Laura und Kathie nahmen mich also mit von ihrem Wochenendtrip in die Berge. Ich wollte jedoch nicht gleich nach Anchorage, sondern eigentlich nochmal mein Glück in Portage wagen und den Portage-Lake besichtigen. Weiterhin war Portage eine gute Station, um einen Abstecher nach Whittier zu machen, einem Städtchen am Prince William Sound mit massig Gletschern… (aber davon im nächsten Kapitel).
Wir fuhren los und es war herrlich, auf dem Rücksitz eines alten Subaru die Landschaft zu genießen, im Fond die beiden Frauen, dauerlachend natürlich. Dann entschieden die beiden wohl, was das nächste Ziel für mich wäre. Für Whittier wäre es zu spät, aber Cooper Landing und der Cooper Lake wären ein Superplatz für einen Kurzaufenthalt. Dort sollte ich mal vorbeischauen und morgen weiter nach Whittier. Ich willigte ein, kannte ich mich doch sowieso nicht aus und die beiden waren mehr als vertrauenswürdig. Allzulang dauerte die Fahrt nicht und wir kamen an eine Kreuzung, die uns trennte. Sie ließen mich raus und wir verabredeten uns für irgendwann, irgendwo.
Ich stand nun wieder an der Straße und auch wenn der Süden doch schon gut bewohnt ist und darüber hinaus gerade in den sonnenreicheren Tagen hier Tourismus sein soll, waren die Straßen doch überschaubar. Also wanderte ich los, ist besser, als blöde am Straßenrand zu stehen und auf ein Auto zu warten. Irgendwann hielt auch ein Auto und nahm mich die wenigen Meilen nach Coopers Landing mit. Das Wetter war trüb, aber der Regen hatte sich seit dem Vortag eingestellt. In Cooper Landing ließ mich die Fahrerin raus und ich suchte eine Möglichkeit, den Rest des Tages irgendwo gut zu campen und ggf. was nettes zu essen. So schlich ich durch die Gegend und kam irgendwann an eine Art Garage oder Scheune. Alte Autos standen rum, ein paar Leute werkelten vor sich hin und ich fragte, wo hier der nächste Campingplatz am Cooper Lake wäre. Die Herren wussten nichts davon, aber eine junge Frau, die dabei stand, meinte nur schlicht: „I give you an hike“ Ich wusste erst nicht, was das bedeutete 🙂 Klaro, sie bringt mich hin. Es war nochmal eine gute Strecke – halb um den See. Sie lies mich raus, zeigte in den Wald und meinte, dass hinter dem Wald der See wäre. Sie empfahl mir weiterhin Mückenschutz…
Ich ging in den Wald und er war zauberhaft, oder besser verzaubert. Voller Ruhe, mystische Bäume und überall Flechten und Moose. Und tatsächlich, es gab dann auch den besagten Campground. Einmal für die RVs eine riesige Fläche, die teilweise belegt war und mich irgenwie an die Parkplätze vor Supermärkten erinnerte. Dahinter, etwas abgelegen, einen kleinen Platz, unbefestigt für die Camper. Davon gabs nur wenige, genau gesagt nur mich. Ich schlug mein Zelt auf und fand die Gegend einfach wunderschön. Die totale Ruhe, der Himmel wurde etwas heller, wenngleich noch nicht die Sonne raus kam. Mein Traum von einem leckeren Essen hatte sich jedoch damit zerschlagen, denn der Campingplatz war auch ab vom Schuss. Nochmal zurück wollte ich nicht, also packte ich meine Miniküche aus und beschloss, mir was kleines am See zu kochen. Meine Ausrüstung erregte wohl bei den Wohnmobilbesitzern Mitleid und als Sie aus der Ferne sahen, wie ich da anfing, mir was zu köcheln, kam einer daher und fragte mich ein bisschen aus. Woher ich komme, was ich hier so mache usw. Nachdem ich ihm wohl seine Skepsis etwas nehmen konnte, fragte er mich, ob ich Fisch mag. Klaro! Er hätte welchen gefangen und geräuchert (ja, man hat seinen eigenen Räucherofen mit im Urlaub – verrückt!) und es ist was übrig. Und dann kam er mit einem großen Stück Lachs (woher hat der Mann den Lachs? Wusste nicht, dass derLachs in
der Gegend – war ja ein See – umtriebig ist) und verabschiedete sich, weil er TV gucken musste. So aß ich meinen frischen Lachs, er war ausgezeichnet und saß noch längere Zeit am See. Die Mücken trieben mich aber ins Zelt. Aber bevor ich schlafen gehen konnte, mussten noch die Lebensmittel raus, nicht dass ich nachts Besuch von Meister Petz bekomme. Ich packte alles in eine Plastiktüte, suchte mir einen Baum und zog meinen Reiseproviant an einem Ast empor. Gesichert.
