Mit Boulevard hat Ludovic Navarre (aka St. Germain) einen ziemlichen Kracher hingelegt und in der Mitte der 90er Jazz in neuen Spielarten ausgelotet. Die Verbindung mit Elementen elektronischer Musik, dem Beat des House und Dub erregte so viel Aufmerksamkeit, dass für das Nachfolgewerk sogar das legendäre Label Blue Note anklopfte! Das Album wurde als jazzigste Houseplatte oder houseigste Jazzplatte gefeiert. Ludovic Navarre nennt es einfach easy listening underground house music, den er da mit weiteren Musikern einspielt. Funktioniert im Club, in den Bars, im Auto und zu Hause und sicher auch auf dem Boulevard in St. Germain – da hab ich das Album aber noch nicht getestet… Auf nach Frankreich!
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Rhythm & Sound w/ Tikiman – Showcase (1998)
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Wieder eines der Alben, die wie „Silvester im CD Regal“ liegen. Einmal im Jahr kommen sie zum Vorschein und überraschen dann mit ihrer je eigenen Art. Bei Showcase ist es nicht wirklich ein Feuerwerk – da es sich hier um Minimal-Electro-Hyper-Dub handelt. Viel mehr ist es der dumpfe Donner, den man aus einiger Entfernung bei einem Feuerwerk hören kann und auch ohne Licht, Funkel, Sekt und Party weiß, das neue Jahr hat begonnen. Moritz von Oswald und Mark Ernestus legten hier 1998 ein Meilenstein der Musikgeschichte des Dub, den sie vielleicht selbst nie wieder erreichten. Die die Sounds begleitenden Vocals – von Gesang zu sprechen, wäre eindeutig zu viel – von Tikiman fügen sich hervorragend in dieses Konstrukt/Arrangement, dass sicher eines der Wegbereiter für Sounds wie TripHop oder Dubstep uvm. war. Ziemlich großartig – ich freu mich schon auf das nächste Silvester aus der Ferne…
Eine schöne Randnotiz, dass die fünf Songs jeweils von fünf Mixversionen von Burial (!) begleitet werden, der diesen Beat sehr eigen und trotzdem passend weiterverarbeitet…
The Orb – U.F.Orb (1992)
1992 lieferten The Orb mit U.F.Orb ihr zweites Studioalbum auf den Markt ab, dass es sogar auf Platz 1 der britischen Charts schaffte. In Erinnerung bleibt es u.a. durch den Titel „Blue Room“, der mit knapp 40 Minuten als längste Single in die Geschichte der UK Charts einging und den Hörern damals wohl einiges an Geduld abforderte 🙂
Das Album ist stark an den Ambientarbeiten von Brian Eno und dem Dub von Lee Perry orientiert und kehrt sich von der Tanzbarkeit ab. Angereichert mit zahllosen, aber nicht zufälligen, Soundschnipseln schaffen The Orb hier sowas wie ein Hörspiel, dem der Zuhörer in Gänze folgen und darin versinken kann, aber nicht muss. Genauso gut kann U.F.Orb auch beiläufig/im Hintergrund laufen und so dem Raum einen eigenen Anstrich verleihen.
Insgesamt m. E. eines der besten Alben von The Orb überhaupt und eines ihrer Visitenkarten.
James Blake – James Blake (2011)

Es ist schon erstaunlich, welches kreative Potential in manchen jungen Musikern schlummert. Und für mich noch erstaunlicher, dass sie den Mut haben, dieses auch auszuleben und sich nicht dem Mainstream anzupassen. The XX fallen mir aus der jüngeren Geschichte ein oder auch Sigur Rós. James Blake reiht sich für mich in diese Gruppe ein. Sein Erstlings- und Erfolgsalbum von 2011, er gerade so um die 22 Jahre alt, ist voll von eigentlich irritierenden Soundtüfteleien. Ein Verschnitt aus Dub und Elektro, viel Hall und sanft aber deutlich wabernder Bass, Melodien, die aufgrund ihrer Einfachheit schon fast wieder in Einzeltöne zerfallen. Darüber gern Störungen, Rauschen, Zurren… Und Texte, die mit wenigen Zeilen auskommen und durch die Variationen selbst zum Instrument werden, gerade wenn auf jedes Instrument verzichtet wird und sich der Gesang selbst genügt. Dazwischen viel Luft…
Dennoch, nein gerade deshalb, greift dieses Album. Es klingt vieles vertraut, aber aufgrund des Arrangements der einzelnen Sounds wird es neu – und damit in Summe auch sehr interessant. Trendsetter kann halt nur werden, wer die Pfade verlässt, ohne dabei ins Abseits zu wandern. Und die Musikästhetik von James Blake zeigt, dass weniger deutlich mehr ist.
