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„In fast jeder Familie findet sich bekanntlich ein schwarzes Schaf. Würde man das auf Massive Attack beziehen, könnte man bei oberflächlicher Betrachtung meinen, die Alben „Blue Lines“, „Protection“ und „Mezzanine“ seien bestens gelungene Wunschkinder, das Remixalbum „No Protection“ hingegen ein außerehelicher Ausrutscher, bei dem ein Londoner Reggaeproduzent namens Mad Professor seine Finger oder was auch immer im Spiel hatte.
Dieser Vergleich ist keineswegs übertrieben, denn während die 3 offiziellen Massive Attack- Alben in den einschlägigen Medien unentwegt als Referenzplatten ihres Genres zitiert wurden, fand „No Protection“ in der Musikpresse relativ wenig Niederschlag und so konnte es im Prä-Internet- dominerten Zeitalter schon mal vorkommen, dass nicht einmal Massive Attack- Fans hierzulande von der Existenz dieser Platte ahnten.
Der Mad Professor, auf dessen Studiokünste bereits schon die Beastie Boys oder Jamiroquai vertrauten, ging mit ähnlicher Raffinesse wie die legendären jamaikanischen Dub – Produzentenlegenden King Tubby oder Lee „Scratch“ Perry ans Werk und formte aus Massive Attacks meisterhafter Vorlage eine überaus effektvolle massive Soundattacke, die den Hörer regelrecht in der Echokammer gefangen nimmt.
Der Opener „Radiation Ruling The Nation“, die Bearbeitung von „Protection“ gibt die Richtung vor: So manche Soundidee, die man bei der Originalversion eher am Rande und erst bei mehrmaligen Hören bemerkt, rückt nunmehr in den Mittelpunkt, gleichzeit werden die für das Original charakteristischen Gitarrensamples herausgefiltert, die Gaststimme von Everything But The Girl-Hälfte Tracey Thorns hingegen auf ein Minimum reduziert, der Bass bewegt sich fast schon in gesundheitsschädlichen Tiefen, dazwischen werden immer wieder diverse typische Dub-Percussionelemente, dosiert in Maschinengewehrsalven, in den Song eingestreut.
Diese Form der Re-Interpretation wendet der Mad Professor bei den übrigen 7 Tracks an, wobei das atmosphärische „Eternal Feedback“ („Sly“) und das großteils auf Sounds wie schweren Atemgeräuschen basierende „Backward Sucking“ („Heat Miser“) die herausragendsten Titel sind. Einzig bei „Bumper Ball Dub“, im Grunde „nur“ eine Instrumentalversion von „Karmacoma“, hat er einen Gang zurückgeschaltet hat, was aber darauf zurückzuführen sein dürfte, dass man das Original groovemäßiger eigentlich nicht mehr verbessern kann.“ (http://www.musicchannel.cc/index.php?page=http://www.musicchannel.cc/music_stories/1/801038)
Über diese beiden Platten (Protection & No Protection), bin ich erst auf TripHop, Dub & Drum&Bass gekommen. Bis dahin hörte ich nur „gute handgemachte Mucke“ (oder was ich dafür hielt). Danach war nichts mehr wie vorher und für mich tat sich eine komplett neue musikalische Welt auf.