Ich weiß nicht, wer mir Low vor vielen Jahren empfahl. Aber es war Begeisterung aufs erste Hören. Ständig irgendwo zwischen Slowcore und Dreampop wandelnd, machten Low ihrem Namen alle Ehre mit diesem herrlich verschleppten Beats und oft verhallendem Gesang von Mimi Parker und Ian Sparhawk. Und über die Alben hinweg experimentierten sich Low stets weiter vor in ihren Soundstrukturen und überraschten mich jedes mal aufs Neue.
Aber seit dem Album „Ones And Sixes“ gab es einen deutlichen Schub in neue Dimensionen. Störungen, chaotische Verzerrungen, Disharmonien brachen auf, die zugleich von stets zarten und einfachen Melodien aufgelöst wurden, wie ein Unwetter im stürmischen Herbst, dass über einen her fegt und die Wolken doch immer wieder die Sonne durchlassen und man irgendwo einen Regenbogen sieht. Mit „Hey What“ gehen Low ihren Weg mutig, selbstbewusst und sicher weiter und loten diese Dimensionen in verschiedenen Facetten aus.
Nicht nur, dass „Hey What“ von mir sehnlichst erwartet wurde und deshalb an dieser Stelle als meine Musikempfehlung von November in Erscheinung tritt. Nein, vermutlich wird „Hey What“ wohl auch das letzte Album dieser Art sein , denn Mimi Parker verstarb leider diesen Monat. Damit ging eine für mich großartig kreative Musikerin, der mit diesem kleinen Post hier gedacht werden soll. „Hey What“ wirkt mit dieser Geschichte auf mich nochmals schwerer und bedeutungsvoller. R.I.P., Mimi Parker…
Ein Foto fand ich für „Hey What“, das mir passend schien. Beim Hören habe ich Assoziationen zur Suche nach Glück und Freude, die einem immer wieder durch die Hände gleitet, wenn man zu fest daran hält. Und manchmal ist es gar kein Glück und wenig Freude, was man bei der Suche findet – ähnlich dem „Bummeln gehen“ in Geschäftszeilen ohne wirklichen Bedarf . Man versucht, kurze Freuden zu kaufen, die innere Leere bleibt oder kommt schnell zurück. Und so ist die Suche nach dem Mehr vielleicht im Weniger zu finden… Die Schaufensterpuppen, die ich einst sah, finde ich hier passend. Als stets gleiche, wohlgeformte Repräsentanten der austauschbaren Mode, ausgezogen, kühl und abgewandt. Hat da wer „Hey What“ gerufen?
Die Mörder-Balladen waren für NIck Cave und seine Gruppe eins der größten Erfolgsalben. Vor allem der Song „Where the Wild Roses Grow“, ein Duett mit Kylie Minogue, begeisterte – wobei er sich musikalisch doch deutlich von den restlichen Songs unterschied. Dies bereitete wohl auch Nick Cave einige Bauchschmerzen, da das Video in den Musikkanälen hoch- und runtergespielt wurde und Cave Bedenken äußerte, dass die Leute vom Rest des Albums enttäuscht sein werden, wenn sie sich das Album kauften. Die Kritiker begeisterte das Werk jedoch ziemlich einstimmig – und das zu Recht. In diesem morbid dunkelsüßen Konzeptalbum geht es – surprise – um Balladen über das Morden. Nicht verwunderlich, dass sich hier Nick Cave mit und durch seine Art so genüsslich Breit macht. Geschichten über anonyme Mörder, Dialoge zwischen Mörder und Opfer und viele weitere Geschichten, die Cave in seinen musikalischen Psychogrammen auf- und abarbeitet. Keine Musik für das Lagerfeuer oder zum Einschlafen… Oder doch?
Gute Pfeile gibt es immer mal wieder. Sei es bei Robin Hood, der sie für die Gerechtigkeit verschießt oder bei Amor im Auftrag der Liebe. Auch Tunng haben sie in ihrem Köcher bzw. auf ihrem dritten und vielfältigen Album nachgelegt, die man bei jedem Hören aufs Neue zu spüren bekommt . Sie verbreiten gute Laune, Leichtigkeit und Gelassenheit. Und bei jedem ihrer Songs glaubt man Tunng sofort, dass sie die Guten sind. Aber wo viel Licht, da viel Schatten. Irgendwo in ihren bunten Arrangements des Folktronica verstecken Tunng „das Dunkel“, dass nur darauf lauert, den Hörer im heitersten und unachtsamsten Moment zu erschrecken. Also vorsicht!
„Ein bisschen Paul Simon und ein bisschen Bright Eyes, ohne altmodisch oder künstlich zu klingen – auf ihrem dritten Album haben Tunng den goldenen Schnitt zwischen poppigen Melodien, elektronischen Basteleien und folkig-melancholischen Stimmungen entdeckt. „Good Arrows“ ist ein Album, das bei jedem Anhören neue Facetten gewinnt. Zwischen den Wänden eines engen Kellers erschufen die Briten weite, verführerische Klangwelten.“ (Quelle: http://www.laut.de/Tunng/Alben/Good-Arrows-22068)
And Then We Saw Land Wer kennt sie nicht – diese kurze, unfassbare, schöne Zeit – ganz kurz vor dem Aufwachen und schon nach dem Schlafen. Ein Aufwachen, welches einen sonnigen Tag nach sich ziehen wird, wo es einen duftenden Kaffee ohne Hast gibt. Ein Aufwachen, dass beim ersten Blick lichtdurchflutetes frisches Grün von Bäumen zeigt… Das sind doch schöne Momente. Der Schlaf ist noch nicht weg und verbreitet noch ein wohlig-ruhiges Gefühl, aber schon bald geht es auf in einen Tag, der viel Gutes verspricht. So in etwas klingt für mich die Musik von Tunng. Und was der Titel an Optimismus verspricht, lösen die Songs ein. Immer gibt es Hoffnung, Licht, Freude, Zugewandtheit. Oder in der Metapher des Titels zu bleiben: Mit Hustle im Gepäck kann es wohl auf jede Schiffsreise gehen, ohne Angst vorm Kentern zu haben…
Schwierig, die Frage zu beantworten, ob es sich lohnt, dieses Album vorzustellen… Es ist, in heutigen Entwicklungszyklen gemessen, uralt, die Band gibt es nicht mehr und das Album dürfte auch nur schwer zu besorgen zu sein. Und dennoch überrascht die Platte immer wieder, wenn ich sie auflege – und ich kann nicht sagen, warum. Zwei Leute (Bryan Harvey & Johnny Hott) mit wenigen Instrumenten (Gitarre, Drums und etwas Percussion) schaffen es, einen sehr urigen und krautigen Sound zu erschaffen, der sich irgendwo am Folk-Pop zwischen R.E.M. (in der unpoppigen Phase :-)) und Tom Waits, Blues und Garage-Rock bewegt. Es wird viel geschrammelt, geraschelt, übersteuert und gekrazt, was wohl immer wieder meine Aufmerksamkeit erregt. Insofern passt auch der Titel, sind hier wohl einige unsichtbare Edelsteine versammelt, die immer wieder neu entdeckt werden wollen…
Reinhören Was ist eigentlich das schöne an den Platten von CocoRosie, dass ich gern immer noch eine mehr im Schrank haben möchte? Eine Frage, die ich mir selbst hin und wieder stelle. Ist es das verspielte der Lieder? Ist es der Überraschungsmoment, wenn wieder mal ein neuer Gegenstand, der wohl eigentlich nicht zum musizieren gebaut wurde, nun doch für einen Ton auf dem Album herhalten muss? Ist es die Freude über nie erwartete Melodien, verträumten SingSang oder der eine oder andere prominente Studiogast (hier übrigens wieder mit Gastauftritt von Antony), der die beiden Schwestern unterstützt? Ist es diese (verw)irrende akustische Reise in die Traumwelt der Beiden, zu der jedes Album einlädt? Es liegt wohl an allen zusammen und noch mehr… Wikipedia zu CocoRosie
Gravenhurst ist so ein Phänomen am Musikhimmel – konsequent, mutig und unerhört einsam. So jedenfalls klingt die Musik und die Verkaufszahlen, wenngleich ihm der Vertrag bei Warp Records doch etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen lies (dass sich Warp längst nicht mehr als Anwalt elektronischer Musik sehen, sondern vielmehr die Innovationsantennen eines John Peel aufgesetzt haben, beweisen sie mit ähnlichen Acts wie Tortoise, !!! oder Jamie Lidell). Und wie auf fast jedem Gravenhurst-Album lotet auch hier wieder Nick Talbot die nicht ganz so stark leuchtenden Seiten seines/des Lebens genauer aus und bedient sich dabei den Elementen des Folk-Rocks ebenso sparsam souverän wie denen der elektronischer Genres. Für Fans von Hüsker Dü darüber hinaus ein Muss, da Gravenhurst hier den Song „Diana“ neu interpretieren.
Im Nachgang darf man sich fragen, ob diese Könige wussten, was sie mit diesem Album auslösen würden? Eine regelrechte Welle neuer Lagerfeuerromantikmusik wurde ausgelöst und ein Erland Oye Hype sowieso. Akustikgitarrenhersteller und -händler dürften sich die Hände gerieben haben. Die britische Presse war auch schnell mit einem neuen Genre bei der Hand: New Acoustic Movement (http://www.indiepedia.de/index.php?title=New_Acoustic_Movement)
Aber wie dem auch sei: dieses Album trägt so viel Ruhe und Wärme in sich, dass es gar keines extra-Lagerfeuers mehr braucht. Und auf den Webseiten des BR („on3“) schaffte es dieses Album sogar in die Ruhmeshalle, auch wenn der Kritiker eigene Vergleiche einbringt: „Ihr Debütalbum hört sich an wie ein grün bestrichener Fensterrahmen in einem kleinen norwegischen Dorf. Irgendwie schon ein bisschen kitschig, aber trotzdem einer der schönsten Musikmomente des Jahrzehnts.“ (http://on3.de/element/172/ruhmeshalle-kings-of-convenience-quiet-is-the-new-loud#/element/172/ruhmeshalle-kings-of-convenience-quiet-is-the-new-loud)
Gern werden die Kings Of Convenience als die neuen Simon & Garfunkel genannt: ich würde es lieber andersrum sehen 🙂
Hörprobe Zugegeben, es hat ein wenig gedauert, bis auch mir die Kings Of Convenience glaubhaft machen konnten, das „Quiet The New Loud“ ist. Ich habe sie ein paar mal bei Freunden gehört und fand sie „nett“. Durch die Einzelprojete des Erland Øye, die mir griffiger waren und luftig daherkamen, wurde ich aber dann doch nochmal neugierig. Tja und so wandert nun wohl so langsam alles Material auch in meinen Plattenschrank. Riot On Empty Street ist das zweite Album, welches Erland Øye zusammen mit Erik Glambek Bøe geschrieben und veröffentlicht hat. Es ist getragen von klassichen Instrumenten und vor allem die Stimmen der beiden Musiker mit Unterstützung von Leslie Feist. Ganz ohne großen Bohei schaffen es die Beiden, eine sehr schöne Atmosphäre ins Wohnzimmer zu tragen und sowas wie, ich bitte im Vorfeld um die Benutzung dieses sonst eigentlich abwertenden Wortes, Lagerfeuerromantik zu verbreiten. Neben Instrumentierung und Gesang zeichnet sich die Musik vor allem durch Ruhe und Leichtigkeit als kompositorische Elemente aus. Das besondere Kunststück ist aber eigentlich, dass die Musik prädistiniert dafür ist, ins Langeweilige oder Belanglose abzudrirften. Aber genau das tut sich nicht… Das die Kompositionen aus dem eigentlich etwas frostigen Bergen in Norwegen kommen, hört man ihr nicht an. Und auch der Titel, ist irreführend. Von einem Aufstand ist in der Musik nichts zu spüren, es sei denn, dieser ist auf leeren Straßen immer so schön ruhig. Dann her damit.
Diese Songs gehören nicht in Plattenläden. Und schon gar nicht ins Internet. Sie gehören auf Flughäfen, kurz vor die Check-In-Schalter. Sie gehören auf Bahnhöfe, in den Wind einfahrender Züge, die nur ein paar Minuten später weiterrauschen werden, schneller und schneller. Sie gehören in Fernfahrerkabinen, zwischen Navigationssysteme, Raststätten-Baguettes und Gedanken, auf die es keinen Pfand gibt. Sie gehören in tollkühn schaukelnde Boote, die einen Pakt mit dem Pazifik geschlossen haben und vorbeitrudelnde Flaschenpost einfach weiterschwimmen lassen, weil das Briefgeheimnis auch auf offenem Meer gilt. Sie gehören an einsame Landstraßenränder, in güldene Gondeln und auf Gipfel, wo die Luft nicht dünner, sondern nur der Blick atemberaubender wird.
