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Kristofer Åström – Sinkadus (2009)

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Einen Tag lang hab ich mich bewusst dem Album im Repeat-Modus ausgesetzt. Ein deutlicher Vorteil der CD gegenüber Vinyl, wobei das Album musikalisch wohl auf Vinyl besser beheimatet ist. Bislang lies es mich immer wieder aufhorchen, wenn es in den CD-Player gelangte und ich war leicht euphorisiert, ohne zu wissen warum. Eigentlich könnte man die Musik des Schweden als Lagerfeuer-Hintergrundmusik im besten Sinne (!) abhaken. Aber irgendwas ist hier anders. Es hat Kraft – ohne zu sehr zu rocken, Emotionen – ohne schmierig zu wirken, Poesie – ohne zu weich zu sein, eine hohe Dichte – ohne zu erdrücken. Und Kristofer Aström scheint viel Kreativität zu besitzen. Die sehr guten Songs werden gern an manchen Stellen zart aber bewusst gebrochen, um noch ein paar andere Soundskizzen anklingen zu lassen, die selbst das Potential haben, als eigenständige Nummern auf ein Album zu kommen. Allein um diese Anhängsel der musikalischen Skizzen ringt so manche Band auf Albumlänge, ohne vergleichbares produzieren zu können. Herr Aström wirft sie einfach hin und bereichert damit das Album um einie Facetten, da er sich damit vom klassischen Format Song-Pause-Song löst und etwas in der Art Intro-Song-Pause-Song1Song2-Song…. aufbaut. Dabei wirkt es dennoch homogen, stimmig und rund.

Neben der obligatorischen Akustikinstrumenten hat Aström auch die strombetriebenen Instrumente (wieder-)entdeckt und schafft es, diese wirklich gekonnt einzusetzen. Die dort angezapften Energien werden 1:1 an den Hörer weitergegeben. Eine gutes Werk, irgendwo zwischen Bright Eyes, Minor Majority und Madrugada verortet ohne wirklich da zu Hause zu sein.

Fazit: Es war ein guter Tag, als Kristofer Aström mich begleitete!
Kristofer Åström bei Wikipedia

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Gravenhurst – Black Holes In The Sand (2004)

Reinhören

Gravenhurst ist so ein Phänomen am Musikhimmel – konsequent, mutig und unerhört einsam. So jedenfalls klingt die Musik und die Verkaufszahlen, wenngleich ihm der Vertrag bei Warp Records doch etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen lies (dass sich Warp längst nicht mehr als Anwalt elektronischer Musik sehen, sondern vielmehr die Innovationsantennen eines John Peel aufgesetzt haben, beweisen sie mit ähnlichen Acts wie Tortoise, !!! oder Jamie Lidell). Und wie auf fast jedem Gravenhurst-Album lotet auch hier wieder Nick Talbot die nicht ganz so stark leuchtenden Seiten seines/des Lebens genauer aus und bedient sich dabei den Elementen des Folk-Rocks ebenso sparsam souverän wie denen der elektronischer Genres. Für Fans von Hüsker Dü darüber hinaus ein Muss, da Gravenhurst hier den Song „Diana“ neu interpretieren.

Kings Of Convenience – Quiet Is The New Loud (2001)

Hörprobe

Im Nachgang darf man sich fragen, ob diese Könige wussten, was sie mit diesem Album auslösen würden? Eine regelrechte Welle neuer Lagerfeuerromantikmusik wurde ausgelöst und ein Erland Oye Hype sowieso. Akustikgitarrenhersteller und -händler dürften sich die Hände gerieben haben. Die britische Presse war auch schnell mit einem neuen Genre bei der Hand: New Acoustic Movement (http://www.indiepedia.de/index.php?title=New_Acoustic_Movement)

Aber wie dem auch sei: dieses  Album trägt so viel Ruhe und Wärme in sich, dass es gar keines extra-Lagerfeuers mehr braucht.  Und auf den Webseiten des BR („on3“) schaffte es dieses Album sogar in die Ruhmeshalle, auch wenn der Kritiker eigene Vergleiche einbringt: „Ihr Debütalbum hört sich an wie ein grün bestrichener Fensterrahmen in einem kleinen norwegischen Dorf. Irgendwie schon ein bisschen kitschig, aber trotzdem einer der schönsten Musikmomente des Jahrzehnts.“ (http://on3.de/element/172/ruhmeshalle-kings-of-convenience-quiet-is-the-new-loud#/element/172/ruhmeshalle-kings-of-convenience-quiet-is-the-new-loud)

Gern werden die Kings Of Convenience als die neuen Simon & Garfunkel genannt: ich würde es lieber andersrum sehen 🙂

Noah And The Whale – The First Days Of Spring (2009)

Reinhören
Irgenwie irritiert der Titel, oder ist es schon zu lang her mit dem Frühling? Die Musik von Noah And The Whale ist sediert in einem See aus Melancholie. Sofort werden Erinnerungen an Sigur Rós wach. Hier und da gibt es Licht, dass immer wieder euphorisch aufscheint aber die Ruhe als solche nicht bricht oder brechen mag. Eigentlich müsste das Album für mich eher passend zur jetzigen Jahreszeit „Last Day Of Autumn“ heißen, mit dem goldenen Oktober und der sich anbahnenden rauheren Zeit mit Ofen, Kerzen und schwarz-weiss-Fotos vom letzten Sommer. Aber vielleicht ist das Album auch jahreszeitenlos schön. Allen zu empfehlen, die jetzt schon die dicken Socken rausgekramt haben und auf der Herdplatte eine heiße Schokolade zubereiten.

Offizielle Homepage

Wikipedia über Noah And The Whale

Noah And The Whale auf myspace und facebook

The First Days of Spring – A Film By Noah And The Whale from charlie fink on Vimeo.

Chris Garneau – El Radio (2009)

Hörprobe
„Heute hier, morgen dort

Diese Songs gehören nicht in Plattenläden. Und schon gar nicht ins Internet. Sie gehören auf Flughäfen, kurz vor die Check-In-Schalter. Sie gehören auf Bahnhöfe, in den Wind einfahrender Züge, die nur ein paar Minuten später weiterrauschen werden, schneller und schneller. Sie gehören in Fernfahrerkabinen, zwischen Navigationssysteme, Raststätten-Baguettes und Gedanken, auf die es keinen Pfand gibt. Sie gehören in tollkühn schaukelnde Boote, die einen Pakt mit dem Pazifik geschlossen haben und vorbeitrudelnde Flaschenpost einfach weiterschwimmen lassen, weil das Briefgeheimnis auch auf offenem Meer gilt. Sie gehören an einsame Landstraßenränder, in güldene Gondeln und auf Gipfel, wo die Luft nicht dünner, sondern nur der Blick atemberaubender wird.

Chris Garneau singt für die Unaufhaltbaren. Sein Debüt-Album nannte er „Music for tourists“, und es verstand sich von selbst, dass damit keine Pauschalreisenden gemeint waren. Sondern Menschen, die ihr Gepäck in der Westentasche tragen und beide Hände frei haben. Um sie jemandem zu reichen, vielleicht sogar sich selbst. Ein warmherziges Harmonium eröffnet nun sein Zweitwerk „El radio“ – ein Morgentau-Panorama, ein paradiesisches Bild, eine Idylle. Wenn man Katharsis hören könnte, dann würde sie genau so klingen. In den Bäumen sitzen Streicher, die erst ganz behutsam das Blätterrauschen imitieren und schließlich ausschwärmen, würdevoll und frei. Nach zwei Minuten schlendert Garneau ins Bild; ein Statist, der innerhalb von Sekunden zum Protagonisten wird. Seine Stimme umgibt noch immer diese Aura jungenhafter Schüchternheit, aber man spürt: Er ist sich seiner Sache sicher.

Das Kuriose dabei ist allerdings, dass diese Lieder, die den Reisenden gehören, so vertraut, intim und nah klingen, als hätte Garneau sein ganzes bisheriges Leben an einem einzigen Ort verbracht. Als hätte er sein Songwriter-Nest noch nie verlassen. Als würde er, für den Fall, dass eine Idee anklopft, immer eine Angoradecke und eine Thermoskanne mit Rooibostee bereithalten, daneben ein Porzellanschälchen mit Kandiszucker und eine windgeschützte Kerze. „Sing a leaving song like you’re leaving“ – das sind die Worte, die aus dem Opener einen Schlüsseltrack machen. Man muss erst einmal begreifen, dass der Weg zwischen Herz und Kopf die wahre Weltreise ist. Garneau weiß das schon längst. Er hat das Ende des Anfangs und den Anfang vom Ende gesehen. Aber auch wenn die 13 neuen Songs hochemotional sind, wird es nie dramatisch oder gar theatralisch. Garneau behält stets die Fassung.

Für die Aufnahmen von „El radio“ hat der 26-Jährige sein Songwriter-Nest im New Yorker Stadtteil Williamsburg tatsächlich verlassen. Drei Monate lang war ein Haus am See in New Hampshire sein Refugium. Hin und wieder kamen Freunde vorbei, um Instrumente einzuspielen oder Backing Vocals zu singen. Ansonsten war da nichts außer Natur und den Launen der Jahreszeiten. Vielleicht hat er sein Album deswegen in Quartale dividiert: „April showers“, „Il fait chaud“, „In autumn“ und „Winter songs“. Bei Schubert hätte man wohl von einem Lieder-Zyklus gesprochen. Doch während die Stücke von „Music for tourists“ fast ausschließlich und in bester Kunstliedtradition von Klavierarrangements begleitet wurden, sind die neuen Songs wesentlich opulenter und origineller instrumentiert. Und mit „No more pirates“ kommt Garneau dem klassischen Popsong näher als jemals zuvor – inklusive Mariachi-Bläsern und einer groovenden Koalition aus Wurlitzer und Drums.

Für die „Dirty night clowns“ klimpert er eine linkisch rumpelnde Zirkusmelodie in die Manege, flankiert von einem dezent swingenden Kontrabass und Küchenuntensilien-Percussion. Es dauert nur eine halbe Minute, bis Streicher und Flöten das Szenario in Richtung Disney verschieben – und wieder zurück. Mehr Kammermusik, weniger Kummermusik. Vor allem „Fireflies“ sitzt der Schalk im Nacken, wie man es von Garneau nicht erwartet hätte. Aber natürlich gibt es nach wir vor auch die Zeitlupenmomente zum Innehalten: das schlichte und ergreifende „Raw and awake“ mit seinen andächtigen Posaunen, das glitzernde Piano-Instrumental „Black hawk waltz“ oder auch „Hands on the radio“, das stilistisch dem Debüt am nächsten kommt. Die „Hometown girls“ haben den Blues, „The cats & kids“ eine Spieluhr auf dem alten Fender Rhodes positioniert, und Garneau besitzt weiterhin die Gabe, Melodien zu schreiben, die zunächst unscheinbar wirken, aber schon bei der zweiten Begegnung engste Vertraute sind. Die gehören nun wirklich nicht in Plattenläden. Und schon gar nicht ins Internet.  (Ina Simone Mautz)“ (http://www.plattentests.de/rezi.php?show=7056)

http://www.chrisgarneau.com/ – Offizielle Webseite

Chris Garneau bei myspace

Bodi Bill – No More Wars (2007)

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„Alex Amoon (Nonostar) und Fabian Fenk (Pantasz) sind Bodi Bill. Gemeinsam haben sie mit »No More Wars« ein Debütalbum aufgenommen, das sich elegant zwischen Clubkultur und Folkästhetik positioniert, ohne dabei der einen die Vorzüge der anderen abzusprechen. Eine wunderschöne Elektronikplatte, ein Tanz- und Höralbum voller berührender Songs und hitziger Tracks. Schwerelos flirren hier Rhythmussequenzen, nehmen sich Stimmen Zeit und Raum, werden Liebeserklärungen in Clubtracks verwandelt – und andersherum.

Ein raffiniertes Popalbum, gefüllt mit Elektronika, dickem Beat, leidenschaftlichem Songwriting und virtuosem Programming. Das Bodi-Bill-Debüt »No More Wars« lässt die elektronische Musik den Schleier der Unpersönlichkeit in einer platten Welt ablegen, sich selbst als organisch träumen. Bodi Bill zerren den Wald durch ihre Laptops und bauen daraus Beats, spielen klassische Streichinstrumente und singen, weil es ihnen ein innerstes Bedürfnis ist. Es entstehen Popsongs, die den Satten sagen, dass sie doch noch hungrig sind. Auf der Grundlage gesampelter Spaziergänge treffen synthetische Sounds auf Fieldrecordings und fallen hölzerne Beats in ungewöhnliche Räume. Räume, die sich öffnen und schliessen, zischen und knallen. Hier schreibt der Sampler ein Lied. Hier klingt der Baum tanzbar, streckt die Stadt ihre Finger nach ihrem grünen Umland aus. Foren entstehen, in denen vermeintliche Gegensätze ergreifende Verbindungen eingehen.“ (http://www.sinnbus.de/2008_01/content/sr020.php)
http://www.bodibill.de/ – Offizielle Webseite

