Gravenhurst – The Western Lands (2007)

Reinhören

Der Herbst wird schön

‚The Western Lands‘ ist ein ruhiges, aber sehr spannungsvolles Album mit mehreren echten Highlights geworden, das zum Ende hin leicht abflacht.

Mit “Saints“ ziehen einen Gravenhurst und insbesondere Nick Talbot mit seinem subtilen Gitarrenspiel und der wunderschönen Stimme sofort in ihren Bann. Wie Nebelschwaden, bloss ohne deren feuchte Kühle, umhüllen einen die Jungs aus Bristol mit ihrer Musik. Die poetischen und ausdrucksstarken Textpassagen wie beispielsweise „Maybe God is desperate too“ kommen so wirkungsvoll zur Geltung, dass ein Weghören unmöglich ist.
Der zweite Song “She Dances“ beginnt mit trockenem Achtelrhythmus und weckt bei mir mit den dissonanten Flageoletttönen Assoziationen zu The Cure. Nach einem Break wird das Thema der Gitarre vom Piano unterstützt und steigert sich weiter bis zum Einsatz einer dreckig verzerrten Gitarre, die nach dem finalen Akkord das Schlagzeug ähnlich einem pumpenden Herzen allein lässt – bis zum letzten Schlag.
Der grösste Ohrwurm des Albums ist der Song “Hollow Man“, der mit einem markanten Hauptteil in bester My Bloody Valentine-Manier loskracht. Darüber schwebt, leicht wie ein Schmetterling, eine melancholische Pianomelodie, die den Gesang (eigentlich fungiert der Teil als Refrain) ersetzt. Nach zwei Minuten verliert sich der Song im Chaos von Schlagzeug-Geboller und Feedbackorgien, bevor einen das Thema wieder packt und zielstrebig zum Schluss führt.

Auffallend ist immer wieder Nick Talbots feines Gespür für kleine Details, welche die grundsätzlich einfach instrumentierten Songs enorm stimmungs- und abwechslungsreich wirken lassen. Damit und mit seiner spürbaren Hingabe, hat er Ähnlichkeit mit Robin Proper Shepard (Sophia, ehemals The God Machine). Mit deren insbesondere in früheren Jahren teilweise erdrückenden Vezweiflung und desillusionierten Stimmung haben Gravenhurst dann aber doch wenig gemein, vielmehr strahlen ihre melancholischen Songs Hoffnung und eine Art raue Schönheit aus.

“Trust“ ist ein weiteres sehr schlicht gehaltenes Stück, das durch das Ausspielen seines Strophe/Refrain Melodiebogens eine feierliche, fast hypnotische Wirkung entfaltet. Darüber singt Nick mit bedauernder Stimme „Trust is a hard thing to come by“ und eine kratzige Gitarre mit viel Hall setzt markante Farbtupfer – toll gemacht.
Gleiches könnte man auch zum instrumental gehaltenen Titeltrack “The Western Lands“ sagen, der sich wunderbar steigert und ähnlich dem bereits erwähnten Schluss von “She Dances“ mit markantem Schlagzeug aufhört, die Wirkung ist hier jedoch eine völlig andere. Sie erinnert eher an die letzten Bilder eines jeden Lucky Luke-Comics, wo der Lonesome Cowboy auf Jolly Jumper der untergehenden Sonne entgegen reitet.
“Farewell, Farewell“, als letzter hier speziell erwähnter Song ist eine Coverversion von Fairport Convention. Das Stück ist deutlich psychedelischer als die übrigen des Albums. Nicks weiche hallbeladene Stimme schwebt über einen minimalen Schlagzeubeat, und im Hintergrund stopfen als Kontrast quietschende Gitarrenfeedbacks jedes Soundloch zu.

Obwohl die abschliessenden drei Songs des Albums das Niveau nicht ganz halten können, ist “The Western Lands“ eine wunderschöne und sehr empfehlenswerte Platte für alle Freunde sanfter und sorgfältig instrumentierter Töne geworden, die ausserdem genau in der richtigen Zeit des Jahres auf den Markt kommt. Für mich eine der besten Neuentdeckungen dieses Jahres (Michael Zuckschwerdt)“ (http://www.exitmusic.ch/rezensionen/neuerscheinungen/gravenhurst_the_western_lands.html)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert