom „outer space“ zu sein scheinen….

Bild vom Oceaneum in Valencia
Lars Kilian: Seeing Aliens

Tunng – Good Arrows (2007)

Gute Pfeile gibt es immer mal wieder. Sei es bei Robin Hood, der sie für die Gerechtigkeit verschießt oder bei Amor im Auftrag der Liebe. Auch Tunng haben sie in ihrem Köcher bzw. auf ihrem dritten und vielfältigen Album nachgelegt, die man bei jedem Hören aufs Neue zu spüren bekommt . Sie verbreiten gute Laune, Leichtigkeit und Gelassenheit. Und bei jedem ihrer Songs glaubt man  Tunng sofort, dass sie die Guten sind. Aber wo viel Licht, da viel Schatten. Irgendwo in ihren bunten Arrangements des Folktronica verstecken Tunng „das Dunkel“, dass nur darauf lauert, den Hörer im heitersten und unachtsamsten Moment zu erschrecken. Also vorsicht!

„Ein bisschen Paul Simon und ein bisschen Bright Eyes, ohne altmodisch oder künstlich zu klingen – auf ihrem dritten Album haben Tunng den goldenen Schnitt zwischen poppigen Melodien, elektronischen Basteleien und folkig-melancholischen Stimmungen entdeckt. „Good Arrows“ ist ein Album, das bei jedem Anhören neue Facetten gewinnt. Zwischen den Wänden eines engen Kellers erschufen die Briten weite, verführerische Klangwelten.“ (Quelle: http://www.laut.de/Tunng/Alben/Good-Arrows-22068)

Dota & Die Stadtpiraten – Blech und Plastik (2005)

Blech und Plastik war das erste Album, das ich von Dota Kehr eroberte, wenngleich der >Hit< „Öffentlicher Nahverkehr“ hier gar nicht drauf war. Aber nach dem Song begann mich die Musik der Kleingeldprinzessin Dota zu interessieren, so das ich dann über dieses Album stolperte und mich festhörte. Tolle Songs, mit sehr guter Lyrik, Hintergründig ohne pädagogischen Zeigefinger. Dazu keine überkomplexen sondern gut gewählte und gespielte musikalische Arrangements. Das soll nicht heißen, dass musikalisch wenig zu erwarten wäre: Instrumente wie Banjo, Säge, Trombone, Trompete, Waschbrett oder Ukulele bereichern das übliche Repertoire an Instrumenten. Würde für mich irgendwie zu einem modernen Folkfest in Rudolstadt passen, Samstagabend im Heine-Park…
Auch dieses vierte Album erscheint konsequent auf dem hauseigenen Kleingeldprinzessin-Records, sicher mit dem zunehmend „selbstverschuldetem“ Erfolg von Dota und den Stadtpiraten ein gutes und für diese Gruppe passendes Geschäftsmodell.

Webseite von Dota: http://www.kleingeldprinzessin.de/

HELMUT – Polymono (2013)

Reinhören

Helmut wünscht sich eigentlich, dass sein Name in Großbuchstaben geschrieben wird. Da dies aber in der Netzsprache gern als Schreien interpretiert wird, und dies Helmut gar nicht gut stehen würde, soll der Verweis darauf genügen 🙂 Statt dessen sein auf die angenehm fragile Musik verwiesen, die gerade durch ihre Unaufdringlichkeit positiv auffällt. Luftige Gitarrenriffs treffen auf blubbernd Drumcomputer die von einem beruhigenden Singsprech begleitet werden. Und so passt und beschreibt der Titel des Albums auch irgendwie den Stil: Es ist Polymono. Vielschichtig in seiner Einfachheit, Reduziert auf Komplexes. Assoziationen an The Notwist & Co. kommen bei mir auf, ohne das Gefühl eines Plagiats mitzubringen, wobei Adrian Schull, der Kopf von Helmut, Referenzen wie George Orwell, Four Tet und Calvin & Hobbes als Inspirationen aufführt. Zitty, das Kölner Stadtmagazin, greift bei der Katalogisierung von Helmut in die Vollen, wenn es schreibt: „Hätten Radiohead und The xx ein gemeinsames Kind, es wäre wohl der geheimnisvolle Wahl-Neuköllner, der sich den seltsamen Namen Helmut gegeben hat“ (Quelle). Klingt doch hoffnungsvoll 🙂

The Books – Lost And Safe (2005)

Reinhören
Weihnachstzeit. Die Plätzchen sind gebacken und wohl schon fast von allen Tellern verzehrt… Und, waren sie lecker? Ich hoffe, doch! Wie die Plätzchen ein geschmackliches Gesamtvergnügen darstellen, die aus einer Vielzahl von Zutaten bestehen, von denen einige allein gar nicht schmecken würden, so ist die Musik von den Books zubreitet. Samples werden an- und übereinander geschichtet, Harmonien verbinden scheinbar zusammenhangsloses und Brüche überraschen die akustische Wahrnehmung, bevor es diese sich in Gefälligkeit breitmachen kann. Eine wirklich bemerkenswerte Gruppe, die nicht nur mit so vielen Sounds tüftelt und variiert, wie man es sonst von Matthew Herbert, Some More Crime oder Senor Coconut gewohnt ist. Zahllose, in die Soundstrukturen eingewobene Sprachfetzen – scheinbar entnommen aus Rundfunk- oder Filmsequenzen – führen mit sich oder dem Hörenden eigene bzw. eigenartige Dialoge. Dabei schaffen The Books trotz der ständigen Unruhe eine Wärme, wie sie mir von Lemonjelly, CocoRosie oder Notwist bekannt sind. Es ist eine unglaubliche Mixtur, die hier aufgefächert wird. „Experimental-Musik im Endstadium. Oder doch der Anfang einer neuen Sichtweise von Pop. Man hatte die Wahl“ (Quelle). Und ähnlich wie beim Essen der Kekse bleibt es jeder/m Einzelnen Überlassen, zu entscheiden, ob es schmeckt oder doch eine Brise zuviel Zimt genommen wurde… Aber probieren sollte man doch auf jeden Fall.

Offizielle Webseite

CocoRosie – Grey Oceans (2010)

Reinhören
Welche Farbe habene eigentlich Ozeane? Sind die wirklich grau? Ist das überhaupt wichtig? Denn, was zählt, ist der Trubel unter der Wasseroberfläche, der ja bekanntlich vielfältig, facettenreich und nicht unbedingt als gründlich erforscht gilt. Und so kann in dieser Welt jeden Tag was Neues entdeckt werden und in jedem Bereich des Ozeans herrscht anderes Leben und andere Gesetze. So, wie die Platte der französischen Schwestern CocoRosie.

Deren Welt war ja schon immer im Paralleluniversum in  direkter Nachbarscht von Alice im Wunderland und könnte eine wunderbare Filmmusik für einen zukünftigen Tim Burton Film abgeben. Diese Platte passt irgendwie nie und immer. Sie schmiegt sich an und sperrt sich zugleich. Und jedes Mal bietete sie sich an, neu entdeckt zu werden. Vertraute Melodien sind beim nächsten Hören irgendwie weg, statt dessen scheinen sich neue Rhythmen und Sounds auf die CD verirrt zu haben, die vorhin noch nicht da gewesen waren. Ein wirklich zauberhaftes Album, dass nie gefallen kann und nie gehasst wird, da es sich stets wandelt. Und wollte ich dieses Album eigentlich mal an einem Herbsttag mit in meinen Blog aufnehmen, so passt es auch wunderbar in den Sommer, genauso wie in den Frühling und den Winter. Es ist also wie in schweizer Offiziersmesser – für alle Lebenslagen gut, für den professionellen Einsatz ungeeignet. Aber das wollen CocoRosie wohl auch nicht sein, es sei denn, es geht darum, Profi im eigenen Spielzimmer zu sein, was sie wiederholt bewiesen haben.

Adem – Takes (2008)

Reinhören
Das dritte Album von Adem stellt wieder eine Auswahl feiner Songs dar, die Adem in der Zeit von 1991-2001 einatmete, verdaute und nun in seiner ruhigen, gefühlvollen Art hauptsächlich begleitet von Akustikgitarre wieder ausatmet. Somit hatten die Songs die nötige Zeit, die sie zum Reifen benötigen, fast wie ein guter Wein. Den  Gärprozess der Lieder in Adems Körper hört man deutlich heraus. Vieles erinnert noch ans Original, ohne genau bestimmen zu können, was es eigentlich ist. Muster kommen bekannt vor, hier und da erinnert eine Melodieführung an ewas schonmal gehörtes… aber was?

„‚Takes‘ beinhaltet ausschließlich Coverversionen, deren Auswahl auf einen exquisiten Musikgeschmack schließen lassen und das melancholische Indie-Herz hüpfen lassen. Eine zärtliche Hommage an seine musikalische Helden aus den Jahren 1991 bis 2001. PJ Harveys ‚Oh My Lover‘ nimmt der mit der gezupften Gitarre und klagendem Gesang die Aggressivität, Lisa Germanos ‚Slide‘ unterlegt er gefühlvoll mit Harmonium- und Pianoklängen, dEUS‘ ‚Hotellounge‘ wird zur leisen, mit der Violine ausgemalten Folknummer.

‚Starla‘ von den Smashing Pumpkins schwingt sich dagegen mit einem anhebenden Durcheinander aus Gitarre, Bass, Glocken und Percussion in etwas unruhigere Höhen, aber ohne den Hörer zu überfordern; im Instrumental ‚Gamara‘ von den Post-Rockern Tortoise vollführt er eine akustische Gitarrenakrobatik, die an José González erinnert.

Die Zurückhaltung dominiert auf ‚Takes‘, Adem reduziert die Songs aufs Wesentliche, ohne die Originale dabei aus den Augen zu verlieren. Die spannendste Transformation gelingt ihm wohl mit ‚The Cure A Weakling Child/ Boy Girl Song‘ von Aphex Twin, dem er mit Ukulele und Glockenspielen einen entzückenden Lo Fi-Charme abgewinnt und Björks „Unravel“, dessen sphärisch anmutendes Arrangement von seinem warmen Gesang aufgefangen wird.“

Also zurücklehnen, CD einlegen und einen guten Wein öffnen. Es lohnt sich in beiden Fällen.

Webseite von Adem zur CD: http://www.adem.tv/site/index.php?page=articles&article=86

Sparklehorse – It’s A Wonderful Life (2001)

Reinhören

Hm, eigenartig, über diese CD hier noch was zu Schreiben. Denn der Titel passt nun irgendwie gar nicht, hat sich Mark Linkous – Mastermind von Sparklehorse – doch 2010 von dieser Welt verabschiedet. Aber wer die Platte hört, der kann verstehen, warum das so ist. Neben aller Fragilität, den vielen zarten Tönen und Klängen die von der brüchigen Stimme von Linkous begleitet werden, schimmert neben Hoffnung auch der notwendige Hauch Morbidität, die wohl Linkous in sich trug. Und auch wenn diese Platte gern in das Genre der „melancholischen Herbstmusik“ einsortiert wird, kann man dazu auch wunderbar den Krokussen beim Wachsen zusehen. Das liegt vielleicht daran, dass gute Melodien eigentlich ganzjährig gehen… Ja, it is a wonderful life. R.I.P. Mark und danke für die Musik…

Sparklehorse – It’s a wonderful life (2) von titomor

Adem – Homesongs (2004)

Hörprobe
Habt ihr ihn schon bemerkt? Den kleinen weißen Lichtstreifen, der jeden Abend etwas länger am Himmel bleibt und von der Sonne, warmen Winden und schattigen Plätzen  an Seen kündet.

Der Bassist von Fridge, Adem Ilham, schreibt für diesen Lichtstreifen vielleicht Musik, um ihn zu locken. So entstanden hier wunderbare Homesongs am heimischen PC, bei denen alles, was Geräusche machen kann, wohldosiert und -gewählt aufgenommen und abgemischt wurde. Dazu zählen Glocken, Tasteninstrumente und akustischen Gitarre, Blockflöte, Stimme, Harfe, Harmonium, Bass, Percussion… Und viel Raum, damit sich alles entfalten kann um Mitsingzeilen wie „Everybody needs some help sometimes“ ganz nebenbei in die Gehörgänge zu pflanzen, auf dass sie dort den ganzen Tag hängen bleiben.

„“Homesongs“ sind zehn sehr intime, ruhige Stücke die in Ilhans Wohnung entstanden sind und auch eher Bett- statt Club-kompatibel sind. Die Produktion selbst ist im Studio ausgefeilt worden, allerdings bleibt die Technik versteckt unter Melodie und Atmosphäre. Wärme aber auch Einsamkeit, Nachdenklichkeit und dieses unwirkliche 3-Uhr-Morgens-Und-Ich-Bin-Noch-Wach-Gefühl wurden in einer seltenen Reinheit und Konzentration auf die CD gepresst, dass schon mal Gänsehaut aufkommen kann. Adem Ilhans markante und zugleich zurückhaltende Stimme trägt ihren Anteil dazu bei und verleiht den Songs die persönliche Note…. Als Fazit bleibt: Großartig! Aber eben nicht für jeden Geschmack und jede Stimmung geeignet. „Homesongs“ sind anspruchsvolle aber befreiende Kost, keinesfalls massenkompatibel und bestenfalls im heimischen Groß-Britannien bei einem speziellen Publikum erfolgreich. Wer bei RADIOHEAD oder COLDPLAY noch etwas die Geschwindigkeit zurückdrehen möchte oder sich noch etwas mehr Tiefgang/Intimität wünscht, muss auf jeden Fall reinhören.“

(Oder ist es der Lichtstreif, mit welchem sich der Sommer verabschiedet?)

Offizielle Homepage: http://www.adem.tv/site/


Adem "These Are Your Friends" von trunkanimation

The Album Leaf – A Chorus Of Storytellers (2010)

Hörprobe
Ein eigenartiges Album. Es stört nicht, wenn es läuft, bindet sich in den Raum ein und erst, wenn es vorbei ist, hierlässt es ein Gefühl der Leere. Und während es läuft, füllt es die Zimmer mit Wärme und Ruhe, so dass manreflexartig einen Tee kochen geht und die Kerzen anzündet. The Album Leaf findet seine musikalische Nähe bei vielen Bands, die aus den Ländern des Nordens auf sich aufmerksam gemacht haben. So verwundert es nicht, dass sie es zur Vorband von Sigur Ros „geschafft“ haben. Das Album wurde in Seattle aufgenommen und passenderweise in Reykjavik abgemischt. So „knistern zunächst die Notwist-Beat-Klettverschlüsse, schalten sich Gitarren-Hallräume, dann in aller Ruhe Zupffiguren, einzelne Orgeltöne und Slide-Gitarren, Glockenspiele und Klavierdreiklänge hinzu. Schließlich tropft hier alles in schwelgerisch verwirbelten Figuren ineinander und aufeinander zu, und spätestens die allzeit wimmerbereite Geige knotet eskapistische Kopfkino-Dauerschleifen daraus. Das ist sowohl ein sich stets wiederholendes Einmaleins in wohltemperierter Melancholie, als auch in all seiner offensiven Eleganz und verschämten Entschlossenheit viel zu gut interpretiert, um einfach darüber hinwegzugehen, -gleiten oder -fliegen.“ (http://www.plattentests.de/rezi.php?show=7239) Postrock 3.0, wie manche behaupten.