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Sparklehorse – Good Morning Spider (1998)

Quelle: https://img.discogs.com/WEcW6QgY3rJPg5NwGLU35eq7otA=/fit-in/595×595/filters:strip_icc():format(jpeg):mode_rgb():quality(90)/discogs-images/R-2761824-1404136506-5026.jpeg.jpg

November, Spinnenzeit. Diese kleinen Nützlinge kommen wieder in die Wohnung, arbeiten heimlich an ihren Gespinsten und zeigen, dass draußen definitiv die kalte Jahreszeit angebrochen ist. „Good Morning Spider“, das zweite Album von Sparklehorse, passt da vom Titel und auch musikalisch gut. Aufgenommen im eigenen Heim mit diversen billigen Keyboards, die laut des Musikers eine Zillion unterschiedlicher Sounds produzieren. Dazu ein Mikrofon einer alten CB-Funkstation aus den 50er Jahren. Klingt nach einem sehr kreativen Umgang mit Tönen und Gesang? Ist es auch. Dabei jedoch liegt der Fokus auf dem Ausdruck der Sache – dass, was Kunst kann und soll. Während Bands wie z.B. CocoRosie oder Senor Coconut meiner Meinung nach auch deutlich hörbar ihrem Spieltrieb frönen (und das ist gut so!), klingt Sparklehorse für mich, als wäre er auf der Suche nach dem Ausdruck seiner Gedanken, Gefühle und Befindlichkeiten. Und diese waren nicht unbedingt heiter, wie das frühe Ableben von Mark Linkous leider belegt, aber durchaus kraftvoll und fragil zugleich, wenn ich mich nicht verhöre. Man hört den Kampf mit sich und der Welt: introvertiert und ruhig auf der einen Seite, experimentell und explosiv auf der Anderen. 

Herausragend für mich ist das Stück „Chaos Of The Galaxy / Happy Man“, das diese Vielfalt in sich trägt. Sounds, kommend und gehend, wie bei der Suche nach einem Sender bei einem analogen Autoradio. Dazu Knarzgeräusche, Fiepen, Blubbern. Und irgendwann, ja irgendwann kommt auch der Titel richtig rein, mit Bass und Mitten. Und da hört man Sparklehorse wiederholt singen: „All I wannt is to be a happy man“. Schade, dass Mark Linkous das wohl nicht mehr geschafft hat. R.I.P.

Meine Bildassoziation zum November, zum Album, zu „Happy Man“ Mark Linkous ist ein Foto aus Abano Terme. Ein Graffiti, das ich schon vor Jahren sah. Damals noch frisch gesprayt fand ich es schon ansprechend. Nun aber gewinnt es durch die Zeit, da sich die Maserung des Holzes wieder zeigt und dem Ganzen zum einen Leben, zum anderen aber Vergänglichkeit einhaucht. Das passt, wie ich finde, gut zum eigentlichen Motiv des Bildes – und zum hier in Erinnerung gerufenen Album.

(C) Lars Kilian: Happy Man (2021, CC BY SA 3.0 DE)

Ein Video zu Happy Man…

Psapp – Tiger, My Friend (2004)

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Quietschentchen und Fahradklingeln oder andere Dinge unserer Umwelt als Instrumente einzusetzen, ist nicht neu. Aber nicht jedem gelingt es, aus diesen Versatzstücken kleine Geschichten zu stricken. Psapp gelingt das ausgezeichnet. Mit einem akribischen Spieltrieb konstruieren sie mit diesem Erstlingswerk Hörwelten, die viel Platz zum Entdecken und interpretieren geben. Ein Gengre ist ihnen genauso fremd wie die Abgrenzung irgendwelcher musikalischen Mittel. Eine zauberhafte Märchenwelt, die sie hier präsentieren. Freunde von CocoRosie dürften sich freuen…

The Books – Lost And Safe (2005)

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Weihnachstzeit. Die Plätzchen sind gebacken und wohl schon fast von allen Tellern verzehrt… Und, waren sie lecker? Ich hoffe, doch! Wie die Plätzchen ein geschmackliches Gesamtvergnügen darstellen, die aus einer Vielzahl von Zutaten bestehen, von denen einige allein gar nicht schmecken würden, so ist die Musik von den Books zubreitet. Samples werden an- und übereinander geschichtet, Harmonien verbinden scheinbar zusammenhangsloses und Brüche überraschen die akustische Wahrnehmung, bevor es diese sich in Gefälligkeit breitmachen kann. Eine wirklich bemerkenswerte Gruppe, die nicht nur mit so vielen Sounds tüftelt und variiert, wie man es sonst von Matthew Herbert, Some More Crime oder Senor Coconut gewohnt ist. Zahllose, in die Soundstrukturen eingewobene Sprachfetzen – scheinbar entnommen aus Rundfunk- oder Filmsequenzen – führen mit sich oder dem Hörenden eigene bzw. eigenartige Dialoge. Dabei schaffen The Books trotz der ständigen Unruhe eine Wärme, wie sie mir von Lemonjelly, CocoRosie oder Notwist bekannt sind. Es ist eine unglaubliche Mixtur, die hier aufgefächert wird. „Experimental-Musik im Endstadium. Oder doch der Anfang einer neuen Sichtweise von Pop. Man hatte die Wahl“ (Quelle). Und ähnlich wie beim Essen der Kekse bleibt es jeder/m Einzelnen Überlassen, zu entscheiden, ob es schmeckt oder doch eine Brise zuviel Zimt genommen wurde… Aber probieren sollte man doch auf jeden Fall.

Offizielle Webseite

Readymade FC – Babilonia (2005)

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Da tummelt sich schon lang was in meinem CD Regal, was vorgestellt werden möchte, obwohl es eigentlich bekannt sein sollte. Readymade Macher Jean-Phillipe Verdin versammelt auf seinem Album Babilonia nicht nur wunderbare Sounds, die aus den Reichen von CocoRosie, Bodi Bill, Gregor Samsa und Geistesverwandten stammen könnten. Er schafft es auch, einige Größen der Szene ins Studio zu holen. So überraschen die Auftritte von David Sylvian, Yael  oder Feist, passen gleichsam wunderbar in die poetische Welt, die Readymade FC aufbaut. Verdin entführt den Hörenden in Traumwelten voller Fabel-, Fantasie- und Märchenwesen, die Musik möchte nur Harmonie, ohne dabei einfach dahin zu plätschern… Und wenn sie verstummt, hinterlässt sie eine Leere, ohne dass man weiß, was vorher diese Leere gefüllt hat.

Als ein Beleg der komplexen Genialität, die Readymade im Einfachen findet, soll das nachfolgende Video herhalten 🙂

CocoRosie – The Adventures of Ghosthorse and Stillborn (2007)

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Was ist eigentlich das schöne an den Platten von CocoRosie, dass ich gern immer noch eine mehr im Schrank haben möchte? Eine Frage, die ich mir selbst hin und wieder stelle. Ist es das verspielte der Lieder? Ist es der Überraschungsmoment, wenn wieder mal ein neuer Gegenstand, der wohl eigentlich nicht zum musizieren gebaut wurde, nun doch für einen Ton auf dem Album herhalten muss? Ist es die Freude über nie erwartete Melodien, verträumten SingSang oder der eine oder andere prominente Studiogast (hier übrigens wieder mit Gastauftritt von Antony), der die beiden Schwestern unterstützt? Ist es diese (verw)irrende akustische Reise in die Traumwelt der Beiden, zu der jedes Album einlädt? Es liegt wohl an allen zusammen und noch mehr…
Wikipedia zu CocoRosie

CocoRosie – Grey Oceans (2010)

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Welche Farbe habene eigentlich Ozeane? Sind die wirklich grau? Ist das überhaupt wichtig? Denn, was zählt, ist der Trubel unter der Wasseroberfläche, der ja bekanntlich vielfältig, facettenreich und nicht unbedingt als gründlich erforscht gilt. Und so kann in dieser Welt jeden Tag was Neues entdeckt werden und in jedem Bereich des Ozeans herrscht anderes Leben und andere Gesetze. So, wie die Platte der französischen Schwestern CocoRosie.

Deren Welt war ja schon immer im Paralleluniversum in  direkter Nachbarscht von Alice im Wunderland und könnte eine wunderbare Filmmusik für einen zukünftigen Tim Burton Film abgeben. Diese Platte passt irgendwie nie und immer. Sie schmiegt sich an und sperrt sich zugleich. Und jedes Mal bietete sie sich an, neu entdeckt zu werden. Vertraute Melodien sind beim nächsten Hören irgendwie weg, statt dessen scheinen sich neue Rhythmen und Sounds auf die CD verirrt zu haben, die vorhin noch nicht da gewesen waren. Ein wirklich zauberhaftes Album, dass nie gefallen kann und nie gehasst wird, da es sich stets wandelt. Und wollte ich dieses Album eigentlich mal an einem Herbsttag mit in meinen Blog aufnehmen, so passt es auch wunderbar in den Sommer, genauso wie in den Frühling und den Winter. Es ist also wie in schweizer Offiziersmesser – für alle Lebenslagen gut, für den professionellen Einsatz ungeeignet. Aber das wollen CocoRosie wohl auch nicht sein, es sei denn, es geht darum, Profi im eigenen Spielzimmer zu sein, was sie wiederholt bewiesen haben.

CocoRosie – Noah’s Ark (2005)

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„… Cocorosie zaubern sich weg von diesem Planeten und klingen, als würden sie ganz weit draußen im Weltall sitzen und dort ihre tragischen Lieder noch einmal singen, bevor diese Erde endgültig untergeht.

Arrogant quäkend oder beseelt flüsternd treiben Cocorosie durch ihren extravaganten Kosmos. Kindisch verarbeiten sie Choräle, Glockenspiele oder schlecht aufgenommene Beats zu einer wunderbar eigenwillig-folkigen Melange. Auf dem verwunschenen Weg zum Indie-Star helfen die – natürlich total angesagten – Buddies Antony, der auf „Beautiful Boyz“ einen der ganz großen Höhepunkte dieser Platte abliefert, und Devendra Banheart mit seinem Lautsprecher-Style auf „Brazilian Sun“ mit, „Noah’s Ark“ zu einer der schönsten und eigensinnigsten Platten des Jahres machen. Feinfühlig hangeln die Schwesterlein von einem komischen Song in den nächsten und zeigen erst nach einiger Zeit ihr wahres Gesicht und Können. Sie sind pathetisch, egozentrisch und schlichtweg herzergreifend. „Noah’s Ark“ kennt keine Grenzen: von Pferdewiehern bis hin zu Operngesang wird alles zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk arrangiert. Natürlich ist das alles hochgradig kalkuliert – wer sich aber darauf einlässt, der wird von diesen außergewöhnlichen Songperlen mühelos um den Finger gewickelt.“ (http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/c/cocorosie/noahs_ark/index.htm)

CocoRosie – La Maison de Mon Reve (2004)

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„Klingt wie ausgedacht: Zwei nach der Geburt getrennte Schwestern aus Brooklyn treffen sich in Paris, um fortan das süße Boheme-Leben zu genießen und in einem kleinen Apartment im 18. Distrikt wunderliche Musik aufzunehmen. Weiter erzählt die Legende, haben sich die beiden dort acht lange Monate eingeschlossen, um nur mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln und unter simpelsten Bedingungen ihre simultan zu den Aufnahmen entstehenden Lieder auf 4-Spur zu bannen. So bietet „La maison“ im Grunde simple Folksongs, die jedoch unterzugehen scheinen in einer Geräuschkulisse aus Türenquietschen, Telefonklingeln, Gesprächsfetzen, Verkehrslärm, Videospiel-Gefiepse, ratternden Spielzeug-Robotern, kratzenden Vinylplatten und verfremdeten Kinderstimmen.
Portishead, Björk oder Nicolette, minus Produktions-Budget, mögen da als Vergleich noch am ehesten herhalten, aber auch die Weltbedrücktheit einer Billie Holiday. Vielleicht sind auch nur schlechte Drogen im Spiel oder eine Geisterrepublik im Kopf. Auf jeden Fall wartet auf jede noch so liebliche Melodie an der nächsten Ecke eine Überraschung, und mit einer schrägen Idee wird alles Gehörte über den Haufen geworfen. Dazu passend diese Stimmen wie aus einem (Alp-)Traum, die wegtauchen ins Ungewisse und dem Lärm die Oberhand lassen oder auch mal nur zur Akustikgitarre traditionelle Americana-Weisen intonieren.
Ob das alles ironisch sein soll, wie die aufgemalten Schnurrbärte auf den Photos, ist letztendlich egal, wenn dabei so ein liebliches wie kaputtes, berauschendes wie zerrissenes – kurz: verblüffendes Etwas herauskommt.“ (http://schallplattenmann.de/a112073-Coco-Rosie-La-maison-de-mon-reve.htm)