„Gabriel Fauré ist unter den französischen Komponisten in Deutschland eher unbekannt geblieben und doch hatte er für die moderne Musik des 20. Jahrhunderts einige Bedeutung. Er war Schüler von Camille Saint-Saens und unterrichtete unter anderem Maurice Ravel, Charles Koechlin und Nadja Boulanger. Seine Lebenszeit reichte musikgeschichtlich von Liszt und Brahms bis hin zu der atonalen Epoche um Schönberg, Berg und von Webern.Fauré war Chorleiter und später Organist an der Madeleine in Paris, einer Kirche, die nicht unbedingt durch ihre Schönheit besticht. Der klassizistische Bau irgendwo zwischen dem Place de la Concorde und dem Montmartre hat etwas von einer zu groß geratenen Friedhofskapelle und Fauré hat seinen Dienst in dieser Kirche nicht immer mit der allergrößten Freude versehen.
Fauré mußte den Chor der Madeleine unter anderem bei Beerdigungen und Totenämtern dirigieren und die Orgel spielen. Sein Chor war ein Knabenchor, nicht gerade groß, er umfaßte vielleicht 20 – 30 junge Sänger. Sein Requiem wurde bei einer solchen Beerdigung uraufgeführt, es war das Begräbnis eines angesehenen Architekten, und nach der Aufführung fragte ihn der Vikar der Madeleine, von wem das Stück sei. Fauré gab zu, die Komposition wäre von ihm – der Vikar gab zurück, er solle von solchen Experimenten lassen, das Repertoire der Madeleine sei reich genug, man bräuchte sein Stück nicht.
Fauré schrieb später, er habe bei den vielen Totenämtern das Standardrepertoire an Trauermusik so ausgiebig gespielt, er wolle etwas Neues, etwas anderes schaffen mit seinem neuen Requiem. Er sagte auch später, daß er das Stück für sich komponiert habe, nicht wie Verdi für die Totenfeier des Dichters Manzoni oder Mozart im Auftrag eines verhüllten, aus dem Jenseits kommenden Boten. Einzig der Tod seiner Eltern könnte für ihn den Ausschlag gegeben haben, so wie es für Johannes Brahms der Tod Robert Schumanns im Wahnsinn war, der sein Deutsches Requiem hervorbrachte.
Faurés Requiem ist anders als die vielen Requienvertonungen seiner Zeitgenossen. Es ist anders in seiner Musik und seiner inhaltlichen Konzeption und es will anders angehört werden. Fauré scheint in seinem Herzen ein Kammermusiker zu sein und er hat für die Kammermusik Frankreichs unendlich viel getan. Sein Requiem ist in diesem Geist konzipiert, es wurde geschrieben für einen kleinen Chor und Orgel. Einige wenige Instrumente fügen Farben hinzu, es sind die tiefen Streicher, die Harfe, wenige Holzbläser, Hörner, Posaunen. Alle anderen Instrumente werden nur gelegentlich verwendet oder können, wenn man wie John Rutter die originale Orchesterbesetzung versucht zu rekonstruieren, ganz weggelassen werden, ohne Verlust an musikalischer und klanglicher Substanz. Offenbar durften Chorknaben bei den Aufführungen diese im Stück selten verwendeten Instrumente bedienen.
Fauré hat nicht den gesamten Text der Totenmesse vertont. Er verzichtet u.a. auf das „Dies Irae“, das himmlische Strafgericht und die Androhung der Höllenqualen. Das muß, wie Nadja Boulanger berichtet, für die Amtskirche seiner Zeit ein Skandal gewesen sein, entfiel doch in diesem Werk ein Druckmittel der Kirche, mit dem das gemeine Volk in Angst vor der himmlischen Strafe und damit gefügig gehalten werden konnte. Faurés Bild vom Jenseits ist eine friedvolle und angenehme Vision, ein wenig französisch parfümierter Himmel, aber ein Himmel, der allen Fegfeuerschrecken verloren hat. Fauré kannte die Theatereffekte, mit denen Berlioz sein Tuba Mirum gestaltete und er hielt wenig davon.
Fauré wollte ein intimes, fried- und liebevolles Requiem schreiben. „Es ist so sanftmüfitg wie ich selbst“, sagte er im Jahre 1900 und später erläuterte er, daß er den Tod „nicht als ein schmerzliches Erlebnis, sondern als eine willkommene Befreiung, ein Streben nach dem Jenseits ansehe. Er habe instinktiv versucht, dem zu entfliehen, was man allgemein für richtig und angebracht hielt. Nach all den Jahren, in denen ich Begräbnisgottesdienste auf der Orgel begleitet habe, kenne ich alles auswendig! Ich wollte etwas anderes schreiben.“
Fauré ist in seinem Requiem extrem ökonomisch in der Verwendung der musikalischen Mittel. So wie in diesem Werk komponiert man für gewöhnlich in der Kammermusik. Die dynamischen Kontraste sind gezügelt, die Klangfarben fast impressionistisch changierend und gedämpft, es ist defensive und sehr feinfühlig empfundene Musik.“ (http://www.musicanera.de/faure.htm)