Mark Hollis – Mark Hollis (1998)

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„Der Zerbrechliche

Mark Hollis erkundet meisterhaft die Ränder der Popmusik

So stellt man sich keinen Popstar vor: klein, dünn, abstehende Ohren, verschreckter Blick. Jetzt nur keine dummen Fragen stellen, sonst fällt er um. Dabei war Mark Hollis eine Größe der achtziger Jahre. Chef der New-Wave-Band Talk Talk, die eine ansehnliche Hit-Serie produzierte: von „Such a shame“ bis „The Colour of Spring“. Doch der Brite aus Nordlondon wollte nicht nur reich und berühmt sein, sondern auch Künstler. Mark Hollis dehnte und streckte den steifen, ungelenken Organismus seiner Popgruppe, ließ die Kompositionen weit über fünf Minuten hinauswuchern, verbannte die Drum Machine und mengte ungewöhnliche Klangfarben bei einen Triangel beispielsweise und einen großen, dicken Brummbaß, der das ganze Klangbild in Richtung Jazz schob. Die Plattenfirma war verzweifelt. Man gab Mark Hollis noch eine Chance und noch eine: Vielleicht würde er ja seine künstlerische Flausenphase überwinden, vielleicht rutschte ihm ja noch einmal ein Hit aus dem Ärmel.

Doch der Mann blieb stur: Immer zarter, immer weitmaschiger wurden seine Soundgewebe, bis das Vehikel Talk Talk sacht evaporisierte. Mark Hollis verstummte. – Jetzt, nach sechs Jahren der inneren Emigration, ist er wieder da. Eine Rückkehr, die an die anderen verwunschenen Prinzen der Popmusik und ihre gloriosen Comebacks erinnert: an Scott Walker, an Robert Wyatt. Bewohner des Elfenbeinturms, nur lose an die Moden und Torheiten der Gegenwart angebunden. Enigmatiker und Einzelgänger, die ihrem eigenen Zeitmaß gehorchen und keinen Druck von außen akzeptieren.

„Mountains of the Moon“ wollte Mark Hollis sein neues Album nennen. Doch selbst diese karge Chiffre war dem Sänger noch zu ausdrucksstark. Zuletzt blieb nur der Name des Künstlers auf der CD-Hülle. Keine Erklärungen, keine Fußnoten, die Musik soll sich selbst erklären. Es ist ein Klang, der der Stille abgetrotzt scheint. Einzelne Klaviertönemit viel Pedal, hingehuschte Flackerklänge. Die Stimme schwingt aus dem Nichts ein belegt, brüchig, gewinnt an Form und Volumen, um dann wieder im Instrumentengeflecht zu versickern.

Es gibt wenig harmonische Bewegung in der Musik von Mark Hollis: ein paar Akkorde nur wie im modalen Jazz des Miles Davis. Manchmal wird der Rhythmus drängender, das Becken zischelt aufgeregt. Wie Treibgut in einem gemächlich dahinströmenden Fluß schwimmen Soundpartikel vorbei: ein Blues-Seufzer der Mundharmonika, eine melancholische Phrase von der gedämpften Trompete, ein paar Tupfer eines Holzbläserensembles. Musik, die aus der Zeit herausgefallen ist, die aus vielen Epochen schöpft, ohne sich in einer niederzulassen. Nicht Folk, nicht Jazz, nicht Klassik, aber von allem naschend.

Ob Mark Hollis vom zeitgenössischem Pop beeinflußt ist? Von Postrock-Bands wie Tortoise, von Rhythmus-Experimentalisten wie Goldie? Voller Entsetzen reißt er die Augen auf, kommt ins Stottern. Kennt er nicht, hört er nicht, will er nichts mit zu tun haben. Er beschäftigt sich lieber mit Ravel, Debussy, Boulez, Stockhausen. Neuerdings auch mit Morton Feldman.

Der lange Atem, die Dramatik der Pausen, die Musik als letzte Geste vor dem endlosen Schweigen. Einfach zwei Mikrophone in einen leeren Raum stellen, die Atmosphäre einfangen, den Hörer hineinziehen. „Erst dann erlebt man, wie zerbrechlich Instrumente klingen können“.“ (http://www.zeit.de/1998/11/Der_Zerbrechliche?page=all)

Mark Hollis bei Indiepedia