Gibt es eine „Net Generation?“

(Quelle: http://www.cultkanaal.nl/Tech/google-bart.jpg)

Rolf Schulmeister stellt nun die dritte überarbeitete Version seiner Publikation mit dem Titel „Gibt es eine Net Generation“ online, gratis und zur Weitergabe im Netz zur Verfügung. Unter der Adresse http://www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/schulmeister_net-generation_v3.pdf kann das Dokument gelesen werden.

In dem Werk stellt Schulmeister in einem ersten Kapitel Propagandisten der Net Generation wie z.B. Tapscott, Opaschowski oder Palfrey und Gasser vor um anschließend Generationen-Konzepte zu besprechen. Interessant ist auch der Teil über Empirische Untersuchungen zur Mediennutzung allgemein und der Mediennutzung von Jugendlichen im Besonderen.

Nach Analyse der Befunde stellt Schulmeister (vielleicht ein wenig ernüchternd) fest: „In dem so beschriebenen Bild der jugendlichen Aktivitäten ist nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die Tatsache, dass heute andere Medien genutzt werden als in früheren Zeiten rechtfertigt es nicht, eine ganze Generation als andersartig zu mystifizieren. Im Gegenteil, die Generation, die mit diesen neuen Medien aufwächst, betrachtet sie als ebenso selbstverständliche Begleiter ihres Alltags wie die Generationen vor ihr den Fernseher, das Telefon oder das Radio.“ (ebd. S. 149)

Für alle, die es eilig haben, gibt es noch eine Zusammenfassung in neun Thesen aus dem Buch (ebd. S. 148f):
„1. Die Beschäftigung der Kinder und Jugendlichen mit Medien ist nur ein integrierter Teil ihrer gesamten Freizeitaktivitäten, deren primäres Ziel das Gewinnen von Freundschaften und das Zusammensein mit Freunden ist. Wer seinen Fokus ausschließlich auf die Medien richtet, kann diesen wichtigen Bezug zur Sozialisation der Jugendlichen übersehen.

2. Selbst wenn wir nur die Mediennutzung betrachten, müssen wir feststellen, dass die klassischen Medien wie Fernsehen und Film (Video) bei den Jugendlichen Priorität haben und die reine Unterhaltungsfunktion der Medien noch nicht obsolet  geworden ist. Interessant ist, dass Musik hören als mediale Beschäftigung stark aufgeholt hat, vor allem bei den Mädchen, was dem iPod und seinen mp3-Verwandten zu verdanken ist, d.h. der Tatsache, dass das Musikvergnügen ubiquitär zu genießen ist.

3. Aus einer sozialisationstheoretischen Perspektive heraus besonders interessant sind die leider bisher wenigen Beobachtungen, dass die Gewichte der Aktivitäten sich während der Entwicklung der Jugendlichen verändern, dass z.B. die Rolle der Zeitschriften mit dem Alter zunimmt, in dem es gilt, sich ansprechende Idole zu sichern.

4. Schlüsselt man den Umgang mit Computer und Internet nach Funktionsarten auf, so wird erstens deutlich, dass die klassischen Medien Musik und Film erneut mit substanziellen Anteilen vorkommen, und dass zweitens die dominanten Funktionen Email, Chat, Internet-Telefonie sowie das Aufsuchen von Community-Websites deutlich machen, dass ein Gutteil der Computernutzung der Kommunikation und der Kontaktpflege dient und den ebenfalls gestiegenen Gebrauch des Mobiltelefons unterstützt.

5. Fasst man Freizeitziele, Ziele des Mediengebrauchs und Intentionen der Computernutzung zusammen, so zeichnet dieses Ensemble sozialer Aktivitäten ein Fazit: »The Internet just is« durchaus traditionelles Bild vom Prozess des Erwachsenwerdens. Freundschaften pflegen und mit Peers kommunizieren sind seit jeher die wichtigsten Sozialisationsziele gewesen. Unterhaltung und Spiel als Beschäftigung für Gruppen, aber auch in Phasen des Alleinseins, stellen ein nützliches und sinnvolles Mittel für soziale Aushandlungsprozesse, für den Erwerb von Regeln, für die kognitive und emotionale Auseinandersetzung mit Aufgaben und Problemen dar.

6. Differenziert man sowohl nach den Aktivitäten als auch nach Alter der Kinder und Jugendlichen, so wird eine Entwicklung von Interessen und Einstellungen erkennbar, die ein durchaus klassisches Bild von der Sozialisation der Jugendlichen zeichnet, vom solitären Spiel zur sozialen Kommunikation.

7. Differenziert man die Daten nach mehreren Kriterien und analysiert sie mit multivariaten Methoden, so ergeben sich Differenzierungen der Jugend in Subgruppen, die sich hochgradig nach Nutzungsfrequenz, Nutzungsmotiven und Kompetenzen unterscheiden. Viel wichtiger ist aber, dass diese Differenzierungen auch ein deutliches Bild davon entwerfen, wie sich Mediengebrauch und Medienkompetenz nach ethnischer und sozialer Herkunft unterscheiden. Die digital Divide wird nicht aufgehoben durch die ubiquitäre Verfügbarkeit der Medien.

8. In dem so beschriebenen Bild der jugendlichen Aktivitäten ist nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die Tatsache, dass heute andere Medien genutzt werden als in früheren Zeiten rechtfertigt es nicht, eine ganze Generation als andersartig zu mystifizieren. Im Gegenteil, die Generation, die mit diesen neuen Medien aufwächst, betrachtet sie als ebenso selbstverständliche Begleiter ihres Alltags wie die Generationen vor ihr den Fernseher, das Telefon oder das Radio.

9. Ein Transfer der durch den Umgang mit dem Computer erworbenen Kompetenzen auf das Lernen scheint noch nicht – oder zumindest nicht in dem erwarteten Maße – stattzufinden. Die Benutzung des Computers sowohl für die Schulaufgaben als auch für das Studium in der Universität wird nüchtern als Mittel zum Zweck betrachtet.“

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