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ClickClickDecker – Nichts Für Ungut (2006)

Quelle: https://shop.audiolith.net/media/image/product/369/md/clickclickdecker-nichts-fuer-ungut-cd-album_1.jpg

Sollte ich skeptisch werden, wenn meine Frau mir zugesteht, den Volume-Regler der Anlage doch mehr als üblich aufzudrehen, damit man die Musik noch in der Küche hört? Eigentlich nicht. ClickClickDecker ist das, was Reinald Grebe über sich behauptete: Massenkompatibel. Und zwar im Besten Sinne. Poetisch und inhaltlich volle Texte, von Gitarre getragene Musik, die Platz für allerlei weitere Instrumentierung und Elektrofrickelei lässt. Und eine Stimme, die mit Wärme und Heiserkeit zugleich von den Alltäglichkeiten des Lebens singt. Die besungenen Perspektiven überraschen, projizieren Bilder im Kopfkino und liefern gleich noch die Textzeilen, die den ganzen Tag im Ohr blieben können. Beispiele gefällig? (…) Die standen hier mal. Aber als Text allein scheinen sie jegliche Wirkung zu verlieren. Also: lieber anhören…

Die Musik von ClickClickDecker hängt sich auch beim Fotografieren in den Kopf und mein assoziiertes Foto zum Song „Der Ganze Halbe Liter“ entstand auf Malta beim Blick durch die Verglasung einer Bushaltestelle

Der Ganze Halbe Liter

ClickClickDecker – Den Umständen Entsprechend (2008)

Hörprobe
„Das werte Befinden

Wahrscheinlich muss man in einer Stadt mit einem großen Hafen wohnen, um Wasserstand und Wellengang des Lebens so präzise beobachten zu können wie Kevin Hamann. Vielleicht hilft es, jeden Tag vor Augen zu haben, dass Schiffe kommen und gehen; und mit ihnen eine Fracht, die am Ende niemand alleine wuchten kann. Irgendwann begreift man dann wohl, dass der wichtigste Muskel nicht der Bizeps, sondern das Herz ist – und das schlägt eben „Den Umständen entsprechend“: mal mit der stoischen Ruhe einer alten Wanduhr, mal im rasenden Takt einer verpassten Chance, mal im Kanon mit dem Schicksal oder im Gleichschritt mit der stolpernden Hoffnung. Aber immer für zwei.

„Es gibt nichts Schöneres / Als irgendwo mit Dir angekommen zu sein“ – so ein komplikationsfreier Satz wäre auf den ersten beiden ClickClickDecker-Alben „Ich habe keine Angst vor…“ und „Nichts für ungut“ beinahe undenkbar gewesen. Von rotwangigem Glück und blauäugiger Zuversicht kann jedoch auch dieses Mal überhaupt keine Rede sein. Das Leben prostet Hamann weiterhin mit dem Knobelbecher zu und begünstigt damit höchst interessante lyrische Lösungsversuche, die eigentlich gar keine sind. Sondern eher Betrachtungen zwischen Stühlen und Zeilen, zwischen Stirnbieten und Schulterzucken, Erkennen und Vergessen. Worte, denen ohne Musik nichts fehlen würde.

Das könnte man umgekehrt wiederum nicht behaupten. Denn trotz aller Liebenswürdigkeit sind diese zwölf Kompositionen in erster Linie Kulissen, und zwar altbekannte: die Freischwimmer-Gitarren, die man im Ohr hat, wenn man an Hamburg denkt, das Schlagzeug mit dem einfachen Gemüt, hier ein paar dezente Bläser, dort ein Glockenspiel und ein bisschen Elektronik – die noch ein bisschen weniger geworden ist, seit ClickClickDecker sich gemeinsam mit Der Tante Renate unter dem Namen Bratze ausgetobt hat. Mehr geworden sind dafür die Hits, allen voran das großartige „Dialog mit dem Tölpel“. Dieser Synthie-Hookline wird niemand widerstehen können.

Auch sonst hat sich auf Album Nummer drei einiges zum noch Besseren gewendet: Die Dramaturgie ist ausgefeilter, Hamanns Stimme flexibler, und die Instrumente sind dieses Mal sogar fast alle echt. Während das rasante „Händedruck am Wendepunkt“ den Verstärker glühen lässt, genügen „Im Halogen“ eine Akustikgitarre und ein außerordentlich heller Text. „Weil sie uns siezen“ entdeckt zwischen den schwarzen und weißen Klaviertasten die Graustufen der Adoleszenz, „Mit Naumanns Füßen“ singt ein bewegendes Lied vom Stillstand, und „Es fängt an wie es aufgehört hat“ ruft in Erinnerung, was alles möglich wäre, wenn man denn bloß die nötigen Schritte unternehmen würde: „Stell Dir mal vor / Wir schlagen Flammen ans Brandenburger Tor.“ Die Hoffnung geht zuerst an Bord. Und wenn alle Stricke reißen, ist es an der Zeit, endlich in See zu stechen. (Ina Simone Mautz)“ (http://plattentests.de/rezi.php?show=6382)