Offizielle Webseite von James Blake: http://jamesblakemusic.com/
Dub Taylor – Experience (2003)
Der Name ist Programm: Dub! Und diesen mixt sich Alex Kruger mit Minimal Sounds, klar definiertem Bass und leichten, hier und da eingestreuten, Gesangsarrangementens zurecht. Eine einfache Rezeptur, die aber aufgeht. Klar definiert, wenig Schnick und Schnack, ist diese Musik für diejenigen gedacht, die einfach zappeln wollen. Dub Taylor schafft es dabei, Sounds zu konstruieren, die zwar einfach klingen, aber nicht trival/banal sind. Sie erinnern mich irgendwie an gutes Design, an Bauhaus. Form folgt Funktion. Eine klare Linie, gute Materialien und dennoch auch die Freude des Nutzers nicht aus dem Auge verlieren. Damit wird die Musik nicht nervig und stets gern wieder in den CD-Player geschoben.
Tosca – Chocolate Elvis Dub (1999/2004)
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…Nun startet sie wieder, die Adventszeit. Zeit für Tee, Lebkuchen und Schokolade. Wer Kalorien zählt, sollte wohl ein wenig aufpassen. Aber: Weihnachten ohne Schokolade ist irgendwie wie Fernwärme: sie heizt, aber wärmt nicht. Als eine Alternative zu den Kaloriensünden kann ich die „Chocolate Elvis Dubs“ von Tosca empfehlen. Ein Seitenprojekt von Richard Dorfmeister, welches hier mit großer Lässigkeit ein paar Dubs in das Zimmer bringt, die unaufgeregt sind, angenehm und nicht aufdringlich variieren und durch das ständige Wiederaufnehmen von Sprachsamples (Elvis höchstpersönlich?) durch die einzelnen Songs hindurch eine Kontinuität mitbringen, die für den Dezember passen – vergleichbar mit dem rituellen, allmorgendlichen Öffnen eines Weihnachtskalenders. Schöne Adventszeit!
Muslimgauze – Arabbox (1993/2003)
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Die Arabbox von Muslimgauze wurde bereits 1993 das erste und 2003 das zweite Mal veröffentlicht. Hintergrund dieses Album war der in der Zeit stattfindende Golfkrieg. Aus diesem Grund wurde das Album auch 2003 nochmals veröffentlich, da in dieser Zeit der zweite Golfkrieg begann. Das Album enthält die die Muslimgauze auszeichnenden perkussiven Elemente, die hier in etwas ruhigerer Manier den Rhythmus angeben und meines Erachtens für die frühen 90er eher ungewöhnlich bei Muslimgauze sind. Vielleicht liegt es daran, dass das Album live in einem Türkischen Bad in Manchester aufgenommen wurde und ein zu überzogenes Trommeln und Drehen an den Sequenzern in den Hallen zu ungewünschten Resonanzen geführt hätte?
Wie wohl fast immer in limitierter Edition (1000 Kopien), wobei hier die Mehrzahl genutzt werden sollte. Denn neben der „normalen“ Aufmachung gab es das Album auch in einer handgefertigten Metalbox (ltd. auf 500 Stück).
Weitere Infos zum Album beim Label Soleilmoon
Das Album bekam sogar eine eigene Webseite!