Der nächste Morgen begrüßte mich mit strahlendem Sonnenschein! Was ein Kaiserwetter nach den letzten
regenintensiven und wolkenverhangenen Tagen!!! Endlich konnte ich meine Sachen trocknen. Nicht das das Zelt undicht war, das hielt super. Vielmehr wurden die Sachen wegen der hohen Luftfeuchte klamm. So genoß ich meinen morgendlichhen Instant-Kaffee auf meiner Iso-Matte und erfreute mich der wärmenden Strahlen, während mein Schlafsack endlich mal gelüftet werden konnte.
Nach einem Frühstück bei Sonne beschloß ich, noch ein paar Meter durch den Wald zu streunern. Er war ja gestern schon sehr beeindruckend und ich dachte, ein wenig Sonne auf meine Sachen wäre nicht schlecht, bevor ich alles wieder verpacke. So kann es trocknen und wer weiß, wann die nächsten Sonnenstunden kommen. Meine bisherigen Erfahrung sagte mir, dass der Süden Alaskas äußerst feucht ist. Der Wald hatte wirklich was verhextes, aber die Gegend war ein Traum. Total abgeschieden, sehr ruhig, genau das, was ich erwartet hatte. Das Wetter verstärkte mein Wohlbefinden enorm. Hin und wieder konnte man auf den See und die dahinter liegenden Berge (Cooper Mountain) schauen, was ein toller Anblick war.
Nicht aus Eitelkeit, sondern um mal mich mit Bartwuchs zu verewigen (denn bisher war mir tägliches rasieren in der Zivilisation ein allmorgendlicher Akt wie Zähneputzen nicht wegzudenken), machte ich ein Selbstbild mit meiner Lieblingssonnenbrille. Das letzte mit ihr – denn noch am gleichen Tag ging sie beim Trampen in die Brüche. Ich ging zurück zum Zelt, packte meine Sachen und wanderte wieder Richtung Straße, ich wollte ja weiter nach Whittier, Gletscher gucken. Da die Straßen in Alaska, abseits von Anchorage, Fairbanks oder Juneau nicht wirklich intensiv befahren werden, war ich lange Zeit relativ allein und fand keinen, der mich mitnimmt. Ich dachte an die junge Frau von gestern. Die könnte doch nochmal vorbei kommen und mir einen „hike“ geben, zumal wieder Wolken aufgekommen waren. Aber nix da.
Außerdem lief mir die Zeit davon, denn nach Whittier kommt man – so meine Infos von Laura und Kathie – nicht ohne Problem hin. Ich verstand das zwar nicht, akzeptierte es aber. Irgendwann, nach wirklich langer Zeit hielt jemand, der mich mitnehmen konnte. Der Fahrer war auf dem Weg nach Anchorage und so konnte ich die paar Meilen mitfahren. Er
ließ mich an der mir schon bekannten Kreuzung nach Portage raus, da es von dort weiter nach Whittie ging. Den Weg zum Campingplatz „Black Bear“ kannte ich schon. Einige Punkte kamen mir in den Sinn. Der zunehmend stärkere Regen, die Brücke, auf welcher ich meinen liebgewonnenen Hut verloren hatte, die Stelle am Fluß, wo „ominöse Fußspuren“ waren und schließlich der Campingplatz, wo die jungen Soldaten neulich gefeiert hatten und meine Jacke(n) sowie Trinksystem weggekommen waren… Fast schon ein Heimatgefühl, aber kein Gutes, da ich den Platz irgendwie nicht mehr so recht mochte. Es war außer mir keiner da, weder RVs noch Camper. So verbrachte ich einen Nachmittag mit lesen und schwor, ein wenig mehr Reisedisziplin an den Tag zu legen, denn ich habe ja ein Ziel vor den Augen: der arktische Ozean. Um den zu erreichen, darf ich nicht so viel Zeit für meine kleinen Distanzen verbrauchen. Morgen also geht es ab nach Whittier und dann zurück nach Anchorage!