Chris Garneau singt für die Unaufhaltbaren. Sein Debüt-Album nannte er „Music for tourists“, und es verstand sich von selbst, dass damit keine Pauschalreisenden gemeint waren. Sondern Menschen, die ihr Gepäck in der Westentasche tragen und beide Hände frei haben. Um sie jemandem zu reichen, vielleicht sogar sich selbst. Ein warmherziges Harmonium eröffnet nun sein Zweitwerk „El radio“ – ein Morgentau-Panorama, ein paradiesisches Bild, eine Idylle. Wenn man Katharsis hören könnte, dann würde sie genau so klingen. In den Bäumen sitzen Streicher, die erst ganz behutsam das Blätterrauschen imitieren und schließlich ausschwärmen, würdevoll und frei. Nach zwei Minuten schlendert Garneau ins Bild; ein Statist, der innerhalb von Sekunden zum Protagonisten wird. Seine Stimme umgibt noch immer diese Aura jungenhafter Schüchternheit, aber man spürt: Er ist sich seiner Sache sicher.
Das Kuriose dabei ist allerdings, dass diese Lieder, die den Reisenden gehören, so vertraut, intim und nah klingen, als hätte Garneau sein ganzes bisheriges Leben an einem einzigen Ort verbracht. Als hätte er sein Songwriter-Nest noch nie verlassen. Als würde er, für den Fall, dass eine Idee anklopft, immer eine Angoradecke und eine Thermoskanne mit Rooibostee bereithalten, daneben ein Porzellanschälchen mit Kandiszucker und eine windgeschützte Kerze. „Sing a leaving song like you’re leaving“ – das sind die Worte, die aus dem Opener einen Schlüsseltrack machen. Man muss erst einmal begreifen, dass der Weg zwischen Herz und Kopf die wahre Weltreise ist. Garneau weiß das schon längst. Er hat das Ende des Anfangs und den Anfang vom Ende gesehen. Aber auch wenn die 13 neuen Songs hochemotional sind, wird es nie dramatisch oder gar theatralisch. Garneau behält stets die Fassung.
Für die Aufnahmen von „El radio“ hat der 26-Jährige sein Songwriter-Nest im New Yorker Stadtteil Williamsburg tatsächlich verlassen. Drei Monate lang war ein Haus am See in New Hampshire sein Refugium. Hin und wieder kamen Freunde vorbei, um Instrumente einzuspielen oder Backing Vocals zu singen. Ansonsten war da nichts außer Natur und den Launen der Jahreszeiten. Vielleicht hat er sein Album deswegen in Quartale dividiert: „April showers“, „Il fait chaud“, „In autumn“ und „Winter songs“. Bei Schubert hätte man wohl von einem Lieder-Zyklus gesprochen. Doch während die Stücke von „Music for tourists“ fast ausschließlich und in bester Kunstliedtradition von Klavierarrangements begleitet wurden, sind die neuen Songs wesentlich opulenter und origineller instrumentiert. Und mit „No more pirates“ kommt Garneau dem klassischen Popsong näher als jemals zuvor – inklusive Mariachi-Bläsern und einer groovenden Koalition aus Wurlitzer und Drums.
Für die „Dirty night clowns“ klimpert er eine linkisch rumpelnde Zirkusmelodie in die Manege, flankiert von einem dezent swingenden Kontrabass und Küchenuntensilien-Percussion. Es dauert nur eine halbe Minute, bis Streicher und Flöten das Szenario in Richtung Disney verschieben – und wieder zurück. Mehr Kammermusik, weniger Kummermusik. Vor allem „Fireflies“ sitzt der Schalk im Nacken, wie man es von Garneau nicht erwartet hätte. Aber natürlich gibt es nach wir vor auch die Zeitlupenmomente zum Innehalten: das schlichte und ergreifende „Raw and awake“ mit seinen andächtigen Posaunen, das glitzernde Piano-Instrumental „Black hawk waltz“ oder auch „Hands on the radio“, das stilistisch dem Debüt am nächsten kommt. Die „Hometown girls“ haben den Blues, „The cats & kids“ eine Spieluhr auf dem alten Fender Rhodes positioniert, und Garneau besitzt weiterhin die Gabe, Melodien zu schreiben, die zunächst unscheinbar wirken, aber schon bei der zweiten Begegnung engste Vertraute sind. Die gehören nun wirklich nicht in Plattenläden. Und schon gar nicht ins Internet. (Ina Simone Mautz)“ (http://www.plattentests.de/rezi.php?show=7056)