Vladislav Delay – Entain (2000)
Und schon wieder Musik aus dem Norden – heute aus Finnland:-). Endlich wurde ich auch bei diesem Album fündig und darf es nun in meine Sammlung sortieren. Vladislav Delay kann ja zu Recht als multiple Persönlichkeit in der Musikbranche bezeichnet werden. Wo sich andere für einen neuen Output abmühen nutzt er lieber Pseudonyme (z.B. Luomo, Sistol, Uusitalo und Conoco), um seine Produktionen unter das Volk zu bringen.
Mit Entain, seinem Zweitlingswerk als Vladislav Delay, schafft er in Titel gegossene wabernde, elektronische Flächen, die deutlich über der 15 Minuten Marke durch die Boxen fliessen. Im Gegensatz zu Werken anderer Ambientmusiker scheint ihm die Homogenität, zu der solche Musik verleitet, zu langweilen. Daher streut er hier und da ein paar Klicks ein, stört die angenehme Ruhe mit Blubbern und Fiepen (ohne jedoch anstrengend zu werden), verschleppt Töne, nutzt die Ruhe als gestalterisches Element… So gewinnt die Musik eine natürlich anmutende Anatomie, die Beliebigkeit auszustrahlen scheint, aber bei genauem hinsehen bzw. hinhören detailverliebt, individuell und überraschend ist.Begleitet wird sie von einen Basslauf, der scheinbar stets neben einem Takt sitzt das das organisch, warme Gefühl unterstreicht. Für den Rhythmus sind andere Töne verantwortlich, die einem Herzschlag eines fremden und scheuen Lebewesens ähneln mögen und nur hin und wieder durch das Dickicht der Sounds an das Ohr dringen…
Stardub – Cut And Paste (2001)
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Noch so eine Perle, die unauffällig im CD Regal liegt und es jedesemal schafft, beim Einlegen in den Player für Begeisterung zu sorgen. Gerade mit der jüngsten (und wieder abebbenden Welle des Dubstep) zeigt Stardub, wie Dub Anfang der 2000er definiert und dekliniert wurde. Aus den hintersten Ecken des Synthesizers hervorkriechende Bassläufe, die den Hörer in immer wärmeren Wellen umspülen. Eingewobene Samples, ein Hall hier und da und alles mit einer Spange aus purem Groove zusammengebunden. Minimal und dennoch voll, weniger ist hier mehr. Mit diesem Album hat Dubstar C-Rock einen schönen Meilenstein in den Tiefen des Klangozeans gesetzt. Sehr deep…
Muslimgauze – Alms For Iraq (2003)
Ein weiteres Album von Bryn Jones, aka Muslimgauze. Es wurde schon im Dezember 1995 aufgenommen, drei Jahre vor seinem frühen Tod, jedoch fand es erst 2003 den Weg in die Öffentlichkeit.
Wie bei seinen anderen Aufnahmen handelt es sich auch hier um ein muslikalisches Statement von Jones, welches nicht unpolitisch (aber religionsfrei!) ist. Auch wenn die Soundelemente und der Aufbau der Songs über die Albem hinweg mehr oder weniger ähneln, ist das Album hier schwer zu fassen. Elemente des Dubs treffen auf Ambient, Noise, Hall und Industrial, Originalsounds aus dem mittleren Osten in Form von Sprache und Musik werden untergemischt und alles wird durch die Mixer gejagt und entsprechend verfremdet. Das geht soweit, dass ich dieses Mal selbst nachschauen musste, ob meine CD defekt ist, da bei Song Nr. 1 teilweise ein Kratzgeräusch zu hören war, welches mir üblicherweise verrät, dass eine CD defekt ist. Die Muslimgauze typischen Starts und abrupten Unterbrechungen finden sich auch hier wieder.
Interessant auch dieses Mal das Cover der CD. In Größe eins DVD/VHS Covers mit einem Bild von Susilo Hadi ragt es doch deutlich aus der CD Sammlung hervor 🙂 Der Innenteil kann dreifach aufgefaltet werden und zeigt eine Reihe von Bildern aus Kampfgebieten des mittleren Ostens mit entsprechenden Zitaten wie: „The West won the world not by the superiority of its ideas or values or religions but rather by its superiority in applying organized violence. Westerners often forget this fact. Non-Westerners never do.“ (Samual P. Huntington, Harvard Professor & author)