Herbert – Scale (2006)


Reinhören
„Matthew Herbert ist ein musikalisches Wunderkind – in ihm wohnen so viele kreative Kobolde, daß er in hundert verschiedenen Erscheinungsformen auftritt. Er veröffentlichte Platten als Doctor Rockit, Wishmountain, Radio Boy, Transformer, und das sind nur einige seiner ungezählten Pseudonyme.
Er produzierte Roisin Murphys Soloalbum Ruby Blue, außerdem remixte er REM, Björk, John Cale und Serge Gainsbourg. Für sein letztjähriges Album Plat du Jour sammelte er Geräusche aus dem Themenbereich „Essen“: wie hört es sich an, wenn 300 Menschen gleichzeitig in einen Apfel beißen und wie klingt ein Brathähnchen? Klingt es überhaupt irgendwie? Er sampelte das Rascheln von Corn Flakes und brachte Alufolie zum Tanzen, aber im Vordergrund stand weniger die verspielte Anhäufung von Klängen, sondern die Bewußtmachung der Herkunft von Nahrung. Deshalb werden auch unbequeme Aspekte wie Massentierhaltung thematisiert – diese skurrile und gleichzeitig hochpolitische Platte gehörte zu den interessantesten Veröffentlichungen des Jahres 2005 und lohnt die Entdeckung noch immer. Für das neue Album Scale nennt sich Matthew nur noch Herbert – die Reduktion beziehungsweise Konzentration auf den einen, eigenen Namen ist nur folgerichtig. Auf Scale spielt Herberts Songwriting wieder die bedeutendste Rolle, herausgekommen sind 11 Pop-Kleinode, die im besten Sinne zeitlos sind. Der Sound ist leicht und dennoch opulent ausgestattet – ein Kammerorchester erklingt, Holzbläser, Waldhörner und Big-Band-Musiker werden mit viel Liebe zum Detail eingesetzt. House und Jazz, Disco und Musicalmelodien gehen Hand in Hand, an den Vocals wird Herbert von Dani Siciliano, Neil Thomas und Dave Okumu unterstützt.
Scale ist Party und Soundtrack zugleich. Song Nummer drei, Moving Like A Train verbindet Herberts Liebe zu Prince und Fünfzigerjahre-Orchestrierung, Down und Movie Star sind absolut loungekompatibel. Doch der Opener Something Isn´t Right verweist darauf, daß man nicht alles, was man hier zu hören bekommt, auf die allzu leichte Schulter nehmen sollte …
Trotz der Burt-Bacharach- oder Gershwin-haften Leichtigkeit und der Ohrwurmqualitäten aller Songs ist Scale ein typisches Herbert-Produkt und deshalb versteht es sich beinahe von selbst, daß für die Aufnahmen ungewöhnliche Gegenstände und Sounds verwendet wurden (Särge, Benzinpumpen, ein Tornadobomber der Royal Airforce), die in Zwölfer-Gruppen aufgeteilt wurden – als Anspielung auf das westliche Skalensystem mit jeweils 12 Tönen. Die Skala, scale impliziert weitere Bedeutungen: den Maßstab, ein Medium zum Abmessen von Abständen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, den Kontrast zwischen persönlicher Befindlichkeit und dem Zustand der Welt und viele Deutungen mehr. Herbert wollte ein leichtes, poppiges Album machen, vordergründig ist ihm das gelungen – doch unterschwellig ist sie ebenso kritisch, nachdenklich und politisch geworden wie alles, was (Matthew) Herbert veröffentlicht.“ (http://www.satt.org/musik/06_07_herbert-mills.html)

http://www.herbert-scale.com/ – Webseite zum Album

http://www.matthewherbert.com/ – Herberts offizielle Webseite

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert