Hörprobe
„Manchmal tun Musiker das Unerwartete und lösen doch Erwartungshaltungen ein. Befragt nach der veränderten Charakteristik des Sounds auf seinem neuen Album, antwortete Örvar Smárason von der Band Múm jedenfalls in eher unkonventionellen Metaphern: „It used to be all libraries and kids on bikes in the sun, but now the sound has melted into a valley with wooden electronic apparatuses in the middle and a tunnel.‘ Die zunächst durchaus erstaunliche Auskunft relativiert sich hingegen schnell durch die Zusatzinformation, dass es sich hier um eine isländische Band handelt. Denn in Island wird Normalität anders buchstabiert. Nach jüngsten Umfragen glauben dort 54,4 Prozent der Bewohner an die Existenz von Elfen, und normalerweise recht vernünftige Menschen beginnen allerorten schon mal über die Klänge von Geysiren und rauschenden Wasserfällen zu fabulieren, weil sie so fasziniert von der obskuren Geheimsprache sind, in der Sigur Rós ihre Lieder hauchen. Natürlich ist das etwas polemisch umschrieben. Und auch ungerecht. Schließlich haben Múm einen wirklich erhabenen Fluss dichter und zugleich lichter Musik aus der Abgelegenheit einer isländischen Bucht in die Welt entlassen. Oder viel besser: Mit den Mitteln hölzerner elektronischer Apparaturen, welche die Differenzen zwischen einem Cello, einem Glockenspiel und programmierten Klängen weich zeichnen, geben die Isländer der Welt das Gefühl ihrer eigenen Abgelegenheit zurück. Die Songs lösen sich während des Spielens in ätherische Gase auf, die weibliche Gesangsstimme zeugt in ihrem Schwebezustand von der Ankunft an Nicht-Orten, wo sie scheinbar von den Notwendigkeiten der Existenz befreit ist. Der Titel „Finally We Are No One‘ bezeichnet somit eine anzustrebende Finalität: das Entweichen, das sanfte Verflüchtigen. Allerdings findet das Entrücken auf einem der bürgerlichen Kultur nicht gerade unbekannten Terrain statt. Äußerungen der Band zufolge vollzieht und begleitet ihre Musik nämlich unergründliche Bewegungen der Innerlichkeit. Der Klang produziert imaginäre Filme und initiiert die Suche nach verlorenen Gefühlen und wiederzufindender Zeit. Da ist es vielleicht interessant zu erfahren, dass Island erst mit der Romantik für Europäer als Reiseziel attraktiv wurde. In einem Moment also, in dem die bürgerliche Kultur eine Wendung nach Innen vollzog und sich selbst als bürgerliche Kultur unheimlich wurde. (Sven Opitz)“ (http://www.amazon.de/Finally-We-Are-No-One/dp/B0000668TI)
Wikipedia zu Múm