Laurie Anderson – Life On A String (2001)

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„Laurie Anderson ist nicht zu kategorisieren. Die New Yorkerin begann als Bildhauerin, machte aber bald mit elektronischen Groß-Performances auf sich aufmerksam. Als sie einen Plattenvertrag mit Warner Brothers abschloss und gar 1982 mit „O Superman“ einen richtigen Hit landete, fand sie ein weit größeres Publikum, als es Avantgarde-Künstlern sonst gelingt, und sie konnte ambitionierte Werke wie „United States“ oder „Home of the Brave“ realisieren. Ihre erste Platte für das New Yorker Label Nonesuch „Moby Dick“ führte zu einem gigantischen Multimediaspektakel, mit Unmengen an Beteiligten, an Projektionswänden und Computern. Mit „Life On A String“ hat sie dieses Thema auf Klang und Text zurückgeführt. Es scheint, als seien ihr die Computer und technischen Geräte zu viel geworden. Seit langem ist sie wieder an ihrer Geige zu hören. Die Zeilen aus „Dark Angel“ sind programmatisch für die ganze CD: „Actually I can’t stand all the new machines, it’s supposed to be all brand new but it all looks the same“. Die Platte wird von einem ungewöhnlichen Streicher-Arrangement bestimmt, das Van Dyke Parks für Anderson geschrieben haben.

Immer noch verwendet Laurie Anderson die elektronischen Klänge, mit denen sie bekannt geworden ist. Hier stehen aber ganz bewusst die akustischen Passagen im Vordergrund. Gerade mit dem Cellisten Eric Friedlander hat Anderson schon fast klassisch anmutende Streichquartette geschrieben. Ist aber die Technik, die Anderson immer schon eingesetzt hat, jetzt auf einmal langweilig? Vielleicht beschreibt sie damit einen Widerspruch, in dem wir uns alle befinden. Wir nutzen die Technik jeden Tag und möchten uns doch von ihr lösen, unser Leben nicht von ihr dominieren lassen. Trotzdem ist die Technik in „Life On A String“ immer präsent. Es blubbert, es ziept in vielen Songs. Jedoch sind die digitalen Sounds sehr dezent und verweben sich mit den akustischen Instrumenten zu einem gediegenen Klangteppich. Die Grenze zwischen Analog und Digital ist fließend geworden. Laurie Andersons Violine, die auch immer schon elektronisch verfremdet wurde, klingt hier nach nichts Anderem als nach einer Violine. Die Stimme, die ihren Sprechgesang beibehalten hat, gewinnt an beeindruckender Präsenz.

Vielleicht ist die Melancholie und der Eindruck von Vergangenem auch eine Folge des Alters. Anderson ist inzwischen 53. Die Ikone der New Yorker Avantgarde Pop-Szene beschreibt in vielen Stücken das Leben und Vergehen und die Bedeutung von Zeit für die Menschen. Der Titelsong gibt mit den Zeilen „But me I’m looking, for just a single moment, so I can slip through time“ ein passendes Motto für diese CD. Sie ist wie die Geschichten in Herman Melvilles Roman. Die Suche nach Orten, nach der lebenden Insel. Auch hier ist jeder Song ein anderer Ort, eine andere Ortsbeschreibung. Die Stücke sind auf der Suche nach etwas, vielleicht der verlorenen Zeit. Laurie Anderson unternimmt diese Reise zusammen mit dem Zuhörer. Eindeutige Antworten auf all die Fragen nach dem Leben, dem Tod, der Zeit und der Bedeutung von Technik, kann auch sie nicht geben. In ihren Songs gibt sie Hinweise, legt falsche Fährten. Mit dieser CD, die man als Alterswerk der Künstlerin betrachten kann, zeigt sie aber auch, dass man ihre Songs als immer wieder überraschend wahrnehmen kann. Sie entwirft ein wahres Meer an überraschenden Klängen und Textzeilen. Auf dem Weg der Neuentdeckung begibt sich Anderson mit dieser Platte auf unbekanntes Terrain. Sie wird sie in kleinen Clubs vorstellen. Keine riesigen Leinwände, keine Multimediainstallationen. Nur sie und ein paar Musiker mit ihren Instrumenten. Sie versucht sich also als normale Musikerin, die mit einer Band tourt. Die Stücke haben auf jeden Fall das Potenzial, diese Reduktion zu tragen.“ (http://www.omm.de/cds/rockpop/laurieanderson.html)

http://www.laurieanderson.com/ – Offizielle Homepage von Laurie Anderson

http://de.wikipedia.org/wiki/Laurie_Anderson – Wikipediaeintrag zu Laurie Anderson

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